Der Entführer und Mörder des kleinen Jakob von Metzler verlangte in seinem Schlusswort vor dem Frankfurter Landgericht eine Strafe mit Perspektive, „die mich hart anfasst, aber nicht vernichtet“. Wenige Tage später wurde Magnus Gäfgen 2003 zur Höchststrafe verurteilt: lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld.
Der 28-Jährige habe den Tod des Elfjährigen gewollt, urteilte der Vorsitzende Richter über das kaltblütige Verbrechen an dem Bankierssohn, das zehn Jahre zurückliegt. Gäfgen beschäftigt seitdem die Gerichte. Internationale Resonanz fand der Fall, weil die Polizei dem Mörder im Verhör Folter androhte, um das Leben des Kindes zu retten.
Manche Bürger feierten Daschner als Helden
Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner hatte selbst in einem Aktenvermerk auf diese „schwerste Entscheidung im Leben“ aufmerksam gemacht und sich darauf berufen, der Polizei sei „unmittelbarer Zwang“ als letztes Mittel erlaubt. Politiker zeigten Verständnis, ein Teil der Bevölkerung feierte ihn sogar als Helden, und es entbrannte eine kontroverse Diskussion. Daschner wurde später wegen Nötigung verurteilt, eine Geldstrafe aber nur angedroht.
Am letzten Schultag vor den Herbstferien 2002, dem 27. September, hatte Gäfgen den ihm flüchtig bekannten Jakob auf dem Heimweg abgepasst und in seine nahe gelegene Wohnung gelockt.
Dort erstickte der verschuldete Jura-Student den Jungen mit Klebeband. Mit der Leiche im Kofferraum fuhr er zur benachbarten Villa der Bankiersfamilie und warf einen Erpresserbrief mit der Lösegeldforderung von einer Million Euro ab. Bei der nächtlichen Geldübergabe an einer Bushaltestelle beobachtete die Polizei den Täter und nahm ihn – nachdem er keine Anstalten machte, die Geisel zu versorgen oder freizulassen – noch am selben Tag fest. Gäfgen nannte im Verhör zunächst zwei frühere Bekannte als angebliche Komplizen und ein falsches Geiselversteck. Weil die Zeit drängte, ließ ihm Daschner schließlich Schmerzen androhen.
Bald darauf nannte Gäfgen das wahre Versteck des längst toten Jungen an einem kleinen See bei Schlüchtern in Osthessen. Die Würde, mit der die angesehene Bankiersfamilie von Metzler das ihr zugefügte und immer wieder aufgewühlte Leid erträgt, verfolgten viele mit Bewunderung. „Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Mann unsere Familie kaputt macht“, soll Sylvia von Metzler gesagt haben, wie ein Freund der Familie berichtet.
Täter hatte ein schwaches Selbstwertgefühl
Minderwertigkeitskomplexe und die Gier nach Luxus seiner elf Jahre jüngeren Freundin nannte der renommierte Essener Psychiater Norbert Leygraf in dem Strafverfahren 2003 als Motive Gäfgens. Der hochintelligente Mann habe nach dem Prinzip „mehr Schein als Sein“ gelebt, um sein schwaches Selbstwertgefühl zu verdecken. Der Vorsitzende Richter formulierte es in seiner Urteilsbegründung so: „Dem Angeklagten ging es darum, das luxuriöse Leben mit reichen Freunden und ,der Liebe seines Lebens‘ weiterleben zu können. Dafür musste ein Kind sterben.“
Einen Erfolg erzielte der inzwischen 37-Jährige in einem zivilrechtlichen Schadenersatzprozess vor dem Landgericht: Danach muss das Land dem verurteilten Kindsmörder wegen der vom EGMR festgestellten Verletzung der Menschenwürde 3000 Euro plus Zinsen Entschädigung zahlen.
Dagegen hat das Land Hessen Berufung eingelegt – am 10. Oktober wird darüber vor dem OLG verhandelt. Erst am Montagabend hatte das ZDF den Spielfilm „Der Fall Jakob von Metzler“ gezeigt. Die nüchtern angelegte, an Fakten orientierte Produktion lebte vor allem von dem eindrucksvollen Spiel Robert Atzorns in der Rolle Wolfgang Daschners. (dpa, rup)