Wir hatten einen Geografie-Lehrer, der sich auf die Wirkung von Frauen verstand. Im Gegensatz zu uns Jung-Gymnasiasten, die völlig überfordert waren, als der Pädagoge plötzlich von der unfruchtbaren Sahara ins gesegnete Kalifornien wechselte. Nicht wegen der Erdbebengefährdung des US-Bundesstaats, sondern wegen der Beben, die dort angeblich Hollywood-Schönheiten ausgelöst hatten.
Sagt an, Schüler, wer ist denn die Schönste im Land Kalifornien, begehrte der Lehrer zu wissen. Rita Hayworth hieß sein Fazit. „Oder denkt ihr eher an Elizabeth Taylor?“
Ehrlich gesagt, wir waren überrascht – von beiden damals schon nostalgisch anmutenden Varianten. Weil bisher allenfalls Karin Dor als Karl-May-Film-Schönheit filmisch nachvollziehbar war. Elizabeth Taylor, ja, das war die Dame, die „Cleopatra“ spielte. Aber die Dreharbeiten zogen sich über Jahre hin, dass wir in der Zeit locker drei Filme mit Charlton Heston sehen konnten, der uns sowieso lieber war.
Gut, dass die Geschichte, das Erwachsenwerden, das Interesse an Kino-Vergangenheit und an Hollywood-Klatsch uns später eines Besseren belehrten. Elizabeth Taylor war ein echter Star. Die Krankheiten der Schauspielerinnen verfolgten uns über Jahrzehnte hinweg.
Was man befürchten musste, ist nun eingetreten. Elizabeth Taylor ist tot. Sie starb am Mittwoch mit 79 Jahren in Los Angeles an Herzversagen, wie ihre Sprecherin dem US-Nachrichtensender CNN sagte. Die zweifache Oscar-Preisträgerin sei friedlich im Krankenhaus Cedars-Sinai gestorben. Dort, wo das Leben von Hollywood-Stars oft erfolgreich verlängert wurde. Dort, wo aber auch viele starben.
Die Klinik wurde ihr zweites Zuhause
Elizabeth Taylor hatte seit Jahren unter Herzbeschwerden gelitten und war seit rund sechs Wochen in der Klinik behandelt worden. Viele schwere Krankheiten machten der Schauspielerin das Leben schwer. Mit der Taylor starb auch endgültig die letzte Ikone des klassischen Hollywood.
Die wohl letzte Diva der Traumfabrik machte sich auf in den Himmel, der nun mehr echte Stars beherbergt als Metro-Goldwyn-Mayer, das einstige Studio der Taylor, das in seinen Glanzzeiten behauptet hatte, mehr Sterne zu besitzen, als das Firmament aufweisen kann. Eine Übertreibung, die zu Hollywood passte.
Aber wäre nicht das Leben der Liz Taylor der beste Stoff für ein Kino-Drama, das sich nicht einmal der gewiefteste Drehbuchautor ausdenken könnte?
Stichwort Karriere: Die gebürtige Britin hatte 1961 als Callgirl in „Telefon Butterfield 8“ ihren ersten Oscar gewonnen. Wobei der Film in Europa nicht besonders auffiel. Das zweite Mal erhielt die Taylor das begehrte Männchen 1967 für das Ehedrama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ nach dem Theaterstück von Edward Albee.
Darin war sie an der Seite von Richard Burton zu sehen, mit dem sie zweimal verheiratet war. Die Film- und Klatschwelt war sich darin einig, dass das Paar hier die Gelegenheit nutzte, seine Eheprobleme vor der Kamera auszuspielen. Die einstmals Schönste der Welt wirkte heruntergekommen-aggressiv im Schlagabtausch mit dem brillanten, aber dem Alkohol ergebenen Richard Burton.
Liz und die Ehen: Die Taylor wurde sieben Mal geschieden und war einmal verwitwet. Mit 18 heiratete sie den Hotelerben Nick Hilton. Doch diese erste Ehe hielt nur wenige Monate. Weitere Ehemänner waren unter anderen der Filmproduzent Mike Todd, der im März 1958 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, Sänger Eddie Fisher („Cindy, oh Cindy“) und der republikanische Politiker John Warner. Angesprochen auf ihre Ehen, sagte Liz Taylor einmal: „Meine Eltern haben mir beigebracht, dass man heiratet, wenn man sich verliebt, wenn man eine Liebesbeziehung haben will. Ich glaube, ich bin sehr altmodisch.“ Hollywoods Psychologen-Maschinerie erklärte die zahlreichen Probleme der sensiblen Schauspielerin gern damit, dass sie von ihrer ehrgeizigen Mutter zu früh ins Showbusiness geschickt wurde – vergleichbar mit Judy Garland, die ihre Tochter Liza Minnelli ebenfalls in Teenager-Jahren ins Rampenlicht stellte.
Begonnen hatte die Karriere des hübschen Kindes Liz schon 1942, als die Zehnjährige erstmals für „Lassies Heimkehr“ vor der Kamera stand. Wer als Kind süß war, durfte in der Eisenhower-Ära im Traumfabrik-Kino auch mit 18 heiraten. „Vater der Braut“ hieß 1950 der Film, in dem ein knorriger Vater (Spencer Tracy) einsehen muss, dass er seine Tochter an einen jungen Mann hergeben muss, auch wenn der total langweilig ist. Amerika war begeistert.
An der Seite von Rock Hudson und Kultidol James Dean gelang der 24-Jährigen dann 1956 in dem Kinohit „Giganten“ der Durchbruch zum Weltstar. Kult ist das Bild mit der Taylor, die vor Dean kniet, der sein Gewehr geschultert hat wie eine Ikone des Gekreuzigten. Ein Bild, in das angesichts des frühen Unfalltods des jungen Rebellen viel hineininterpretiert wurde.
Wirklich bedeutende Filme kamen nach „Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“ nicht mehr. Doch die Hollywood-Diva, 1993 noch mit dem Oscar für ihr Lebenswerk geehrt, blieb stets im Blickfeld der Öffentlichkeit.
1997 wurde ihr ein Gehirntumor entfernt, ihr Herzleiden verschärfte sich. Zuletzt machte Taylor mit ihrer Herzoperation im Oktober und den folgenden Klinikaufenthalten Schlagzeilen. Ihre angeschlagene Gesundheit hatte der Schauspielerin ihre ganze Karriere über zugesetzt.
Wohl gerade deshalb setzte sie sich mit viel Engagement für kranke Kollegen ein. Verehrt wurde die neunfache Großmutter neben ihren Filmen auch für ihr Engagement gegen HIV. Nach dem Aids-Tod ihres Kollegen Rock Hudson 1985 gehörte Taylor zu den prominentesten Vorreitern im Kampf gegen HIV, als diese Art Einsatz in Hollywood noch nicht zum guten Ton gehörte.
So wurde die selbst schwer kranke Elizabeth Taylor zur guten Seele Hollywoods und des kalifornischen Showgeschäfts. Vor allem hatte sie ein Gespür für Menschen mit psychischen Problemen. Michael Jackson suchte öfter Rat beim Altstar. 2009 trat sie noch einmal bei der Beerdigung Jacksons öffentlich auf.