Am Ende des Tages besetzten hunderte Kleinbauern die Büros des Nationalen Instituts für eine Agrar-Reform (INRA) im bolivianischen Santa Cruz. Die Campesinos forderten die Herausgabe offizieller Urkunden, die bestätigten, dass sie Eigentümer von kleinen Grundstücken für die Landwirtschaft geworden sind. Schon zu Wochenbeginn hatte das INRA Besuch bekommen. Da waren es Umweltaktivisten, die gegen die agrarindustrie-freundliche Politik der Regierung demonstrierten und eine mit schwarzer Farbe verwandelte bolivianische Flagge hissten: „Bolivien trägt Trauer“, sollte das heißen.
In Brasilien laufen Anti-Öko Demonstrationen
Während im Rest der Welt wegen der anhaltenden Brände die Sorge um den Fortbestand des Amazonas-Regenwalds und der benachbarten Ökosysteme groß ist, geht bei den von der Ausbeutung der Wälder lebenden Menschen die Angst um die eigene Existenz um. In Santa Cruz trafen die Emotionen nun mit voller Wucht aufeinander. Die Campesinos fürchten, dass ihnen unter dem Eindruck der politischen Debatte das durch Brandrodung gewonnene Land verloren gehen könnte. Sie bestanden deshalb auf die sofortige Herausgabe der Urkunden. Sicher ist sicher. Nach stundenlangen Diskussionen gab die Behörde tatsächlich rund 150 Dokumente heraus.
Für diesen Donnerstag hat eine Gewerkschaft indigener Kleinbauern zu einem Protestmarsch gegen eine sogenannte „ökologische Pause“ aufgerufen. Die Maßnahme war von der Regierung der Provinz Santa Cruz als Reaktion auf die mutmaßlich von Brandrodungen ausgelösten verheerenden Waldbrände ausgerufen worden. Sie soll der Natur eine Chance geben, sich zu erholen.
Laut Organisatoren werden etwa 2000 Teilnehmer zu der Anti-Öko-Demonstration erwartet. Die Öko-Pause sei eine Diskriminierung kleinbäuerlicher Betriebe, sagte Gewerkschafter Rolando Cuellar der Tageszeitung Los Tiempos.
Brandrodung ist im Amazonas unter Kleinbauern normal
Brandrodungen gehören in Bolivien wie in Brasilien zur traditionellen Art der Landgewinnung. Viele Kleinbauern verstehen nicht, warum das nun nicht mehr gelten soll. Vor dem Klimaschutz steht für sie erst einmal die Sorge um die Existenz der eigenen Familie. Sie berufen sich auf den linksgerichteten Präsidenten Evo Morales, der zuvor ein Dekret verabschiedet hatte, das Brandrodungen zur Landgewinnung in zwei Amazonas-Provinzen ausdrücklich erlaubte.
Bolivien ist eines der Länder Südamerikas, die besonders heftig von den Waldbränden der letzten Wochen heimgesucht wurden. Dabei sollen laut lokalen Medienberichten mindestens 700.000 Hektar Trockenwald und eine Million Hektar Weidefläche zerstört worden sein.
Protest gibt es auch in Brasilien. Dort riefen zu Wochenbeginn illegale Goldsucher zum Widerstand auf. Sie verteilten Audio- und Videobotschaften an die lokale Bevölkerung des Bundesstaates Para. Die Einheimischen sollen sich gegen die Umweltbehörde Ibama zur Wehr setzen. Die Ibama-Mitarbeiter hatten zuvor auf Anweisung der brasilianischen Regierung Maschinen, mit denen die Goldsucher in der Region arbeiteten, verbrannt.
Wie aufgeheizt die Situation in der Region ist, zeigte die Ermordung des Umweltschützers Maxciel Pereira dos Santos im Dreiländer-Eck Brasilien, Peru und Kolumbien, der sich für den Erhalt des Regenwaldes eingesetzt hatte.
In vielen Regionen Südamerikas brennt der Regenwald weiter
Laut Tageszeitung Folha richtet sich nun die Wut der Goldsucher ausgerechnet gegen den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der bislang als Freund der intensiven wirtschaftlichen Ausbeutung des Regenwaldes galt. „Schaut Euch das an. Das ist der Befehl unseres Präsidenten Bolsonaro. Sie verbrennen alles, was den Arbeitern gehört“, sagte ein Goldsucher auf einem in den sozialen Netzwerken verbreiteten Clip, der das Vorgehen der Umweltbehörde zeigte.
Die illegale Goldsuche ist neben der Flächengewinnung für die Landwirtschaft eine der Hauptursachen für Brandrodungen. Weil die Goldsucher zudem auch noch hochgiftiges Quecksilber verwenden, ist diese Art der Goldsuche für die Umwelt katastrophal. Doch in Para bedeutet diese Arbeit für Tausende die Existenz und diese wollen sie nun um jeden Preis verteidigen.
Unterdessen bleiben die Zahlen besorgniserregend: In vielen Regionen Südamerikas brennt es weiter. Allein in Brasilien wurden im August 1700 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum.