Die Aufklärung des Sprengstoffanschlags auf den Teambus von Borussia Dortmund wird nach der Festnahme des dringend Tatverdächtigen Sergej W. vermutlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Der 28-Jährige, der am Freitagmorgen auf dem Weg zur Arbeit festgenommen wurde, sitzt Medienberichten zufolge in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim – und schweigt. Auch am Sonntag blieben viele Fragen ohne Antworten, zumal die Bundesanwaltschaft keine weiteren Angaben machte.
Nach den Explosionen vom 11. April in Dortmund müssen die Ermittler nun vor allem Herkunft und Art des Sprengstoffs klären, was „etwas komplexer und etwas aufwendiger“ sei, wie es hieß. Kriminaltechniker untersuchen beispielsweise Bodenproben. In den vergangenen Tagen hatte es Spekulationen gegeben, der Sprengstoff könnte aus Bundeswehrbeständen stammen.
Sergej W. hat offenbar von April bis Dezember 2008 seinen Grundwehrdienst geleistet, bei einem Lazarett-Regiment in Dornstadt bei Ulm. Er hat die deutsche und die russische Staatsangehörigkeit und arbeitete seit Mitte 2016 als Elektriker im Biomasse-Blockheizkraftwerk der Uni Tübingen. Im Sommer 2015 hatte er seine Gesellenprüfung zum „Elektroniker Betriebstechnik“ bestanden und, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, einen Preis für seine Leistungen erhalten – als bester Elektrotechniker seines Jahrgangs mit der Note 1,5.
Nach Spiegel-Recherchen ist er mit einer Wohnadresse in Freudenstadt, das südwestlich von Stuttgart liegt, gemeldet. In Rottenburg habe er ein Zimmer gemietet. 2003 sei seine Familie aus dem russischen Tscheljabinsk nach Deutschland gekommen. In der Volksmission, einer evangelischen Freikirche, besuchte W. demnach gelegentlich den Gottesdienst. Er habe aber keine Funktionen in der Gemeinde bekleidet.
Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft handelte Sergej W. aus Habgier: Er spekulierte an der Börse auf große Kursverluste der BVB-Aktie. Anhaltspunkte für Mittäter gebe es nicht. Ihm wird versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Damit droht ihm lebenslange Haft. Wie viel Geld er – angenommen, bei dem Anschlag wären BVB-Spieler ums Leben gekommen – maximal an der Börse hätte gewinnen können, blieb unklar. Ebenso, wie viel Geld er überhaupt investierte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nahm er für den Kauf von sogenannten Derivaten einen Verbraucherkredit in Höhe von mehreren zehntausend Euro auf. Von 40000 Euro war die Rede. Sicher ist: Je tiefer die Aktie des Vereins gefallen wäre, desto höher wäre W.s Gewinn ausgefallen.
Der BVB ging 2000 als erster deutscher Sportverein an die Börse. Der kapitalismuskritische Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel erklärte am Sonntag: „Fußballvereinen innerhalb des DFB sollte der Gang zur Börse und damit die Abhängigkeit von manipulierbaren Kursen erspart werden.“ (dpa, AZ)