Die neue Gandhi-Biografie des ehemaligen Chefredakteurs der "New York Times", Joseph Lelyveld, sorgt für heftige Kontroversen. Laut Medienberichten enthülle Lelyveld Einzelheiten über Gandhis Sexleben.
Vorab-Berichte britischer und US-Medien zitieren Passagen aus der Biografie, die auf eine homosexuelle Beziehung des Unabhängigkeitskämpfers mit dem deutsch-jüdischen Architekten Hermann Kallenbach hindeuten. Auch Hinweise auf rassistische Äußerungen seien in der Biografie zu finden.
Lelyveld verwahrt sich vehement gegen Vorab-Berichte, wonach er den indischen Unabhängigkeitskämpfer als einen rassistischen Bisexuellen darstelle, der seine Frau für einen deutschen Architekten und Bodybuilder verlässt. "Ich behaupte weder, dass Mahatma Gandhi rassistisch, noch, dass er bisexuell war", erklärte der Autor am Dienstag über seinen Verleger Alfred A. Knopf.
Die britische "Daily Mail" titelte: "Neues Buch enthüllt - Gandhi 'verließ seine Frau, um mit einem männlichen Liebhaber zusammenzuleben'". Der "Daily Telegraph" schrieb in seiner Buchkritik, der Held des gewaltlosen Widerstands gegen die britische Besatzungsmacht in Indien habe "rassistische Ansichten gegenüber den Schwarzen in Südafrika vertreten". Laut "Wall Street Journal" beschreibt die Biografie Gandhi als "sexuellen Spinner und politischen Nichtskönner", der sklavisch jedem Trend hinterhergelaufen sei. Lelyveld mache mehr als deutlich, dass Gandhis "Liebe seines Lebens" Kallenbach gewesen sei.
Briefe sollen auf homosexuelle Beziehung andeuten
Tatsächlich lebte Gandhi während seiner Zeit in Südafrika rund zwei Jahre lang zusammen mit dem Architekten in Johannesburg. 1914 kehrte er in seine Heimat zurück. Die Zeitungen berufen sich auf Lelyvelds Zitate aus Briefen des indischen Uanbhängigkeitskämpfers.
In den Briefen heißt es unter anderem: "Du hast völlig von meinem Körper Besitz ergriffen. Das ist totale Sklaverei". In einem anderen Brief schreibt er: "Dein Bild (das Einzige) steht auf dem Kaminsims in meinem Schlafzimmer".
Lelyveld wirft den Buchkritikern vor, seine Biografie völlig "entstellt" wiederzugeben. "Das Wort 'bisexuell' taucht kein einziges Mal in meinem Buch auf. Das Wort 'rassistisch' kommt nur einmal vor, um Kommentare Gandhis zu Beginn seines Südafrika-Aufenthalts zu charakterisieren - das Kapitel kommt auf keinen Fall zu dem Schluss, dass er rassistisch war."
Empörung und Wut in Indien über Medienberichte
In Indien stoßen die Buchbesprechungen auf heftige Kommentare. "Westliche Autoren haben eine morbide Faszination für Gandhis Sexleben", sagte sein Urenkel Tushar Gandhi einer Lokalzeitung von Neu Delhi. "Damit können sie ihre Bücher besser verkaufen".
Indische Buchläden waren sich zunächst nicht sicher, ob sie die Biografie zum Verkauf anbieten sollten.
Ghandi-Experte: Ghandi war nicht homosexuell
Gandhi-Experte Jad Adams, der im vergangenen Jahr mit Enthüllungen über Gandhis angeblich zahllose Affären mit jungen Anhängerinnen für Entrüstung sorgte, wies die Vermutungen zurück, der indische Held könne bisexuell gewesen sein. "Hätte er homosexuelle Akte begangen, gäbe es mannigfach Hinweise darauf", sagte Adams.
Er erklärte, dass Gandhi in seinen Briefen und Predigten häufig den Begriff "Liebe" benutzt habe. Nach Auffassung des Gandhi-Experten war der Architekt Kallenbach homosexuell und fühlte sich stark zu Gandhi hingezogen.
Gandhi, der mit seiner Frau vier Kinder hatte, habe diese Liebe jedoch nie erwidert. Gandhis Enkelin Tara Bhattacharjee erklärte alle Versuche für "engstirnig, den Mann aufgrund seiner Freundschaften zu diskreditieren, der uns das Geschenk der Gewaltlosigkeit brachte". AZ