Von Christa Langen-Peduto, Rom Erst gibt es eine katholische Messe zur Einstimmung. Danach treten alle Gottesdienstteilnehmer in einen Seitenraum. Die kleine fensterlose Marienkirche in Roms Innenstadt wird jetzt abgeschlossen.
Drinnen tritt Pater Gabriele Amorth (82) in Aktion, der Ehrenpräsident der von ihm mitgegründeten Gesellschaft für Exorzismus. Er ist in Rom tätig, aber zugleich der international bekannteste Teufelsaustreiber.
In den letzten 21 Jahren hat er nach eigenen Angaben 70.000 Exorzismen durchgeführt, oft 15 am Tag. Heute stehen fünf auf seinem Terminplan. "Größtenteils schwere Fälle", sagt Amorth. Die leichten behandele er anderswo. Doch zunächst nimmt er im Vorraum Segnungen vor. Auf dem Tisch stehen Flaschen mit Mineralwasser.
Pater Amorth besprüht sie mit Weihwasser. Für von Dämonen Besessene sei es wichtig, gesegnetes Wasser zu trinken, sagt er. Ein wohlbeleibter Mann in den mittleren Jahren legt sich auf eine einfache Liege mit Decken. Dann heißt es: "Bitte draußen bleiben". Jetzt wird der schwarz gekleidete alte Priester energisch. Die Tür wird geschlossen. Bei der Exorzismus-Sitzung lässt er nur Angehörige und seine Helfer zu.
Gebetsgemurmel ist zu hören, später dringen auch Schreie durch die geschlossene Tür. Davor Wartende zeigen sich gesprächig. Alle sind voll des Lobs für Pater Amorth. Ein Mann berichtet, bei wie vielen Ärzten er vorher gewesen sei. Keiner habe ihm helfen können. Sie sei auch erst bei einem Psychiater gewesen, erzählt die 34-jährige Giovanna (Name geändert). Der habe sie dann aber zum Pfarrer geschickt und dieser sie an den Exorzisten vermittelt.
Der Fall der hübschen Frau klingt besonders eindrucksvoll. Beim Studium habe sie allerlei merkwürdige Leute kennengelernt, dann auch Drogen genommen. Ihr damaliger Verlobter habe sie dann wegen der Tochter einer Wahrsagerin verlassen. "Kurz danach fing es an, ich hörte plötzlich Stimmen", berichtet Giovanna. Pater Amorth habe ihr sehr geholfen, aber ab und zu spüre sie wieder was. Deshalb reist Giovanna, inzwischen in Sizilien als Lehrerin tätig, seit fünf Jahren einmal im Monat zum Exorzisten nach Rom.
Viel zu erzählen hat auch Helfer Pietro, römischer Müllwerker in Pension mit reichlich Körperkraft. Pater Amorth rufe ihn zum Festhalten zu Hilfe, wenn sich die Person auf der Liege zu heftig aufbäume, weil der Dämon in ihm dem Exorzisten nicht gehorchen und nicht ausfahren wolle.
"Da spuckt die Person dann oft Rasierklingen, Nägel und Figuren aus, ohne dass sie was dafür kann", beteuert Pietro - eine Aussage, deren Wahrheitsgehalt Pater Amorth später auf Anfrage bestätigt.
Plötzlich öffnet sich die Tür wieder. Der Patient kommt heraus, hochrot im Gesicht, mit weit aufgerissenen Augen. "Es geht mir besser", sagt er und wirkt erleichtert. "Der Nächste bitte". Pater Amorth erscheint aufs Äußerste konzentriert. Später ist der 82-Jährige sehr erschöpft. Oft gehe es wirklich zu wie in "Der Exorzist", dem berühmten Film: "Das habe ich alles schon mal erlebt", sagt Amorth. Viel mehr Exorzisten müsse es geben, meint der Pater, dessen Familie übrigens bayrischen Ursprungs ist.
Er sei gar nicht damit einverstanden, dass das in Deutschland fast ein Tabu-Thema ist. Der Teufel sei "ein spirituelles Wesen, das gegen Gott rebelliert" habe, in vielerlei Gestalt oder unter vielerlei Namen auftrete. Heutzutage nicht stärker als etwa im Mittelalter - aber "Okkultismus, Glaube an Zauberei, auch gewisse Disco-Musik und übertriebene Sexbezogenheit" begünstigten des Teufels Freiheit der Aktion.
Wie er denn feststelle, ob der von ihm Behandelte wirklich vom Dämonen besessen oder nur ein normaler psychisch Kranker sei? Amorth versichert, die zu ihm Kommenden immer vorher zum Arzt zu schicken und sich gründlich die Diagnose anzusehen: "Die Symptome sind anders, Medizin schlägt da nicht an. Die Person krümmt und windet sich oft auf dem Boden liegend, schlägt wild um sich, wenn ich sie mit Weihwasser besprenge."
Er bete beim Exorzismus, am liebsten auf Latein, und befehle: "Satan, verschwinde im Namen von Jesus." Die Person auf der Liege falle in Trance, wenn sie wirklich vom Dämonen besessen sei. Er führe dann einen Dialog mit dem Teufel in ihr. Um den zu vertreiben, sagt er, seien aber oft viele Sitzungen nötig.