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Eine "Weltidee" wird wahr

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Eine "Weltidee" wird wahr

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    Von unserem Redakteur Rupert Huber Augsburg Leichter wird Deutschland Fußball-Weltmeister, als dass ein heimischer Musikbeitrag den Eurovision Song Contest gewinnt. Tatsächlich stehen dem Sieg von Nicole und Ralph Siegel mit "Ein bisschen Frieden", eingesungen im Jahr 1982, drei deutsche Titel im Weltfußball gegenüber. Doch irgendwie ist das so, als würde man Äpfel mit weißen Rosen aus Athen vergleichen. Die einen haben es auf dem Fuß, die anderen müssen sich dem Publikumsvotum aus 24 Ländern beugen.

    Doch diesmal weht ein frischer West(ern)- Wind durch das Land, der unsere von Misserfolgen geplagte Schlagernation optimistisch stimmen sollte. Die Country-Band Texas Lightning um den Schlagzeuger und Comedian Olli Dittrich hatte mit ihrem flotten Grand-Prix-Song "No No Never" kürzlich Platz eins der deutschen Single-Charts erobert. Damit geht beim Eurovision Song Contest erstmals ein Titel für Deutschland ins Rennen, der es hierzulande bis an die Spitze geschafft hat, berichtet stolz der Norddeutsche Rundfunk (NDR), traditionell zuständig für die Teilnahme Deutschlands. Dass Shakira jetzt gerade mit ihrem Fußball-WM-Song "Hips Don't Lie" die Country-Truppe in den Charts überholt hat, stört die Begeisterung nicht.

    Am kommenden Samstag steigt in Athen das Finale des skurrilen Kult-Wettbewerbs. Experten sehen in der Gruppe Texas Lightning den Geheimfavoriten. Seit Tagen probt das Quintett in der griechischen Hauptstadt, "unsere kleine tapfere Band", wie NDR-Unterhaltungschef Jan Schulte-Kellinghaus seine Schützlinge liebevoll nennt. Ob die Musik-Cowboys als Erste ins Ziel einreiten werden, ist so offen wie ein Scheunentor. "Die rumänische Großmutter muss das Lied ebenso mögen wie der spanische Eisverkäufer", weiß der deutsche Grand-Prix-Chef.

    Texas Lightning besteht aus gestandenen Musikern: Sängerin Jane Comerford aus Australien, Rhythmusgitarrist Jon Flemming Olsen, Gitarrist Markus "Fastfinger" Schmidt sowie Bassist Uwe Frenzel. Aber da sitzt noch einer am Schlagzeug, ohne den der texanische Blitz wohl nicht gezündet hätte. Olli Dittrich (49) trommelt mit bubenhafter Begeisterung vor sich hin und man nimmt ihm ab, dass er sich in der Geschichte von Rock, Pop und Country auskennt.

    Olli Dittrich ist ein Grenzgänger zwischen den Unterhaltungsgattungen, was in Deutschland weiß Gott selten ist. Sonntagabends schlurft er regelmäßig um 22.30 Uhr im Westdeutschen Rundfunk als "Dittsche" in die Grillstation in Hamburg-Eppendorf, um live dem Wirt Ingo den Sonntag, den HSV, die Bild-Zeitung und die Welt zu erklären. An Ingo, gespielt vom Musiker-Kollegen Jon Flemming Olsen, arbeitet sich der Arbeitslose im Bademantel ab. Ein Billig-Imbiss, in dem das Bier "perlen" muss, gerät so zum Mikrokosmos der Großstadt und des Lebens überhaupt, wenn

    Neulich holte HSV-Fußballer Ailton bei Ingo eine Kiste Bier und verhalf dem fußballbegeisterten Tresen-Denker zu einer glücklichen Begegnung mit seinem "Torhamster". Denn Ailton habe ja hinter seinen dicken Backen Nahrung abgespeichert, die ihm zu einem kräftigen Schuss verhelfe. In Dittsches Welt ist Olli Kahn wegen seiner Ausraster ein Opfer der Vogelgrippe, und vom Boxer Axel Schulz behauptet er, dass der sein Comeback in den Ring nur wagen könne, weil er sich das Gehirn eines Kängurus habe transplantieren lassen ("das kann boxen und hat eine gute Beinarbeit").

    Die übersteigerte Tragikomik in "Dittsche" brachte dem gebürtigen Offenbacher, der in Hamburg aufwuchs, 2005 den bereits dritten Grimme-Preis ein. "Ich bin Menschendarsteller", sagt er von sich. Bekannt wurde er Anfang der 90er Jahre mit der damals angesagten Spaß- und Quatsch-Masche. Mit Wigald Boning bildete er das Duo "Die Doofen", das mit dem Sommerhit "Mief" die deutschen Charts stürmte. Der Titel des Doofen-Albums "Lieder, die die Welt nicht braucht", ging in den deutschen Zitatenschatz ein.

    Nun stellt sich die Frage, ob das erweiterte Europa die Hamburger Texaner braucht. Was Texas Lightning auszeichnet, sind Spielfreude und Charme einer Band, die es ausgezeichnet verstanden hat, Songklassikern unterschiedlichster Genres den Cowboy-Hut aufzustülpen. Reinhard Meys "Über den Wolken" verwandelten sie in "Over The Mountains" und Madonnas "Like A Virgin" klingt in der Interpretation Jane Comerfords so unschuldig, als hätte sich das Schweizer Madl Heidi in den Westen Amerikas verirrt.

    Seine Rolle in der Band sieht Olli Dittrich gartentechnisch: "Ich bin einfach der Spargel, der ein bisschen früher gesät wurde und als erster den Kopf aus dem Boden gesteckt hat. Aber die anderen wachsen nach."

    Bleibt nur noch abzuwarten, ob Dittsche in seiner nächsten Sendung mit Ingo auf Texas Lightning mit einem perlenden "Dittscheberger" anstoßen kann.

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