Im Mordfall Maria Bögerl findet ab heute ein zweiter DNA-Massentest statt. In Giengen an der Brenz in Baden-Württemberg sind rund 500 Männer aufgerufen, freiwillig eine Speichelprobe abzugeben. Getestet werden Männer im Alter zwischen 21 und 68 Jahren. Über vier Jahre nach dem Mord an der Bankiersgattin Maria Bögerl fehlt von dem Täter nämlich noch immer jede Spur. DNA-Material, das im Auto der Entführten gefunden wurde, konnte bisher nicht zugeordnet werden.
Maria Bögerl war im Mai 2010 ermordet worden
Die Ermittler suchen nach dem Mörder der Ehefrau des ehemaligen Sparkassenchefs in Heidenheim. Ein DNA-Massentest vor einem halben Jahr in Neresheim im Ostalbkreis hatte keinen Hinweis ergeben. Dort sollten etwa 3300 Männer ihren Speichel abgeben, 100 hatten damals keine Probe geliefert. Dass der Täter aus dem Gebiet rund um Heidenheim kommt, scheint sicher zu sein.
Die 54-jährige Maria Bögerl wurde am 12. Mai 2010 im Ort Schnaitheim, der zu Heidenehim gehört, aus dem Haus ihrer Familie entführt. Die Täter nahmen sie in ihrem eigenen Auto mit. Kurze Zeit später forderte ein unbekannter Anrufer von Bögerls Ehemann ein Lösegeld über 300.000 Euro. Der Entführer meldete sich nach Angaben der Polizei mit dem Namen „Schmid“ und sprach einen regional-typischen Dialekt.
Ehemann Thomas Bögerl konnte das Geld in der Kürze der Zeit nicht auftreiben
Das Geld sollte Thomas Bögerl, der damals Vorstandschef der Kreissparkasse Heidenheim war, bis zum Nachmittag auftreiben. Ablegen sollte er es unter einer Deutschlandflagge an einer Autobahn-Unterführung. Bögerl konnte die knappe Zeitvorgabe allerdings nicht einhalten und kam 90 Minuten zu spät. Das Geld wurde nie abgeholt. Der schwarze Mercedes von Maria Bögerl wurde zwei Tage später im Innenhof des Klosters Neresheim gefunden.
Chronologie: Der Fall Maria Bögerl
12. Mai 2010: Am Vormittag wird die Ehefrau des Vorsitzenden der Kreissparkasse Heidenheim, Maria Bögerl, aus ihrer Wohnung in Heidenheim-Schnaitheim von unbekannten Tätern entführt.
Wenig später erhält ihr Ehemann eine telefonische Lösegeldforderung über 300.000 Euro. Der Anrufer spricht einen regional typisch schwäbischen Dialekt und verwendete die Formulierung "machen Sie keine Sperenzchen".
13. Mai 2010: Eine Lösegeldübergabe am Nachmittag des Entführungstages scheitert. An der Übergabestelle an der A7 holen die Täter das deponierte Lösegeld nicht ab.
14. Mai 2010: Maria Bögerls Handy wird gefunden. Ihre schwarze Mercedes Benz A-Klasse, in der sie entführt wurde, entdeckt die Polizei nach Hinweisen im Hof des Klosters Neresheim.
18. Mai 2010: Die Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls wird auf 100.000 Euro verdoppelt. Die Sonderkommission "Flagge" wird gebildet.
19. Mai 2010: Mit einem verzweifelten Appell wendet sich die Familie in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" an die Täter. Trotz zahlreicher Hinweise gibt es keine heiße Spur.
3. Juni 2010: Ein Spaziergänger entdeckt die Leiche von Maria Bögerl in der Nähe von ihrem Haus im Wald. Die Obduktion ergibt, dass Maria Bögerl erstochen wurde. Am 9. Juni wird sie unter großer Anteilnahme beigesetzt.
11. Juli 2011: Maria Bögerls Ehemann Thomas erhängt sich in seinem Haus. Auch er war zwischenzeitlich in Verdacht geraten.
14. Juli 2011: Die Kinder der Bögerls kritisieren öffentlich die Polizei.
5. September 2012: Die Polizei wendet sich über die Sendung "Aktenzeichen XY" des ZDF an die Bevölkerung. Mehr als 500 Zuschauer melden sich.
Januar 2013: Die Soko wird von 16 auf 12 Ermittler verkleinert. Mehr als 3000 Speicheltests machten die Beamten bis dato auf der Suche nach dem Täter oder den Tätern. Gut 9800 Hinweise gingen bisher ein.
