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Fall Höxter: Tödliche Misshandlungen: Prozess um Horror-Haus von Höxter beginnt

Fall Höxter

Tödliche Misshandlungen: Prozess um Horror-Haus von Höxter beginnt

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    In diesem Haus in Höxter soll das Paar seine Opfer misshandelt haben.
    In diesem Haus in Höxter soll das Paar seine Opfer misshandelt haben. Foto: Friso Gentsch (dpa), Archiv

    Mit Kontaktanzeigen sollen sie ihre Opfer in ihr Haus nach Höxter gelockt und dort gequält haben: Wegen zweifachen Mordes durch Unterlassen und mehrfacher Körperverletzung steht in Paderborn ab Mittwoch ein geschiedenes Ehepaar vor Gericht. Dem 46 Jahre alten Wilfried W. und seiner ein Jahr älteren Ex-Frau Angelika W. wirft die Staatsanwaltschaft vor, mehrere Frauen schwer misshandelt zu haben. 

    Zwei Frauen starben in Folge der Quälereien, eine weitere Frau entkam. Andere Frauen sollen sie um größere Geldmengen gebracht haben. Die Staatsanwaltschaft geht im Zuge der noch laufenden Ermittlungen insgesamt von mindestens acht Opfern aus. In einem sadistischen Spiel um Macht und Unterwerfung sollen die zu Tode gekommenen Frauen an Heizkörper gekettet, geschlagen und getreten worden sein, wie ein Ermittler berichtete, als die Misshandlungsfälle im Sommer aufflogen. 

    Damals hatten die beiden Angeklagten die lebensgefährlich verletzte Susanne F. aus Bad Gandersheim zurück nach Niedersachsen bringen wollen. Bei einer Autopanne entschieden sie, den Notarzt zu verständigen. Die Frau starb wenige Stunden später im Krankenhaus. Aufgrund der Verletzungen der Toten nahm die Polizei die Ermittlungen auf. 

    Horror-Haus von Höxter: Zwei Todesfälle

    Der Fall Höxter - eine Chronologie des Grauens

    Das Landgericht Paderborn hat ein Urteil zu den Geschehnissen im sogenannten Horrorhaus von Höxter gesprochen. Angeklagt wegen Mordes durch Unterlassen waren Wilfried W. (48) und seine Ex-Frau Angelika W. (49). Eine Chronologie der Ereignisse:

    1995: Das Amtsgericht Paderborn verurteilt den damals 25-jährigen Wilfried W. wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Er hatte laut Gericht seine Frau misshandelt und gequält - zusammen mit einer Komplizin.

    1999: Der gebürtige Bochumer lernt die in Herford geborene, heute 49-jährige Angeklagte Angelika B. kennen. Sie heiraten.

    2011: Im Ortsteil Höxter-Bosseborn mietet das Paar einen Hof.

    Ende 2011 bis März 2012: Mehr als drei Monate soll eine Frau aus dem Großraum Berlin misshandelt und gefangen gehalten worden sein. Das Opfer traut sich erst 2016, bei der Polizei auszusagen, als es in Medienberichten das Haus in Ostwestfalen wiedererkennt.

    2013: Über eine Zeitungsanzeige kommt Anika W. aus Niedersachsen nach Bosseborn. Nach kurzer Zeit heiratet sie Wilfried W., der weiter mit seiner Ex-Frau in dem Haus wohnt. Gemeinsam sollen sie die 33-Jährige gequält haben, wie aus den Aussagen der Angeklagten hervorgeht.

    August 2014: Die misshandelte Frau stirbt an ihren Verletzungen. Das Paar soll die Leiche in einer Tiefkühltruhe eingefroren, zerstückelt und verbrannt sowie die Asche an Straßenrändern verteilt haben. Das Paar habe immer wieder SMS-Nachrichten an die Mutter des Opfers geschickt, die bis April 2016 davon ausgeht, dass ihre Tochter lebt.

    Februar 2016: Die 41-jährige Susanne F. aus dem niedersächsischen Bad Gandersheim reagiert auf eine Zeitungsanzeige und kommt im März in das Haus. Über mehrere Wochen wird sie festgehalten und misshandelt.

    April 2016: Mit der schwer verletzten Frau im Auto fährt das Paar in Richtung Bad Gandersheim. Dort wollen sie die Frau in ihre Wohnung zurückbringen. Eine Autopanne durchkreuzt jedoch den Plan. Sie entscheiden sich, einen Rettungswagen zu rufen. Das Opfer stirbt einen Tag später, die Ärzte schalten die Polizei ein. Wenige Tage später wird Haftbefehl gegen Wilfried W. und seine Ex-Frau erlassen.

    Mai 2016: Die Ermittler geben Details bekannt. Die Beschuldigte hat demnach umfassend über beide Todesfälle ausgesagt, Wilfried W. bestreitet jede Schuld. Die Polizei sucht nach weiteren Frauen, die in der Gewalt des Paares in Bosseborn gewesen sein könnten.

    Oktober 2016: Beginn des Prozesses gegen Wilfried W. und Angelika W.

    Ende 2016: Angelika W. schildert bei ihrer Befragung im Prozess grausame Details. Ohne ersichtliches Unrechtsbewusstsein berichtet sie, wie sie selbst Opfer und dann Täterin geworden sei. 

    März 2017: Wilfried W. sagt aus. Er schildert sich als Mitläufer.

    Juli 2018: Laut Gutachterin Nahlah Saimeh haben die Angeklagten eine gewachsene Einheit gebildet, um ihre Opfer einzuschüchtern und zu manipulieren. Die überdurchschnittlich intelligente Angelika W. sei schuldfähig, trotz der Züge von Autismus. Saimeh empfiehlt, Wilfried W. in die Psychiatrie einzuweisen. Er sei vermindert schuldfähig und habe eine erhebliche Intelligenzminderung.

    September 2018: Staatsanwalt und Nebenkläger fordern lebenslange Freiheitsstrafen und das Feststellen der besonderen Schwere der Schuld für beide Angeklagten. Zusätzlich soll Wilfried W. in die Psychiatrie. Seine Verteidiger sprechen sich wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Mordes für sieben Jahre und sechs Monate Haft und Einweisung in die Psychiatrie aus. Die Verteidiger von Angelika W. fordern für sie Freispruch. Sollte das Gericht dem nicht folgen, schlagen ihre Anwälte wegen umfassender Aussage eine Kronzeugenregelung vor. Dann soll sie für 12 Jahre ins Gefängnis.

    Oktober 2018: Die beiden Angeklagten werden zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Landgericht verhängt gegen Angelika W. 13 Jahre Haft und gegen Wilfried W. elf Jahre Freiheitsstrafe.

    Die Angeklagte Angelika W. hatte schließlich detailliert ausgesagt und den weiteren Todesfall aus dem Jahr 2014 zugegeben. Die Leiche der 33-Jährigen Annika W. sollen sie erst eingefroren, dann zerstückelt und nach und nach im Ofen verbrannt haben. Am Straßenrand verstreute Überreste suchte die Polizei vergeblich. 

    Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die beiden Todesfälle. Das Gericht wird erhellen müssen, wer der beiden Angeklagten welche Rolle spielte. Wilfried W. schweigt bislang. Sein Anwalt bestritt mehreren Medien gegenüber aber dessen direkte Beteiligung. Die Ex-Frau dagegen belastet ihn mit ihrer Aussage, sie habe auf seine Befehle hin gehandelt. Bislang geht das Gericht davon aus, dass der Prozess mindestens bis Ende März dauern wird. dpa/AZ

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