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Krebsdiagnose: Diagnose mit 19 Jahren: Wie hart Krebs junge Menschen trifft

Krebsdiagnose

Diagnose mit 19 Jahren: Wie hart Krebs junge Menschen trifft

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    Krebs wirft besonders junge Erwachsene sozial und auch finanziell häufig aus der Bahn.
    Krebs wirft besonders junge Erwachsene sozial und auch finanziell häufig aus der Bahn. Foto: Jan-Peter Kasper (dpa, Symbolbild)

    72 Stunden - So viel Zeit hatte Timur zwischen der Diagnose Krebs und seiner ersten Operation. Beim 23-Jährigen wurde Hodenkrebs diagnostiziert. 72 Stunden lang musste er mit dem Wissen um die lebensgefährliche Krankheit umgehen. Doch nicht nur das beschäftigte ihn. "Wegen der Chemotherapie musste ich auch ganz schnell über's Kinderkriegen nachdenken und bin mit meiner Schwester in ein Kinderwunschzentrum gegangen", erinnert er sich. "Da hat man sie zuerst für meine Frau gehalten."

    Heute ist Timur geheilt und studiert in Oxford. Seine Erfahrungen und Gefühle nach der Diagnose aber will er weitergeben - als Tipps und "Erste Hilfe" für andere junge Betroffene, die mitten in der Ausbildung oder jung im Beruf eine Krebsdiagnose bekommen. Zu lesen ist das alles seit Dienstag in einem neonfarbenen Faltblatt und im Internet unter www.erstehilfe-krebs.de.

    Krebs: Junge Menschen erkranken am häufigsten an Brust- oder Hodenkrebs

    Rund 15.000 junge Erwachsene zwischen 18 und 39 Jahren bekommen in Deutschland jedes Jahr die Neudiagnose Krebs, am häufigsten sind Brust- und Hodenkrebs. Im Vergleich zur halben Million bösartiger Tumor-Neuerkrankungen pro Jahr insgesamt sind sie eine kleine Gruppe. "Doch sie sitzen oft zwischen allen Stühlen", sagt Frauke Frodl, Sprecherin der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. "Sie haben sich gerade von den Eltern abgenabelt, eine Ausbildung angefangen oder eine Familie gegründet - und dann finden sie sich plötzlich neben 70-Jährigen in der Chemotherapie wieder."

    Brustkrebs und Hodenkrebs sind die häufigsten Krebsarten bei jungen Erwachsenen. Eine Krebsdiagnose in jungen Jahren ist oft sowohl eine finanzielle als auch soziale Belastung.
    Brustkrebs und Hodenkrebs sind die häufigsten Krebsarten bei jungen Erwachsenen. Eine Krebsdiagnose in jungen Jahren ist oft sowohl eine finanzielle als auch soziale Belastung. Foto: Friso Gentsch/Symbolbild (dpa)

    Studentin Franziska (26), die vor drei Jahren an einer Form von Lymphdrüsenkrebs erkrankte, erinnert sich noch gut an den Moment der Diagnose. "Mein HNO-Arzt war genauso überfordert wie ich." Heute gehört auch Franziska zu den Autoren der Info-Broschüre, die junge Leute in neonfarbenem Design und in leicht verständlicher Sprache durch eine weitgehend unbekannte Welt leiten möchte: Krankenhaus, Krankenschein, Krankengeld, Kinderwunsch - und wie sage ich es meinen Eltern, meinen Freunden? Und: Was muss ich überhaupt? Und was will ich? 

    Wie man Brustkrebs frühzeitig erkennen kann

    Brustkrebs ist mit etwa 31 Prozent die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Seit den 80er Jahren hat sich die Zahl der Fälle verdoppelt: Über 70.000 Mal im Jahr stellen Ärzte die Diagnose „Mammakarzinom“, gut 17.000 Frauen sterben jährlich daran.

    Experten empfehlen Frauen, ein Mal im Monat die Brust im Spiegel anzuschauen und abzutasten. Etwa 60 bis 70 Prozent aller Geschwulste werden auf diese Weise von Frauen selbst entdeckt. Umfragen zufolge tastet jedoch ein Drittel der Frauen die Brust nie ab.

