Die AfD beobachtet genau, was in den Klassenzimmern vermittelt wird. Und wenn es ihr nicht passt, wehrt sie sich gegen unliebsame Lehrer – ein Muster, das sich in den vergangenen Tagen mehrfach gezeigt hat.
In Bremen reichte die Alternative für Deutschland bei der Schulbehörde Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Lehrer ein, der die Schüler „für seine politische Agenda eingespannt“ habe. Im schlimmsten Fall kann so eine Beschwerde zur Kündigung führen. In Hamburg ging die AfD-Fraktion im Senat gegen die Schulleitung einer Berufsschule vor, die eine Diskussionsrunde in ihrem Haus abgesagt hatte, weil ein AfD-Funktionär auf der Bühne sitzen sollte. Hier räumte die Schulbehörde ein, dass auch sie das Handeln der Schulleitung für rechtswidrig hielt. Auf Anordnung des Amtes fand die Diskussion doch noch statt.
Eltern sollen auf einer Internet-Plattform Verstöße melden
Zum nächsten Schuljahr wollen die Hamburger Rechten eine Online-Plattform einrichten, über die Schüler und Eltern melden können, wenn der Lehrer ihrer Ansicht nach die Partei diskreditiert. „Bei begründetem Anfangsverdacht“ würden die Meldungen an die Schulbehörde oder den Hamburger Senat weitergeleitet.
Auch in Bayern hat die AfD die Schulen für sich entdeckt. Bereits im November 2017 befasste sich der Bildungsausschuss im Landtag mit der Petition eines oberbayerischen AfD-Kreisvorsitzenden, der ein dienstrechtliches Verfahren gegen einen vom Staat entsandten Extremismus-Experten forderte, der an einer Schule die AfD in Zusammenhang mit rechtem Extremismus genannt haben soll. Die Staatsregierung prüfte dessen Wortwahl und sah keinen Grund, ein Verfahren einzuleiten. Der Mann nannte die AfD zwar in seinem Vortrag, brachte sie aber nicht explizit mit Extremismus in Verbindung.
Lehrer müssen neutral bleiben - auch gegenüber der AfD
Lehrer in Bayern entscheiden selbst, wie sie aktuelles Nachrichtengeschehen im Unterricht aufgreifen. Sie alle haben einen Eid darauf geschworen, Schüler im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung unserer Gesellschaft zu erziehen. Parteien gegenüber müssen sie neutral bleiben, auch wenn sie selbst Mitglied sind. Gleichzeitig sollen Lehrer Schüler dazu erziehen, sich eine eigene politische Meinung zu bilden. Wenn eine Partei Grundwerte wie Toleranz und Menschenwürde missachtet, liegt es am Lehrer, das auch anzusprechen. Zur Demokratie gehört aber auch, die Meinung eines Schülers zu akzeptieren, etwa wenn er die AfD befürwortet.
Markus Bayerbach, selbst Lehrer und AfD-Vorsitzender des Kreisverbandes Augsburg-Stadt, sagt, dass genau diese unterschiedlichen Meinungsbilder oft nicht respektiert würden. In Franken etwa habe sich ein Lehrer im Unterricht – wieder beim Thema Extremismus – „extrem gegen unsere Partei gewandt“. Zufällig hörte das Kind eines AfD-Sympathisanten zu. Der habe bei der Schulbehörde Beschwerde eingelegt. Meist versuche man aber, Differenzen „auf dem kurzen Dienstweg“ auszuräumen – zum Beispiel, indem die Eltern direkt mit dem betreffenden Lehrer das Gespräch suchen. Wie oft das vorkommt, lässt sich dann natürlich nicht nachverfolgen. Verstößt ein Lehrer wirklich gegen seine Neutralitätspflicht, haben Schulleitung und Aufsichtsbehörde nach Angaben des Kultusministeriums „diverse Reaktionsmöglichkeiten von einem Gespräch mit dem Vorgesetzten bis hin zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens“.
FW-Politiker sieht eine „Masche“ hinter den AfD-Beschwerden
Michael Piazolo, Bildungsexperte bei den Freien Wählern und Politikwissenschaftler, sieht eine Masche hinter den Beschwerden der AfD. „Sie geht systematisch gegen staatliche Stellen vor. Es geht darum, Leute einzuschüchtern.“ Gerade jüngere, weniger erfahrene Lehrer sollten sich aber „nicht zu leicht ins Bocks-horn jagen lassen“. Denn in Zeiten, in denen wegen der AfD die Diskussionen in den Parlamenten schärfer würden, sei „sozialer und politischer Unterricht ganz wichtig, damit Schüler die Geschehnisse einordnen können“.
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