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Ein Münchner erzählt: "Containern": Von der Mülltonne auf den Esstisch

Ein Münchner erzählt

"Containern": Von der Mülltonne auf den Esstisch

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    Supermärkte schmeißen oftmals noch gute Lebensmittel weg. Beim Containern werden diese wieder aus dem Müll gefischt.
    Supermärkte schmeißen oftmals noch gute Lebensmittel weg. Beim Containern werden diese wieder aus dem Müll gefischt. Foto: Oliver Berg, dpa/Symbolfoto

    Gemüse, Brotaufschnitt oder Süßigkeiten - in den Supermarktcontainern landet so einiges an Lebensmitteln, die durchaus noch verwertbar sind. Das weiß auch Leo, der als Verwaltungsbeamter der Stadt München im Bereich Marktwesen und Lebensmittel tätig ist. So kam der 48-Jährige aus

    Containern: Ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung

    Containern oder Dumpstern nennt man das Herausfischen von Lebensmitteln aus den Müllcontainern von Supermärkten oder Fabriken. Nahezu täglich treffen sich Leute zum Containern an den Mülltonnen der Supermärkte. Leo geht meist zu ein oder zwei bestimmten Spots in München. Man kennt sich schon untereinander. Gegen 23 Uhr finden sich die Menschen am Supermarkt ein. Dort wird eine große Lkw-Plane ausgelegt. "Gemeinsam suchen wir die Lebensmittel aus den Containern heraus. Im Anschluss wird alles gemütlich untereinander verteilt", erklärt Leo, der seinen vollen Namen nicht genannt haben will. Etwa 45 Minuten dauert das Ganze. Gar nicht einmal so lange - und es hilft gegen die Lebensmittelverschwendung.

    Schimmel auf Konfitüre mit mehr als 50 Prozent Zucker sollte großzügig abgehoben werden; bei weniger als 50 Prozent Zucker muss sie sofort weggeschmissen werden: Hier verteilen sich die Schimmelgiftpilze unsichtbar über das gesamte Lebensmittel. Falls der Zuckeranteil nicht nachvollziehbar ist, sollte man verschimmelte Konfitüre lieber entsorgen.
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    "Danach sollte alles so sauber verlassen werden, wie es davor war", sagt Leo. Es ist wichtig, dass man darauf achtet, dass man sich mit den Leuten gut versteht, die vom Supermarkt und die, mit denen man containert. "Es gab schon Prügeleien um den Inhalt von Tonnen. Da wurde sogar mit den Tonnen geschmissen", sagt Leo. Nach dieser Aktion musste der Filialleiter des Supermarktes handeln. Die Mülltonnen wurden weggesperrt. Davor war es ihm eigentlich egal, was mit den weggeworfenen Lebensmitteln geschieht.

    Containern gibt Leo ein gutes Gefühl

    Der berufliche Aspekt ist nicht der einzige Grund wieso Leo beim Containern bleibt. "Es gibt mir ein gutes Gefühl, dass nicht so viele Lebensmittel weggeworfen werden, sondern auch wirklich genutzt werden", sagt Leo. Ein positiver Nebenaspekt: Man spart einiges an Geld. Trotzdem weiß sein privater Freundeskreis nichts von Leos Hobby. "Mir persönlich ist es nicht unangenehm. Wenn man mich direkt fragen würde, würde ich es schon zugeben. Aber ich weiß, dass es vielen meiner Freunde sehr unangenehm wäre, wenn sie wüssten, dass meine Gerichte, die ich ihnen vorsetze, zum Teil schon im Müll gelegen haben", sagt Leo.

    So halten Lebensmittel länger frisch

    Richtige Lagerung: Lebensmittel behalten ihre Qualität länger, wenn sie richtig gelagert werden.

    Kartoffeln und Tomaten mögen es gerne dunkel und kühl. Beide sollten auf keinen Fall im Kühlschrank gelagert werden.

    Andere Gemüsesorten können gut im Kühlschrank untergebracht werden. Allerdings sollte Gemüse immer in die entsprechenden Fächer unten im Kühlschrank gelegt werden.

    Obst gehört nicht in den Kühlschrank, sollte aber auf jeden Fall dunkel gelagert werden, beispielsweise in einem Schrank.

    Richtige Reihenfolge: Die Ablage über dem Gemüsefach ganz unten im Kühlschrank ist die kälteste Stelle. Hier sollte Fleisch gelagert werden. Ganz oben in den Kühlschrank gehören Milchprodukte.