    Die ärztliche Tastuntersuchung ist Teil des gesetzlichen Krebs-Früherkennungsprogramms ab dem 30. Lebensjahr. Ein Mal jährlich werden die Brustdrüsen und die Lymphknoten in den Achselhöhlen, am Schlüssel- und Brustbein abgetastet, die Form und Größe der Brust und Brustwarzen kontrolliert.

    Die medizinische Tastuntersuchung wird von blinden Frauen durchgeführt und in Bayern bislang in sieben Arztpraxen in Gunzenhausen, Nürnberg, Fürth, Erlangen, München, Ottobrunn und Vilshofen durchgeführt. Die Untersuchung kostet 46,50 Euro. Zwölf Krankenkassen übernehmen die Kosten derzeit.

    Zusätzlich zur jährlichen Tastuntersuchung werden Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre schriftlich zur Röntgen-Mammografie eingeladen. Dies ist Bestandteil des gesetzlichen Früherkennungsprogramms.

    Bei der Mammografie wird jede Brust von zwei Seiten geröntgt. Damit die dargestellten Gewebsschichten möglichst dünn sind, wird die Brust zwischen zwei Plexiglasscheiben gepresst. Das kann unter Umständen schmerzhaft sein. (sok)

    "Ich habe mich während der Behandlung im Krankenhaus oft einsam gefühlt" erinnert sich Franziska. Sie dachte über den Tod nach, während ihre Freunde an der Uni Klausuren schrieben oder auf Partys gingen. Mit älteren Patienten gab es kaum Austausch. Franziska hätte sich gewünscht, dass es für's Handy oder Laptop Seiten gibt, auf denen Menschen wie sie zu Wort kommen, in ihrer Sprache, mit ihren Sorgen, um das alles durchzustehen. Gleichaltrige eben, die ihre Erfahrungen mit Krebs beim Start ins Leben teilen, Texte, Videos. Das alles gibt es nun. 

    Krebs ist auch eine finanzielle Belastung für junge Erwachsene

    80 Prozent der jungen Erwachsenen überleben heute eine Krebserkrankung. Doch anders als Kinder und Ältere sind sie kaum abgesichert und gefestigt - weder emotional noch finanziell. "Durch eine Erkrankung in dieser Lebensphase entsteht oft eine Lücke in der Biografie - und auch ein sozialer Schaden", sagt der Rostocker Onkologe Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Es gibt oft plötzlich wieder eine Abhängigkeit von den Eltern, dazu eine unfreiwillige Auszeit in Ausbildung oder Beruf. 40 Prozent der Betroffenen klagten später im Leben über finanzielle Folgen. 

    Es ist nicht nur die Krankheit und die Organisation der Behandlung selbst, die Kraft kostet. Zu den vielen zermürbenden Arztbesuchen kommt das Wissen um mögliche Langzeitfolgen - noch einmal Krebs, Unfruchtbarkeit, Nervenschäden, Abgeschlagenheit. "Eine Krebserkrankung kann auch sozial und psychologisch ein Leben lang dauern", sagt Stephan Schmitz, Vorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland.

    Junge Erwachsene mit Krebs erfahren Hilfe im Netz

    Die Berliner Stiftung «Junge Erwachsene mit Krebs» will die Hilfen für Patienten in dieser Altersgruppe verbessern - denn für sie ist Krebs eine besonders schwere Belastung.
    Die Berliner Stiftung «Junge Erwachsene mit Krebs» will die Hilfen für Patienten in dieser Altersgruppe verbessern - denn für sie ist Krebs eine besonders schwere Belastung. Foto: Wolfgang Kumm (dpa)

    In der Broschüre und im Netz gibt Student Timur auch ganz praktische Tipps, wie nicht nur der Kampf gegen den Krebs, sondern auch gegen manche Tücken des Gesundheitssystems gelingt. "Alle Arztbriefe unbedingt einscannen und aufs Handy laden", rät er. "So lange nachfragen, bis ein Arzt eine verständliche Antwort gibt, und immer einen Vertrauten mitnehmen. Vier Ohren hören mehr."

