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Distanzunterricht: Der Mathelehrer als Youtube-Star: Wie Kai Schmidt Unterricht ins Netz bringt

Distanzunterricht

Der Mathelehrer als Youtube-Star: Wie Kai Schmidt Unterricht ins Netz bringt

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    Komplizierten Schulstoff anschaulich in kurzen Videos darstellen – darauf scheinen mittlerweile immer mehr Lehrkräfte auch in Bayern Lust zu haben.
    Komplizierten Schulstoff anschaulich in kurzen Videos darstellen – darauf scheinen mittlerweile immer mehr Lehrkräfte auch in Bayern Lust zu haben. Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild)

    Ein Schulleiter und Mathelehrer aus Niedersachsen namens Kai Schmidt ist selbst Schülern aus unserer Region bekannt. Woran das liegt? Mit seinen Erklärvideos rund um Mathematik, Physik und Deutsch ist er mittlerweile ein bekannter Youtuber geworden. Auf seinem Kanal „Lehrerschmidt“ hat sich die Zahl der Abonnenten seit Pandemiebeginn mehr als verdoppelt und kratzt nun an der Million.

    Komplizierten Schulstoff anschaulich in kurzen Videos darstellen – darauf scheinen mittlerweile immer mehr Lehrkräfte auch in Bayern Lust zu haben: Bernadette Kreitmayr unterrichtet eine fünfte Klasse der Mittelschule Mindelheim. Das Lehramtsstudium der 25-Jährigen liegt noch nicht lange zurück, währendessen hat sie erste Erfahrungen mit der Videoproduktion sammeln können und dabei festgestellt, dass ihr diese Methode der Lernvermittlung gut gefällt. Mit dem Beginn der Pandemie fragte sich Kreitmayr, wie sie ihre Schüler am besten erreichen könne. „Viele meiner Schüler schauen sich täglich Youtube-Videos an“, stellte die junge Lehrerin fest und damit war ihr Entschluss gefasst, eigene Lernvideos zu drehen. Auf Youtube kann man Videos auch „nicht öffentlich“ hochladen und dem gewünschten Publikum einen Link zusenden, so hat es auch Kreitmayr für ihre Fächer Englisch und Musik umgesetzt.

    Für Kinder und Jugendliche gehören Youtube-Videos zum Alltag

    Mit viel Humor und teilweise aufwendigen Rollenspielen bietet sie ihren Schützlingen ein weiteres Hilfsmittel in diesen außergewöhnlichen Schuljahren. So filmt sich die engagierte Lehrerin gerne einmal mit Fieberthermometer und Schal, um englische Vokabeln zum Thema Gesundheit plastischer darzustellen. Ihr Fazit bisher? „Je kindgerechter das Video, desto mehr Aufwand ist nötig.“ Auch sei die Rückmeldung der Schüler sehr dünn; die Klickrate nicht berauschend, doch ungefähr der Klassenstärke entsprechend. „Man muss selbst entscheiden, ob es einem den Aufwand wert ist“, sagt Kreitmayr, die mittlerweile ihre Videos auf einer anderen Plattform hochlädt: auf Mebis, dem Internetportal des bayerischen Kultusministeriums, weil der Lehrerin der „schulische Kontext“ dieser Sendeplattform, frei von Werbeblöcken und Ablenkungen, lieber ist.

    Auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, weiß: Für Kinder und Jugendliche gehören Youtube-Videos zum Alltag. Dass diese jedoch inhaltlich und technisch qualitative Unterschiede aufwiesen, müsse einem bewusst sein, so Fleischmann. An sich hält sie Lehrvideos von Pädagogen für eine sinnvolle Bereicherung des Unterrichts. Mit Medienprofis sollten Lehrer jedoch nicht mithalten müssen, meint Fleischmann. Sie könne gut verstehen, wenn manche Kollegen sagen, dass es mit den zusätzlichen Aufgaben nun reiche. Daher plädiert die Lehrerverband-Präsidentin für eine verstärkte Zusammenarbeit der Lehrkräfte. Dem stimmt Bernadette Kreitmayr zu, die gerne ihre Videos mit Kollegen teilen würde. So tauscht sich die 25-Jährige mit einem erfahrenen Lehrerkollegen aus, der dafür weniger digitales Wissen mitbringt.

    Dem gestiegenen Interesse an der Videoproduktion kommt der Lehrerverband mit Fortbildungen nach. Die selbst erarbeiteten Unterlagen für eine ähnliche Fortbildung liegen bei Peter Laube von der Ludwig Bölkow Berufsschule Donauwörth bereits seit über einem Jahr in der Schublade. Laube unterrichtet seit 2002 den Fachbereich Schreinerei und hat in den vergangenen zwei Jahren über 200 Lerneinheiten auf Youtube hochgeladen. Zusätzlich bietet die Berufsschule eine eigene Streamingplattform mit Lerneinheiten an, beispielsweise zu den Themen Programmieren und Gesprächsverhalten.

    Jeder Schüler kann mithilfe der Videobeiträge die Unterrichtseinheiten an das eigene Lerntempo anpassen

    An Youtube gefällt dem Schreinerlehrer, dass viele Menschen auf die öffentlichen Beiträge zugreifen können und sich die Auflösung an das Endgerät des Betrachters anpasst. Auch seinen Unterricht hätten die Videoclips vereinfacht. „Ich kann mich besser um die langsameren Schüler kümmern“, sagt er. Als Laube vor zwei Jahren mit seinem Experiment begann, hätten ihn seine Schüler noch auf Mängel, wie ein zu lautes Klickgeräusch der Maus, hingewiesen.

    Während sich die Auszubildenden mit ihrem Lob für die Fleißarbeit ihres Fachlehrers zurückhalten, sind er selbst wie auch Schulleiter Peter Hoffmann von den Videos überzeugt: „Ich stehe dem sehr positiv gegenüber. Es ist gewinnbringend für die Schüler, auch in nicht Corona-Zeiten, ist es eine Bereicherung für den Unterricht“, sagt der Schulleiter. Jeder Schüler könne mithilfe der Videobeiträge die Unterrichtseinheiten an das eigene Lerntempo anpassen, weiß Lehrer Laube und nennt einen weiteren Vorteil seiner Videos: „Im handwerklichen Bereich haben wir viele Azubis, die eher visuell als textlich lernen.“ Inwiefern sich diese Lernhilfe in den Noten durchschlägt, kann Laube noch nicht beurteilen: Der erste „Youtube-Lehrgang“ feiere erst im kommenden Jahr seinen Abschluss.

    Auch am Deutschherren-Gymnasium in Aichach hat sich ein Lehrer mit der Fächerverbindung Katholische Religionslehre und Mathematik bereits vor Beginn der Pandemie mit Lehrvideos beschäftigt. Andreas Illa, berichtet, dass er seine Videos nur auf der Lernplattform Mebis teilt, und das habe auch einen Grund: „Ich lade die Videos nicht auf Youtube hoch, da ich vermeiden möchte, dass meine Schüler und Schülerinnen auf eine Plattform zugreifen müssen, die Daten sammelt“, erklärt er. Zudem ließen die Nutzungsbedingungen von Youtube eine Nutzung durch alle Altersklassen gar nicht ohne Weiteres zu. Tatsächlich gibt die Videoplattform in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen an, dass Nutzer mindestens 16 Jahre alt sein müssen, um über die Plattform Videos zu schauen. Eine Nutzung ab 13 Jahren ist möglich, wenn Eltern ihren Kindern über „Google Family Link“ ein Familienkonto erstellen. In der Realität lassen sich Videos ohne Altersbeschränkung auch ohne Anmeldung ansehen.

    Illas Meinung nach sind seine Schulfächer unterschiedlich gut für Lehrvideos geeignet

    Trotz der Fülle an Lernvideos auf der besagten Videoplattform lohnt sich für den Aichacher Gymnasiallehrer die Arbeit von „zwischen einer halben Stunde und eineinhalb Stunden“ pro Beitrag. „Das Video ist so exakt auf die thematische Einheit und das verwendete Lehrwerk passend, was bei anderen Lehrvideos zum gleichen Thema nicht der Fall sein muss“, sagt Illa. Außerdem könne er seinen Schülern das Material noch in den kommenden Jahren zur Verfügung stellen – „sei es im Unterricht, als Erarbeitung in der Hausaufgabe oder Wiederholung und Prüfungsvorbereitung“, fügt der Mathe- und Religionslehrer hinzu.

    Illas Meinung nach sind seine Schulfächer unterschiedlich gut für Lehrvideos geeignet: In der Mathematik muss erst einmal ein grundlegendes Verständnis für eine Thematik geschaffen werden, was sich durch ein Lehrvideo gut bewerkstelligen lässt. In der katholischen Religionslehre empfindet der Lehrer Videos an den meisten Stellen als ungeeignet. „Es kommt hier meist auf Textanalysen und die Entwicklung von eigenen Gedanken, Formulierungen und Argumentationen an“, sagt er. Ein Lehrvideo könne dies nicht leisten. Schulleiter Frank Schweizer gibt seinem Kollegen recht: „Lehrvideos sind nicht für alle Lerninhalte gleich gut geeignet.“ Doch für Schweizer ist vor allem wichtig, dass in jeder Unterrichtsform Abwechslung zwischen passiven und aktiven Phasen besteht.  Lehrerverband-Präsidentin Fleischmann hofft indes, dass die Schüler ebenfalls aktiv werden und zur Kamera greifen.

    Und Youtuber Lehrer Schmidt? Dieser ist naturgemäß vom Erfolg der Lehrvideos überzeugt – „zu 97,3 Prozent positiv“, zitiert Schmidt die Auswertung seines Kanals. Das hat seiner Meinung nach nicht nur mit dem Distanzunterricht zu tun, sondern damit, dass das Interesse an Lernvideos insgesamt an Fahrt aufgenommen habe. Doch letztendlich seien seine Videos nur ein technisches Hilfsmittel, vor allem in dieser schwierigen Zeit, so Schmidt.

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