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Eurovision Song Contest: Sieg in Oslo: Lena Meyer-Landrut wie im Märchen

Eurovision Song Contest

Sieg in Oslo: Lena Meyer-Landrut wie im Märchen

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    Lena Meyer-Landrut jubelt über den Erfolg beim Eurovision Song Contest
    Lena Meyer-Landrut jubelt über den Erfolg beim Eurovision Song Contest Foto: car

    Lena Meyer-Landrut hat den Eurovision Song Contest gewonnen. 28 Jahre nach dem Sieg von Nicole hat wieder eine junge Sängerin den Grand Prix nach Deutschland geholt.

    Die 19-jährige Lena aus Hannover lag am Sonntagabend mit ihrem Song "Satellite" weit vor der europäischen Konkurrenz. Mit 246 Punkten gewann Lena für Deutschland vor der Türkei (170 Punkte) und Rumänien (162). Damit findet der 56. Eurovision Song Contest im Jahr 2011 in Deutschland statt.

    Lena konnte ihren Triumph kaum fassen. Völlig aufgelöst sagte sie in die Kameras nach ihrem Erdrutschsieg: "Das war definitiv nicht zu erwarten. Ich bin vollkommen fertig. Aber immer, wenn es darauf ankommt, wird es gut." Dass es für den ersten Platz gereicht hat, "ist wahnsinnig". Lena konnte es nicht glauben.

    Das Glück war ihr ins Gesicht geschrieben: "Ich freue mich total, und habe es noch nicht realisiert." In der Halle in Oslo jubelten die Massen - und auf den Fan-Feiern in Hamburg, Düsseldorf und Hannover erst recht.

    In Augsburg waren während der Punktevergabe Jubelschreie zu hören, ein Feuerwerk ging los und kurz nach der Siegerverkündung fuhren sogar hupende Autos durch die Straßen. Überall in Deutschland gab es ausgelassenen Jubel, wie man ihn sonst nur von Siegen im Fußball kennt.

    Lena Meyer-Landrut, die 19-Jährige, die vor vier Monaten noch niemand kannte, steht jetzt auf dem musikalischen Thron Europas. Es sei ein "wahnsinnig tolles Gefühl" stotterte Lena noch in die Kameras, bevor ein ebenso aufgelöster Stefan Raab vor die Kamera trat und erstaunlich wenig sagte: "Wir sind total schockiert."

    Show plätschert dahin - bis Lena auftritt

    Während der Sendung war nicht klar, dass Lena einen derartig klaren Sieg einfahren würde. Die Show plätscherte ein wenig dahin. 25 Interpreten traten auf. Ab Lied 20 begann das Warten auf Lena Meyer-Landrut, die erst als 22. startete. Die Songs davor waren schwach, gut für Lena.

    Vor ihrem Auftritt hallten Lena-Rufe durch die Halle. Nervös blickte sie in die Kameras und sah aus wie Schneewittchen: mit ihren Lippen so rot wie Blut, dem Haar so dunkel wie Ebenholz und der Haut so weiß wie Schnee. Als der vertraute Song "Satellite" erklang, toste sofort der erste Szenenapplaus durch das weite Rund.

    Mit ihrem bezaubernden Charme, mit ihrer schüchternen und doch lebenslustigen Art zog Lena sofort ihr Publikum in den Bann. Trotz ihrer zierlichen Figur und dem unaufgeregten Outfit - im Vergleich zu so mancher osteuropäischen, vollbusigen Interpretin - füllte sie die Bühne aus und lachte glaubwürdig über ihren ganzen Auftritt ins Publikum.

    Es machte ihr Spaß, das sah man, mit dem Publikum zu spielen. Mehrfach gab es Szenenapplaus. Am Ende strahlte Lena und bedankte sich auf englisch und deutsch. Ein brillianter Auftritt: echt, bodenständig, sympathisch, frech, schüchtern, kess, mädchenhaft. Ein Widerspruch? Vielleicht, nicht aber am Samstag.

    Ob es reichen würde, war nach ihrem Auftritt nicht klar. Möglich war da aber alles, das spürten die Zuschauer in der Osloer Halle wie vor den Bildschirmen.

    Mitfavoritin präsentiert sich zu perfekt

    Die große Mitfavoritin Safura aus Aserbaidschan stand bei den englischen Buchmachern hoch im Kurs und zeigte auch, warum. Das Vollweib, das Gegenstück zum Mädchen Lena, bot eine gute Show. Vielleicht zu perfekt, etwas zu glatt. Doch der Refrain "Drip, Drop" des gleichnamigen Liedes war eingängig und gab dem Auftritt etwas Erfrischendes. Dass es nicht reichte, lag nicht nur an Lena. Safura landete trotz einiger 12-Punkt-Wertungen doch nur im vorderen Mittelfeld.

