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Nach 250 Morden: Escobars Auftragskiller "Popeye" will in die Politik

Nach 250 Morden

Escobars Auftragskiller "Popeye" will in die Politik

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    Jhon Jairo Velásquez alias «Popeye», früherer Auftragsmörder von Kolumbiens Drogenboss Escobar, in einem Hotelkomplex in Medellin.
    Jhon Jairo Velásquez alias «Popeye», früherer Auftragsmörder von Kolumbiens Drogenboss Escobar, in einem Hotelkomplex in Medellin. Foto: Georg Ismar (dpa)

    Männer erheben sich ehrfürchtig vom Frühstückstisch, als "Popeye" den Salon betritt. Er schüttelt Hände, lacht, auf beiden Armen steht groß eintätowiert: "El General de la Mafia". Er geht nach draußen zu den Tischen am Pool, eine junge Kolumbianerin kommt, sie bittet ihn um ein Foto, ihre Stimme zittert. "Sind Sie wirklich "Popeye"?" Er nimmt sie für das Foto in den Schwitzkasten und grinst.

    Jhon Jairo Velásquez alias "Popeye" hat beste Manieren, schaut immer die Leute an, dankt höflich, ein Gentleman. Jhon Jairo Velásquez ist aber auch ein Mörder von rund 250 Menschen. "Vielleicht waren es auch mehr, aber ich will mich jetzt nicht über die genaue Zahl streiten." Er war die rechte Hand von Kolumbiens Kokainkönig Pablo Escobar.

    Velásquez zeigt, wie man einen Menschen am effektivsten erschießt. Zwei Schüsse, oberhalb der Augenpartie. Dann nimmt er einen Schluck frischgepressten Orangensaft. "Das habe ich neu zu genießen gelernt".

    In diesen Genuss komme "El Chapo" Guzmán ja leider nicht mehr - gleich mehrfach äußert er sein Mitleid mit dem in den USA inhaftierten Drogenboss aus Mexiko. Dieser wird - anders als "Popeye" - wohl niemals mehr die Luft der Freiheit schnuppern können. Dass er hier nun sitzt, grenzt an ein Wunder. Escobar wurde 1993 erschossen. 

    "Popeye" stellte sich, kooperierte mit der Justiz, berichtete über die Verbrechen des Medellín-Kartells - und ist daher seit mehr als zwei Jahren wieder ein freier Mann. Auf Bewährung, er macht Diplome im Gefängnis und führte sich vorbildlich, wie es hieß. Angst vor Racheakten? "Ich weiß aufzupassen." Er sagt, dass er gebüßt und bei Angehörigen von Opfern um Verzeihung gebeten habe, aber echte Reue? 

    Leute beschimpfen ihn auf der Straße schon mal als "Mörder", er polarisiert und ist ein Spiegelbild einer gespaltenen Gesellschaft. In Armenvierteln wie dem Barrio Pablo Escobar, die das Kartell unterstützte, gibt es hingegen noch viele Unterstützer. Medellíns Bürgermeister Federico Gutiérrez glaubt, dass "Popeye" wieder ein Problem werden könnte. "Das Land braucht einen Pakt, damit die Leute nicht weiter hofiert werden, die so viel Leid zugefügt haben, keine Verherrlichung des Verbrechens", sagte er dem Magazin "Semana".

    In "Popeyes" Zelle hing ein Bild der Jungfrau Maria - und er hat sich ein Jesus-Bildnis auf den Arm tätowieren lassen. Mit dem Gebot "Du sollst nicht töten" hat er es aber nicht so genau genommen. Im Juni kommt nach der Serie "Narcos" über Escobar eine Serie über "Popeye" im Streamingdienst Netflix. Er hat ein Buch geschrieben und versucht, mit dem eigenen Mythos Geld zu machen. Widmungen schreibt er als "Der Mörder des Vertrauens von Pablo Escobar" - und hat ein Stempelkissen dabei, um seinen Fingerabdruck als Signatur zu hinterlassen. Er redet so laut, dass die Leute an Nachbartischen fast alles mithören können.

    Jhon Jairo Velásquez alias "Popeye": Mehr als 250 Morde

    "Medellín ist unsicher", klagt er. Ausgerechnet er sei vor ein paar Monaten überfallen worden, Sonnenbrille und Uhr wurden geraubt. Zehntausende folgen ihm in sozialen Netzwerken. Auf Twitter bezeichnet er sich heute als "politischen Aktivisten und Verteidiger der Menschenrechte", ausgerechnet. "Ja, ich will Senator werden", sagt er. 2018 ist die nächste Wahl - allerdings müsste dafür erst das Gesetz geändert werden, mit seinen Vorstrafen darf man bisher gar nicht kandidieren. Er ist nicht zimperlich, den Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos beschimpft er als "korrupte Ratte". Und im Kampf gegen den Kokainhandel, der ihn einst reich machte, lautet sein Rezept: "Man muss es legalisieren." 

    Die Zahlen seiner Geschichte rattert er herunter, als ginge es um Fußballergebnisse. 250 Morde durch seine eigene Hand, rund 3000 Mordaufträge. "Wir ließen 250 Bomben im Land hochgehen, haben 540 Polizisten getötet und 800 verletzt." Auf den Einwand, dass ein solcher Mörder in Europa sicher nicht so hofiert würde, auch wenn er 23 Jahre und drei Monate im Gefängnis abgesessen hat, entgegnet der 54-Jährige: "Esto es el trópico." Frei übersetzt: In Kolumbien ist halt alles etwas anders. "Ich werde bewundert, ich bin wieder ein Teil der Gesellschaft." Er ist ein Grenzgänger, in jeder Hinsicht. 

    Er macht sich fast etwas lustig über die linke Farc-Guerilla, die nun nach 52 Jahren erfolglosem Kampf die Waffen niederlegt. "Wir haben damals mit gut 2000 Mann den Staat besiegt." Escobars Motto war: "Lieber ein Grab in Kolumbien als ein Gefängnis in den USA." 

    Man ließ Politiker bis hin zu Präsidentschaftskandidat Luis Carlos Galán ermorden, um Gesetze, die die Auslieferung an die USA vorsahen, zu torpedieren. Escobar brachte den Staat schließlich soweit, dass er mit "Popeye" und Co. in das selbst gebaute Luxusgefängnis "La Catedral" einziehen durfte, das eher eine gemütliche Ranch war. 1992 flüchte Escobar aber, am 2. Dezember 1993 wurde er erschossen. Die Pflege seines Grabs bei Medellín bezahlt heute sein Diener "Popeye". 

    Dessen Loyalität ging so weit, dass er für Escobar seine Geliebte Wendy ermorden ließ, sie soll als Spionin für das Cali-Kartell gearbeitet haben. Er ließ sie in eine Bar kommen und rief dort an. Als sie zum Telefon ging, wurde ihr von Komplizen von zwei Seiten in den Kopf geschossen. Aber das alles sei vorbei. Kolumbien erlebt eine historische Friedenszeit. 3,5 Millionen Touristen 2016. Und Medellín hat Preise gewonnen für die Bekämpfung von Armut und Gewalt. "Popeye" hat einen Rat an die Jugend: "Geht den Weg der Disziplin, Arbeit, des Studium, der Kunst und des Sports. Denn dem Banditen stehen nur drei Türen offen: Das Gefängnis, das Krankenhaus oder der Friedhof". AZ/dpa

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