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Erinnerungen: Buch über Benedikt XVI.: Haferflocken und Karpfenteich

Erinnerungen

Buch über Benedikt XVI.: Haferflocken und Karpfenteich

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    Dass Benedikt XVI. schon mit vier Jahren Kardinal werden wollte und Haferflocken ihm das Leben retteten, erfährt man unter anderem im Buch seines Bruders Georg Ratzinger.
    Dass Benedikt XVI. schon mit vier Jahren Kardinal werden wollte und Haferflocken ihm das Leben retteten, erfährt man unter anderem im Buch seines Bruders Georg Ratzinger.

    In aller Welt wurde sein Bruder gefeiert, Georg Ratzinger aber war schockiert. "Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in dem Augenblick ziemlich niedergeschlagen war", schildert der frühere Regensburger Domkapellmeister den Abend im Frühjahr 2005, an dem Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Doch

    Pünktlich zum Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. sind am Montag die Erinnerungen des 87-Jährigen an die gemeinsame Zeit mit seinem Bruder erschienen: Das Buch "Mein Bruder, der Papst" (Herbig Verlag) entstand in stundenlangen Gesprächen mit dem Historiker Michael Hesemann. Er zeichnete Ratzingers Erzählungen auf, ordnete und ergänzte sie teilweise durch Einschübe. Auch wenn der mittlerweile 87-jährige Georg Ratzinger, ehemaliger Leiter der weltberühmten Regensburger Domspatzen, ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert - wesentlich Neues oder gar Intimes über das Leben und den Alltag des katholischen Kirchenoberhauptes erfährt der Leser nicht. Sein Bruder räumt allerdings mit Spekulationen auf, Joseph Ratzinger habe auf eine Karriere im Vatikan hingearbeitet. Wenn der Theologe Hans Küng behaupte, Benedikt XVI. habe immer eine Position in der kirchlichen Hierarchie angestrebt, "dann ist das reinster Blödsinn". Aufgestiegen sei sein Bruder nicht, weil er es gewollt habe, "sondern weil jemand ihn zu jedem dieser Schritte drängte und er eigentlich nur aus gewissenhafter Pflichterfüllung nachgab", versichert der frühere Regensburger Domkapellmeister.

    Anschaulich schildert Georg Ratzinger, wie nachhaltig das katholische Elternhaus die drei Geschwister prägte. "Jeden Tag wurde gemeinsam gebetet", erzählt er. "Unser ganzer Jahreslauf war von den Kirchenfesten bestimmt." Der Papstbruder gibt eine ganze Reihe von Anekdoten aus dem Familienleben zum besten - zum Beispiel, wie Haferflocken dem kleinen Joseph das Leben retteten: Als Säugling wollte Joseph Ratzinger nichts behalten, alle Nahrung spuckte er wieder aus. Bis ihm eine Ordensschwester

    Der "Bücher-Ratz" und der "Orgel-Ratz"

    Viel Raum nimmt in dem 270 Seiten starken Buch das Leben in der NS-Zeit ein. Mehrfach betont der 87-Jährige die "Abscheu" seiner Eltern gegen Hitler und die Nationalsozialisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierten die Brüder zeitgleich in Freising Theologie: "Um uns voneinander zu unterscheiden, nannten unsere Kommilitonen uns den 'Bücher-Ratz', das war natürlich mein Bruder, und mich den 'Orgel-Ratz', denn ich war mehr musikalisch interessiert."

    Trotz seiner steilen akademischen und kirchlichen Karriere habe sich sein Bruder "menschlich gar nicht verändert", versichert Georg Ratzinger. "Er ist immer natürlich geblieben." Auch als Papst sei er der Alte. Bei der Niederschrift der Aufzeichnungen blieb Hesemann nah an der mündlichen Erzählung Ratzingers, behielt weitgehend den Plauderton bei. Außerdem enthält das Buch etwa 40 Abbildungen, darunter bislang unveröffentlichtes Bildmaterial aus Privatarchiven.

    Papst stimmte zu

    Bevor die Arbeit an dem Band begann, holte Georg Ratzinger zunächst die Zustimmung des Papstes ein. "Er hat natürlich mit seinem Bruder darüber gesprochen", sagt Hesemann. Und ehe das Buch in den Druck ging, sah noch der Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein, das Manuskript durch. Hesemann beschreibt den Band als ein "Zeugnis von der Kindheit, Jugend und dem Werdegangs des Heiligen Vaters aus der Perspektive eines Menschen, der ihn so gut wie kein anderer kennt".

    Wer sich davon tiefere Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt des Papstes verspricht, wird allerdings kaum fündig. Über die Gespräche mit dem Bruder berichtet Georg Ratzinger nur sehr allgemein: Sie sprächen miteinander "über die Vergangenheit, über die Probleme, die es gerade in der Welt gibt, über Persönliches, über die Gesundheit und natürlich über das Wetter". Dafür schildert Georg Ratzinger, wie sein Bruder vor den Generalaudienzen die Aussprache von Textpassagen in Fremdsprachen übt, dass der Papst nur noch selten am Klavier sitzt, sich aber abends gern von seinem Bruder vorspielen lässt.

    Entschieden tritt Georg Ratzinger Spekulationen entgegen, Benedikt XVI. habe "eine Position in der kirchlichen Hierarchie angestrebt". Wenn der Theologe Hans Küng das behaupte, "dann ist das reinster Blödsinn". Aufgestiegen sei Joseph Ratzinger nicht, weil er es gewollt habe, "sondern weil jemand ihn zu jedem dieser Schritte drängte und er eigentlich nur aus gewissenhafter Pflichterfüllung nachgab".

    Die Mutter sang selbst beim Geschirrspülen noch Marienlieder

    Hesemann zeigt sich "beeindruckt, wie klar und präzise" Georg Ratzingers Erinnerungen waren. "Bei allen körperlichen Schwierigkeiten, die er hat, ist er geistig so wunderbar klar, dass es eine wahre Freude war, mit ihm zu arbeiten." Entstanden sei so "ein historisches Dokument, an dem künftige Papstbiografen nicht vorbeikommen".

    Wer es noch nicht wusste, kann nachlesen, dass der Papst einer streng gläubigen Familie aus der Nähe des Wallfahrtsortes Altötting entstammt. Die Mutter sang selbst beim Geschirrspülen noch Marienlieder. Sie war der gütige Teil der Eltern, der Vater der strenge, der abends auf der Zither spielte und dazu Volkslieder sang. Als auch der jüngere Bruder ins Internat kam, sagte die Mutter zu Sohn Georg: "Pass gut auf den Joseph auf."

    Weiter erfährt der Leser aus den Erzählungen des Papst-Bruders, dass vor allem Joseph Ratzinger Sport schon als Kind regelrecht hasste, dass der Vater die Aufnahme seiner Buben in die Hitlerjugend (HJ) verwehrte und beide nicht gerne Soldaten waren. Die Kriegserlebnisse hätten sie vielmehr in ihrem Willen bestärkt, Priester zu werden. Er räumt auch mit der Mär auf, Joseph Ratzinger habe als Ruheständler zurück in sein Haus im Regensburger Vorort Pentling ziehen wollen: "In

    Zuletzt schreibt Georg Ratzinger, dass er seinem berühmten Bruder das Gefühl geben will, wenigstens ein Minimum an normalem Leben zu führen. Jedenfalls schaut Benedikt XVI. abends gerne "Kommissar Rex" im Fernsehen an - "weil wir auch Hunde gerne haben". dpa/dapd

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