    Auspacken: Gemüse und Obst, das in Plastik verpackt ist, sollte aus der Verpackung herausgenommen werden. Ausgepackt reifen die Lebensmittel nämlich weniger schnell.

    Resteverwertung: Selbst kleine Restmengen an Gemüse oder Käse können eingefroren werden und später beispielsweise als Pizzabelag oder Zutaten für ein Pfannengericht dienen.

    Die Lebensmittel werden manchmal aus banalen Gründen weggeworfen. Das kann an einer neuen Lieferung liegen, einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum oder einfach an einem neuen Produktdesign. "Ich habe schon containerweise Schokolade mit nach Hause gebracht. Vor allem nach Ostern oder Weihnachten wird hier viel weggeworfen", sagt Leo.

    Eine Straftat, die kaum zur Anzeige kommt

    Rechtlich gesehen glaubt Leo, dass containern sich in einer Grauzone befindet. "Es ist wichtig, dass man nichts kaputtmacht", sagt Leo, "beim Übersteigen von Türen oder Toren wird es auch kritisch." Michael Nißl, Richter am Amtsgericht Augsburg, macht deutlich, dass es sich dabei aber rechtlich um eine Straftat handelt. "Man unterscheidet zwischen Gegenständen, die beim Eigentümer verbleiben, oder Eigentum, dass offensichtlich aufgegeben wird, wie beispielsweise Sperrmüll", sagt Nißl.

    Da sich die Lebensmittel im Müllcontainer befinden, entledige sich der Eigentümer zwar von ihnen, trotzdem dürfe man sich nicht an ihnen bedienen. Daher könne man je nach Wert der Wahre von Diebstahl sprechen: "Pauschal müsste man von einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen bis 360 Tagesätzen oder von einem Monat bis fünf Jahren ausgehen", erklärt Nißl. Liegt der Warenwert sogar bei 30 bis 50 Euro aufwärts, muss sogar mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis einem Jahr gerechnet werden. Auch mit dem Aufbrechen des Containers macht man sich strafbar.

    Von Hausfriedensbruch könne man beim Containern nur dann sprechen, wenn sich die Tonne auf dem umfriedeten Gelände des Supermarktes befinde. "Solche Fälle werden allerdings nur verfolgt, wenn ein Antrag vom Supermarkt gestellt wird. Das kann sich ebenfalls von einer Geldstrafe von fünf bis 360 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von einem Jahr erstrecken", sagt der Richter vom Amtsgericht Augsburg. Aktuelle Fälle zum Containern sind Nißl aus dem letzten Jahr aber nicht bekannt. Auch ein Sprecher der Polizei könne sich an keinen Fall erinnern: "Es scheint kein großes öffentliches Interesse zu bestehen, solche Fälle zur Anzeige zu bringen."

    Foodsharing: Containern mit Erlaubnis

    In Frankreich wurde Ende Mai ein neues Gesetzt verabschiedet. Lebensmittelhändlern wird jede Verschwendung von Lebensmittel untersagt. So muss unverkaufte Ware gespendet, als Tiernahrung oder Kompost für die Landwirtschaft verwendet werden. Ist ein Supermarkt größer als 400 Quadratmeter, muss er seine Lebensmittel einer karitativen Organisation spenden. Zudem soll in französischen Schulen Unterricht gegen die Verschwendung von Lebensmittel im Lehrplan mitaufgenommen werden.

    Daniela Krehl vom Ernährungsreferat der Verbraucherzentrale Bayern weist darauf hin, dass es mit Foodsharing Systemen die Möglichkeit gibt, auch in Deutschland die Lebensmittelverschwendung zu senken. Der Handel arbeite stärker mit den Tafeln zusammen, um Bedürftigen Lebensmittel weiterzugeben. Trotzdem gehen manche Tafeln vorsichtig mit den Lebensmitteln um, weil sie sich aufgrund des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht für eventuelle Probleme verantwortlich machen wollen. Auch Leo kennt sich mit Foodsharing aus. Seit zwei Jahren hat Leo das Containern etwas reduziert: "Ich gehe jetzt nur noch alle 14 Tage containern, da ich mich jetzt mehr für Foodsharing engagiere." Er bezeichnet Foodsharing als Containern mit Erlaubnis.

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