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Erdbeben in Nepal: Was Helfer vor Ort erleben - und ob die Hilfe wirklich ankommt

Erdbeben in Nepal

Was Helfer vor Ort erleben - und ob die Hilfe wirklich ankommt

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    In den entlegenen Gegenden Nepals warten viele Menschen immer noch auf Hilfe. Die Ärzteteams von Humedica sind zu Fuß in den Bergen unterwegs, um Brüche zu schienen und offene Wunden zu verbinden. Denn dort ist Hilfe immer noch dringend notwendig.
    In den entlegenen Gegenden Nepals warten viele Menschen immer noch auf Hilfe. Die Ärzteteams von Humedica sind zu Fuß in den Bergen unterwegs, um Brüche zu schienen und offene Wunden zu verbinden. Denn dort ist Hilfe immer noch dringend notwendig. Foto: Sajjad Hussain, afp

    Herr Marcus, Sie sind gerade aus Nepal zurückgekommen, wo Sie quasi vom ersten Tag an die Nothilfe für Humedica koordiniert haben. Wie ist die Situation im Erdbebengebiet?

    Marcus: In Kathmandu ist das Leben fast schon wieder normal. Was ungewöhnlich ist, gut eine Woche nach einer derart großen Katastrophe. Es gibt Strom, ein stabiles Telefonnetz, Wasser. Und die Läden sind geöffnet. Fast alles funktioniert, nur an den Tankstellen kommt es noch zu Engpässen.

    Und außerhalb der Hauptstadt?

    Marcus: Da ist die Lage ganz anders. In den schwer erreichbaren Gegenden wird noch viel Hilfe gebraucht. Da es ständig Nachbeben gibt, kommt es immer wieder zu Erdrutschen, die die Straßen verschütten. Viele Orte konnten bisher nur vom Hubschrauber aus mit Essen versorgt werden. Und es gibt immer noch Dörfer, die bis heute keine Hilfe bekommen haben.

    Warum?

    Marcus: Weil es Orte sind, wie man sie bei uns nicht kennt. Sie liegen in Tälern, die bis zu 100 Kilometer lang sind, und ziehen sich den Berg hinauf – oft bis auf 4500 Höhenmeter. Es gibt keine Straßen, sondern ausschließlich Schuttwege. Man kommt nur zu Fuß hin. In den Dörfern sind 90 Prozent aller Häuser eingestürzt.

    Wo arbeiten die 14 Helfer von Humedica, die in Nepal sind?

    Marcus: Wir sind in den Bergdörfern rund um Jalbire – nordöstlich von Kathmandu – tätig. In der Gegend leben etwa 50000 Menschen. Nachdem in

    Welche Verletzungen oder Krankheiten müssen sie behandeln?

    Marcus: Viele Menschen kommen mit Brüchen oder offenen Wunden, die täglich schlimmer werden. Inzwischen haben wir auch viele Patienten mit Durchfall oder Infektionen.

    Wie viele täglich?

    Marcus: Dutzende – und es werden immer mehr, weil es sich langsam rumspricht, dass wir da sind.

    Wie geht es den Menschen?

    Marcus: Viele von ihnen sind traumatisiert. Aber ich habe noch nie ein Volk gesehen, das nach so einer Katastrophe nicht traumatisiert wäre. Die Menschen fühlen sich von ihrer Regierung im Stich gelassen, sind oft frustriert. Aber sie haben eine sehr pragmatische Art, sich der Situation zu stellen: Sie packen selber mit an und versuchen, den Schutt wegzuräumen. Und das, obwohl sie nur ganz wenige Mittel, sprich Gerätschaften, zur Verfügung haben.

    Wie funktioniert die Koordination der internationalen Hilfe?

    Marcus: Es wird alles getan, dass die Hilfe gut koordiniert ist – sowohl von der nepalesischen Regierung als auch von der UN. Was nicht einfach ist – und auch nicht ohne Schwierigkeiten ablaufen kann.

    Warum?

    Marcus: Wir haben hier eine sehr spezielle Katastrophe, weil viele sehr abgelegene Orte betroffen sind. Viele Hilfsorganisationen sind darauf nicht vorbereitet – und mussten daher ihren Einsatz abbrechen.

    Was heißt nicht vorbereitet?

    Marcus: Man braucht spezielles Equipment und muss in der Lage sein, ein paar Tage ohne logistische Unterstützung – also ohne Nachschub – an einem Ort verbringen zu können. Man braucht Wasserfilter, Zelte, genügend Nahrungsmittel, was man alles mitschleppen muss. Auch ist es nicht ungefährlich, in die Dörfer hinaufzusteigen. Eben wegen der vielen Erdrutsche.

    Die Weltgesundheitsorganisation hat am Wochenende dazu geraten, keine weiteren medizinischen Teams mehr nach Nepal zu schicken...

    Marcus: Damit will man Organisationen abhalten, die nicht bereit sind, sich von der UN registrieren zu lassen und Teil der koordinierten Hilfe zu werden – weil es ihnen vor allem ums Spendensammeln geht.

    Dann hat die UN aus der chaotischen Hilfe nach dem Tsunami 2004 und dem Erdbeben in Haiti 2010 gelernt?

    Marcus: Ja, sehr. Die Maßnahmen sind jetzt viel koordinierter und damit effektiver. Das funktioniert gut, die Hilfe kommt an.

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