8. Mai 2013: Es ist ausschließlich die Rede von mehreren Tätern. Sie werden im Spielhallen-Milieu im Raum Neresheim, Giengen an der Brenz oder Dillingen gesucht.
14. Februar 2014: In Neresheim (Ostalbkreis) soll ein DNA-Massentest die entscheidenden Hinweise bringen. Mehr als 3000 Männer sollen zur Reihenuntersuchung antreten.
21. August 2014: Die zweite Auflage des Massentests: Auch in Giengen an der Brenz werden rund 500 Männer zum DNA-Test aufgefordert.
Februar 2015: Ein Zeuge, der früher in Augsburg lebte, behauptet, er kenne die beiden Täter. Die Polizei ist skeptisch, da es sich beim Zeugen um einen notorischen Betrüger handelt.
13. Februar 2015: Das Amtsgericht Ellwangen will mehrere Männer zur Speichelprobe zwingen. Diese hätten die Teilnahme an den freiwilligen DNA-Massentests bislang verweigert, gegen sie lägen aber "weitere Verdachtsmomente" vor.
23. April 2015: Die Staatsanwaltschaft Ellwangen verkündet, den angeblichen neuen Zeugen vorerst nicht mehr vernehmen zu wollen.
November 2015: Auf der Suche nach dem Täter werten die Ermittler mit einer neuen Software 600.000 alte Datensätze aus – darunter vor allem Handy-Verbindungsdaten aus dem Tatzeitraum.
April 2016: Knapp sechs Jahre nach dem Mord an der Bankiersgattin geht die Polizei noch einmal 150 neuen Ermittlungsansätzen nach.
Dezember 2016: Sechseinhalb Jahre Arbeit, über 10.300 Hinweise und keine heiße Spur. Beim Mordfall Maria Bögerl tappen die Ermittler seit Jahren im Dunkeln – aber der Fall treibt sie weiter um.
5. April 2017: Die Ermittler suchen nach einem Verdächtigen und gehen einer entscheidenden Spur nach. Der Mann ist in Nordrhein-Westfalen gesehen worden. In der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" suchen die Ermittler erneut nach Zeugen. Sie veröffentlichen ein Phantombild und Teile einer Tonaufnahme.
6. April 2017: Ein Verdächtiger im Mordfall Bögerl wurde festgenommen. Er soll die Tat vergangenen Sommer betrunken vor Zeugen gestanden haben. Ein DNA-Abgleich verlief aber negativ.
Weder eine Suchaktion noch ein Fernsehaufruf in der Sendung „Aktenzeichen XY“ brachten die Ermittler damals auf die Spur der Entführer. Rund drei Wochen später entdeckte ein Spaziergänger die Leiche von Maria Bögerl in einem Wald nahe der kleinen Ortschaft Niesitz. Jemand hatte sie erstochen und dort unter Ästen und Reisig versteckt.
Thomas Bögerl erhängte sich später in seinem eigenen Haus
Die Ermittlungen der Ulmer Polizei gingen daraufhin in verschiedene Richtungen. Auch die Familie Bögerl stand zwischenzeitlich unter Verdacht. Als dieser Monate später ausgeräumt werden konnte, war der Ruf des Vaters und der zwei Kinder bereits schwer beschädigt. Ein Jahr nach dem Mord an seiner Frau, erhängte sich Thomas Bögerl im Fitnessraum seines Hauses.
Auf dem weiteren Ermittlungsweg liefen viele Hinweise ins Leere. Da gab es zum Beispiel einen anonymen Anrufer, der die Polizei monatelang in die Irre führte. Durch seine Theorien konzentrierte sich die Soko „Flagge“ fälschlicherweise auf die Spielhallenszene. Der Hinweisgeber wurde später zu drei Jahren Haft verurteilt.
Dass ein Massengentest erst vier Jahre nach der Entführung von Maria Bögerl organisiert wird, hat nichts mit einem Versäumnis zu tun, wie Polizeisprecher Wolfgang Jürgens erläutert: „So eine einschneidende Maßnahme muss wohl überlegt sein, da sie eine große Betroffenheit hervorruft.“ Zuerst sei man konkreten Hinweisen nachgegangen. Erst als diese die Ermittlungen nicht voranbrachten, wurde der Massengentest in Neresheim organisiert. Die anstehende Untersuchung in Giegen ist die Fortsetzung der ersten Aktion. (dpa, AZ)