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Manieren: Die Schweden und ihre Anrede: Siezt du noch oder duzt du schon?

Manieren

Die Schweden und ihre Anrede: Siezt du noch oder duzt du schon?

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    „Du“ wird längst nicht mehr nur in der Familie oder unter Freunden gesagt – auch in Deutschland. Unser Bild entstand in Oberstaufen, wo 2011 Duz-Schalter in öffentlichen Einrichtungen eingeführt wurden.
    „Du“ wird längst nicht mehr nur in der Familie oder unter Freunden gesagt – auch in Deutschland. Unser Bild entstand in Oberstaufen, wo 2011 Duz-Schalter in öffentlichen Einrichtungen eingeführt wurden. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Man kennt es von Ikea. Doch manchem ist das kollektive „Du“, mit dem das Möbelhaus seine Kunden anspricht, immer noch etwas suspekt – und das 43 Jahre, nachdem in Eching bei München die erste Ikea-Filiale eröffnet hat. Im Ikea-Heimatland Schweden ist das „Du“ aber völlig normal. Heuer jährt sich die „Du-Reform“ dort zum 50. Mal.

    „Welche Unterstützung bekommst du von deiner Frau Ulla, wenn es hart wird im Job?“ So umgangssprachlich interviewen schwedische Journalisten ihren Ministerpräsidenten Stefan Löfven. Auch der Richter wird vom Angeklagten und den Anwälten geduzt, der Konzernchef von seinen Arbeitern.

    Früher waren die Schweden viel förmlicher. Das „Sie“ wurde nur in herablassender Form von Chefs gegenüber ihren Untergebenen benutzt, um den gesellschaftlichen Höhenunterschied zu markieren. Die Höflichkeitsanrede in Schweden bestand noch bis in die Sechziger- jahre hinein aus einem komplizierten Dreiteiler in der dritten Person Singular: „Möchte der Herr Apotheker Lindvall zu Mittag essen?“, konnte das dann heißen. Auf der Straße grüßte man etwa mit „Hatte Herr Gerichtsvollzieher Ericsson einen angenehmen Tag?“

    Schweden waren früh dran mit dem Duzen

    In den progressiven Zeitgeist am Ende der Sechzigerjahre passten die umständlichen Anredeformen nicht mehr hinein. Da das „Sie“ wegen seines abschätzigen Rufs nicht infrage kam, ging man gleich einen Schritt weiter. Obwohl kein exakter Tag für die Du-Reform Schwedens festgelegt wurde, gilt der 3. Juli 1967 als Schlüsselereignis. „Es wird mich freuen, zu hören, dass ihr mich mit Bror ansprecht“, sagte da Bror Rexed, Generaldirektor des staatlichen Medizinalwerkes auf einer Versammlung zu seinen Angestellten. Die trauten ihren Ohren nicht. Dann folgte Applaus. Die Zeitung „Dagens Nyheter“ titelte damals: „Nun wird der Titelwall gesprengt.“ Zwei Jahre später bot der neue Ministerpräsident Olof Palme auf seiner allerersten Pressekonferenz den Journalisten das „Du“ an. Davon inspiriert begannen sie, alle gesellschaftlichen Größen in Interviews zu duzen. Der gefühlte Abstand zwischen den Menschen nahm ab, der Führungsstil in den Unternehmen wurde weicher.

    „Du“ zum Chef ist schwierig

    In Deutschland griff die sprachliche Gleichstellung zuletzt auch immer weiter um sich. In Unterjoch (Oberallgäu) gibt es ein Du-Hotel, die Oberstaufener Tourismus-Behörde (Oberallgäu) führte 2011 Duz-Schalter ein und begrüßt Internetnutzer auch auf ihrer Homepage mit der freundschaftlich-vertrauten Anrede. „Wir wollen es unseren Gästen bei allem gebührlichen Respekt anbieten. Einfach deshalb, weil wir sie nicht als Piefkes sehen, sondern als Freunde, die ihre wertvollste Zeit des Jahres ins Allgäu verlegen“, heißt es da. Vor ziemlich genau einem Jahr machte Lidl Furore mit der Ankündigung, dass fast 400000 Mitarbeiter nun den Firmenchef duzen dürfen. Die „Du-Kultur“ sollte die Hierarchie abflachen und die Internationalität des Konzerns betonen, hieß es damals. Arbeitnehmer in Schweden sind aber gar nicht so begeistert davon, auf Du und Du mit dem Chef zu sein. So klagen gerade Deutsche, die in Schweden arbeiten, darüber, dass es durch den zu freundschaftlichen Umgangston schwer sei, Privat- und Berufsleben zu unterscheiden. Bitten wie „Du, sei doch so lieb und mache Überstunden, ich muss meine Kleine abholen“, könne man kaum noch mit Tarifregeln kontern. Auch professionelle Kritik an Arbeitskräften ist schwieriger. „Ich weiß nie, ob mein schwedischer Chef meine Arbeit gut findet oder schlecht, man bekommt nie direkte Kritik, wird nie ausgeschimpft, weil alles gleich so persönlich wird“, klagt etwa ein deutscher Volkswirt, der seinen alten, etwas jähzornigen deutschen Chef und das professionellere „Sie“ vermisst.

    „Sie“ ist Zeichen für gute Manieren

    Doch auch eine gegenläufige Bewegung gibt es in Schweden, die von der Rückbesinnung auf konservative Werte und der Anhimmlung der Königsfamilie geprägt ist. Junge Leute, die in Geschäften oder Restaurants arbeiten, sagen immer häufiger „Sie“ zu ihren Kunden. Auch das „von“ in Nachnamen wird wieder gern zur Schau gestellt. Anscheinend ist die Gleichmacherei im Du-Sager-Land ein wenig aus der Mode gekommen. (mit AZ)

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