Tom Hegens Luftbilder sind in zweierlei Hinsicht beeindruckend. Auf den ersten Blick zeigen sie die Schönheit der Welt aus einer völlig anderen Perspektive. Auf der anderen Seite regen sie zum Nachdenken darüber an, in welchem Verhältnis Mensch und Umwelt stehen. Denn der 27-jährige Luftbildfotograf hat sich in seinen Aufnahmen einem großen Thema angenommen: Er will darauf aufmerksam machen, welch großen Einfluss der Mensch auf die Natur hat. Für seinen Bildband "Habitat" wurde er kürzlich mit dem German Design Award 2019 in der Kategorie Buch und Kalender ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet im Februar 2019 statt.
Hegen fotografiert das menschgemachte Zeitalter
Steinbrüche, Salzbecken, Kohleminen - in riesigen Dimensionen zeigt sich der menschliche Einfluss auf den Planeten. Aufgrund der massiven Eingriffe des Menschen in die biologischen, geologischen und athmosphärischen Prozesse auf der Erde sprechen manche Wissenschaftler bereits davon, das gegenwärtige Erdzeitalter nach dem Menschen zu benennen. Das Stichwort lautet Anthropozän - menschgemachtes Zeitalter. Eine Ausstellung in München zu diesem Thema brachte bei Tom Hegen vor ein paar Jahren den Stein ins Rollen: "Satellitenaufnahmen zeigten die Welt von oben und welch großen Schaden der kleine Mensch anrichten kann. Mit meinen Bildern will ich daher auf Umweltthemen aufmerksam machen", erklärt er. „Im Bildband Habitat geht es darum, wie sich unsere Zivilisation in den letzten Jahrtausenden entwickelt hat. Konsum und Wachstum waren die großen Treiber. Und dieser unendliche Konsum verbraucht Ressourcen.“ So erklärt der Künstler seine Motivation.
Tom Hegen stammt aus Königsbrunn und lebt mittlerweile in München. An der Hochschule Augsburg hat er Grafikdesign studiert. Für seine Bilder ist er weit herumgereist. Er fotografierte das Schmelzen der Gletscher in Island, die Salzgewinnung in Spanien und Frankreich oder Kiesgruben in Süddeutschland. „Ich fotografiere immer senkrecht nach unten – ohne Perspektive. So erhalten die Bilder einen hohen Abstraktionsgrad. Dadurch verschwimmt die Grenze zwischen Fotografie und Malerei.“
Teilweise steigt er dafür hunderte Meter in die Höhe und fotografiert aus Helikoptern, Propellermaschinen oder Heißluftballons. Zum Einsatz kommt hin und wieder auch eine selbstgebaute Konstruktion: „Die Bildqualität von flugfertigen Multicoptern hat mich nicht überzeugt. Daher habe ich mir einen eigenen Multicopter zusammengebaut. Ich bin eigentlich Gestalter und kein Modellbauer und musste mich daher erst einlesen. Es war ein großer Aufwand, die Drohne und die Kamera zusammenzubauen und zu programmieren.“ Über eine Fernbedienung kann er sowohl die Drohne wie auch die Kamera steuern. Ein kleiner Monitor am Boden zeigt ihm, was die Kamera im Moment aufnimmt.
Zucker fürs Auge
Das Ergebnis ist beeindruckend. Hegen überträgt in seinen Arbeiten Parameter aus seinem Grafikdesign-Studium auf die Fotografie. Es gehe darum, rechte Winkel einzuhalten und bestimmte Bildkompositionsregeln anzuwenden, sagt er. Was er damit meint, wird klar, wenn man sich eines seiner Lieblingsbilder ansieht: Es zeigt eine Kiesgrube in Süddeutschland und stammt aus Hegens "Steinbruch-Serie".
Dem 27-Jährigen gelingt es, in seinen Fotografien die Schönheit der Natur und den enormen Eingriff des Menschen gleichzeitig darzustellen. Das zeigt auch die "Salz-Serie". Zur Gewinnung von Salz werden riesige Becken angelegt, in denen Meerwasser verdunstet. Die dadurch entstehenden Mikroorganismen verfärben das Wasser.
„Die Bilder sind einerseits wie Zucker fürs Auge. Aber was darauf zu sehen ist, ist irgendwo wie Gift“, sagt Tom Hegen über seine Kunstwerke.