    Die Konkurrenz kam anderswo her: aus Belgien und der Türkei. Die türkischen Rocker konnten aber nur kurz mithalten. Schon nach der Hälfte der Punktevergabe aus ganz Europa war der Sieg Lenas quasi fix. Sie selbst, in der Halbzeit auf den großen Vorsprung angesprochen, verplatterte sich schon und sprach so, als ob sie gewonnen hätte. Ihr blasses Gesicht lief rot an, sie nahm es zurück. Doch ernsthaft an ihrem Sieg zweifelte da schon niemand mehr.

    Andere Höhepunkte gab es wenige. Einer war der Auftritt des spanischen Vertreters, als plötzlich ein Mann auf die Bühne stürmte und die Choregraphie unterstüzte - bis er dann von Sicherheitsleuten vertrieben und aus dem Saal geführt wurde. Der Spanier durfte später noch einmal auftreten.

    In die Herzen der Zuhörer sang sich der belgische Underdog Tom Dice mit dem Lied "Me and my guitar". Mit einem altmodisch wirkenden Anzug ohne Sakko und sonst nur mit Gitarre bewaffnet, stand der junge Mann mit der einfühlsamen Stimme schlagartig im Rampenlicht. Neben Lena Meyer-Landrut war er der einzige Interpret, der Szenenapplaus erntete. Ohne Lena, so bleibt die Vermutung, hätte er gewonnen. Damit zeichnet sich beim Eurovision Song Contest ein Trend ab: Die leiseren Töne gewinnen.

    Über Geschmack lässt sich freilich streiten, aber auch der griechische Beitrag von Giorgos Alkaios & Friends mit "Opa" brachte von Anfang an Stimmung in die Halle - am Ende standen die Zuschauer auf den Stühlen. Auch Serbien brachte mit Balkan-Pop Stimmung in die Halle, ähnlich wie beim französischen Beitrag von Jessy Matador mit seinem Sommer-Hit "Allez! Ola! Olé!", der das Rund erzittern ließ. Es wäre nicht verwunderlich, würde dieser Song einer der Hits bei der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft werden.

    Dass es sich um einen europäischen Wettbewerb handelte, wurde selten deutlich. Wie jedes Jahr dominierten die englischsprachigen Lieder. Dass dies dem Wettkampf der Kulturen und der Attraktivität der Sendung (die Werbung spräche vom Alleinstellungsmerkmal) schadet, ignorieren die Macher beharrlich.

    Deutschland liebt Lena

    Vor der eigentlichen Sendung berieselte die ARD die Zuschauer mit einer Vorberichterstattung aus Hamburg, die eigentlich Spannung aufbauen sollte. Was nicht gelang. Spätestens bei einer musikalischen Einlage von Nena dürften die ersten Zuschauer eingeschlafen sein.

    In einer Schalte nach Oslo zu Stefan Raab und Lena Meyer-Landrut zeigte sich die Sängerin erstaunlich gelassen, wirkte dann aber doch einen Tick aufgesetzt. Auf die Kreativ-Frage der Moderatorin Sabine Heinrich, wie es Lena denn gehe, antwortete diese: "Mir geht's gut, nicht nervös, bin aufgeregt, habe Bock, wird total geil."

    Für solche Sätze wird man in Deutschland geliebt. Dem Deutschland, das in Wartestellung auf die Fußball-WM in Südafrika liegt und durch den Sieg Lenas vielleicht frischen Mut fassen kann. Und dies war den 35.000 Gästen der öffentlichen ARD-Übertragung in Hamburg anzumerken. Die Schalte zu Lena nach Oslo wurde von aus vom Fußball bekannten Fangesängen unterbrochen.

    Der Eurovision Song Contest zeigte dabei eine Ähnlichkeit zum Sommermärchen von 2006: den Patriotismus der Spaßgesellschaft, weichgespülte gute Laune. Die wich erst am Ende, nach Lenas Sieg, einer glaubwürdigen Freude, einem ausgelassenen, echten Jubel.

    Um 15.15 Uhr landet Lena am Sonntag in einem Sonderflieger in Deutschland. Die ARD überträgt live. Das Sommermärchen um Schneewittchen Lena Meyer-Landrut wird weitergehen. Diesen Namen werden wir so schnell nicht vergessen. Von Niko Steeb

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