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Erste EM im Ausbeinen

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Erste EM im Ausbeinen

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    Erste EM im Ausbeinen
    Erste EM im Ausbeinen Foto: DPA

    Voller Vorfreude klatschen sie in ihre desinfizierten Hände. An der Schranke zum Wettkampfzelt kommt nämlich nur vorbei, wer seine Hände in einen silbernen High-Tech-Automaten legt, aus dem es Desinfektionsmittel sprüht. Aber da geht's auch schon los. Europas beste Fleischer marschieren ein, der Moderator grölt: "Wo sind die Füße?" Und das Publikum trampelt. Dazu Schlachtrufe. Schon geht's ans Zerlegen - sprich: das Trennen des Fleisches vom Knochen einer Schweineschulter. So schnell und so sauber wie möglich.

    Am Samstag ist im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück die erste Zerlege-Europameisterschaft ausgetragen worden. Auf dem Gelände eines großen Fleischfabrikanten herrscht Volksfeststimmung. Die Veranstalter zählen - recht großzügig - etwa 10 000 Besucher. "Fleisch ist ein Emotionsartikel, ein Lebensmittel, aber emotional geladen", beschreibt Veranstalter Clemens Tönnies die Faszination des Events.

    Nicht etwas skurril das Ganze? Dazu sagte Uli Hoeneß, Fleischfabrikanten- und Fußball-Freund von Tönnies, der dpa im Vorfeld: "Ich habe ja nur eine Wurstfabrik, daher kenn ich mich mit dem Zerlegen nicht so aus. Aber für das Fleischerhandwerk ist das eine ganz normale Angelegenheit. Das ist so, als wenn ein Schreiner Schränke zerlegt."

    Wer keinen Platz in der "Zerlege-Arena" ergattert, kann das Spektakel im riesigen zweckentfremdeten Zirkuszelt auf Großleinwand sehen. "Ausbeinen ist ein echter Knochenjob", schildert Fleischer-Meister Erik Tober aus Sachsen-Anhalt. Der 31-Jährige ist einer von 104 Startern aus elf Nationen. Was einen guten Zerleger ausmacht? "Vor allem Talent, aber auch Ausdauer und Kraft", erklärt der deutsche Meister von 2005, der diesmal als Vorrundenschnellster unglücklich im Achtelfinale ausscheidet. Jeder habe sein spezielles System - etwa, ob er mit der Wade oder dem Schaufelblatt beginne.

    So ein Wettkampf-Tag schlaucht: In den Qualifikationsrunden müssen je drei Schweineschultern zerlegt werden, im Finale jeweils fünf. Und Schnelligkeit allein genügt nicht: Wer unsauber arbeitet - etwa Fleisch am Knorpel lässt oder dem Fleisch Stiche versetzt - kriegt Strafsekunden. Darüber wacht eine gestrenge Jury aus der Branche.

    Ganz transparent sind die Jury-Entscheidungen für das Publikum nicht. Dafür schnippeln und stechen jeweils zu viele Wettstreiter parallel an ihren Arbeitsplatten. Dafür müssen zu viele Fleischstücke ausgewertet werden. Die komplexen Punkteverteilungen werden nach dem Achtelfinale auch erst gar nicht mehr ausgehängt. Der "Beste der Besten" gewinnt am Ende eine silberne Harley Davidson. Erster Europameister wird Peter Blom (35) aus Putten in den Niederlanden.

    Bleibt die Frage: Was passiert mit den Wettkampf-Schweinen, landen deren Schultern im Müll? "Nein, sie werden zu Heißware verarbeitet, etwa zu Gulasch", versichert Wilhelm Leuze, Mitausrichter und Geschäftsführer des Fleischermesser-Sponsors.

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