    Timur hat sich vor der Chemotherapie dazu entschieden, sein Sperma einfrieren zu lassen, um später Kinder haben zu können. Er hat erfahren, dass die Krankenkassen die Kosten von mehr als 1000 Euro und die jährlichen Lagerungsgebühren von mehreren Hundert Euro nicht übernehmen. Sein Vater steht noch immer dafür gerade. Es ist der nächste Punkt, den die Stiftung ändern will.

    Die Berliner Stiftung "Junge Erwachsene mit Krebs" will die Hilfen für Patienten in der Altersgruppe von 19 bis 29 verbessern. Was steckt dahinter? Fragen und Antworten:

    Wie viele Menschen zwischen 18 und 39 Jahren erkranken in Deutschland an Krebs?

    Statistisch gesehen gibt es in dieser Altersgruppe nach Angaben der Stiftung rund 15 000 Neudiagnosen pro Jahr. Bei insgesamt rund 480 000 neuen Krebserkrankungen jährlich sind das nur knapp drei Prozent. Doch genau diese Seltenheit kann tückisch sein.

    Warum?

    Diagnosen können sich verzögern, weil Ärzte bei jungen Patienten nicht immer sofort an Krebs denken oder aber Wartezeiten, zum Beispiel auf Kernspins, in Kauf nehmen. "Ich bin manchmal geschockt, wie da der zeitliche Ablauf ist", sagt der Göttinger Kinder-Onkologe Christof Kramm zur Krebsbehandlung von Erwachsenen. Für krebskranke junge Erwachsene sei es vielfach besser, sich in der Kinderonkologie einer Klinik behandeln zu lassen. "Ein 23-Jähriger wird von der Gesamtatmosphäre einer Kinderstation sicher besser getragen, als wenn er neben einem 80-Jährigen liegt", ist Kramm überzeugt. Auf Stationen für Kinder und Jugendliche sei der Betreuungsschlüssel besser und mehr Psychologen und Sozialarbeiter im Einsatz.

    Gibt es Krebsarten, die junge Erwachsene überdurchschnittlich oft treffen?

    Ja. Nach Angaben der Stiftung gehören Hautkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hodenkrebs, Brustkrebs, Sarkome (befallenes Knochen-, Knorpel- und Fettgewebe) und das Hodgkin-Lymphom (befallenes Lymphsystem) dazu.

    Trifft eine Krebs-Diagnose junge Menschen härter?

    "Die Diagnose kommt zu einer Zeit, in der Gedanken an Sterben und Tod normalerweise keinen Platz haben", sagt Karolin Behringer, Fachärztin an der Onkologischen Ambulanz des Uniklinikums Köln. In dieser Lebensphase gehe es meist um Unabhängigkeit, sexuelle Orientierung und Erfahrung, die Lösung vom Elternhaus, Ausbildung, Arbeitsplatz, Karriere und die Gründung einer Familie. "Die Erkrankung trifft nicht eine ausgereifte, in sich ruhende Persönlichkeit, sondern eine eher unsichere, unselbstständige und verletzliche, so dass eine doppelte Krisensituation entsteht", resümiert Volker König, ärztlicher Leiter der Fachklinik für onkologische Rehabilitation Bad Oexen (Niedersachsen). Eine lebensgefährliche Erkrankung in diesem Alter sei deshalb häufig ein gravierender Einschnitt in die gesamte Lebens- und Zukunftsplanung.

    Was belastet junge Krebspatienten besonders?

    Bei jungen Menschen spielt die fehlende finanzielle Absicherung eine große Rolle. "Wir hatten hier Fälle, bei denen Studenten mit Krebs das BAföG gekürzt oder ihre Wohnung gekündigt wurde", berichtet Stiftungsprecherin Frauke Frodl. "Im Gegensatz zu Kindern, Jugendlichen und älteren Patienten kommt auch dem Thema Kinderwunsch übergeordnete Bedeutung zu", ergänzt Inken Hilgendorf, Onkologin am Universitätsklinikum Jena. Das Risiko drohender Unfruchtbarkeit als Folge notwendiger Therapien müsse von Anfang an thematisiert werden. Bisher finanzieren Krankenkassen das Einfrieren von Eizellen und Spermien vor Chemotherapien nach Angaben der Stiftung in der Regel nicht. Junge Erwachsene, die zum Zeitpunkt der Diagnose eine Familie gegründet haben, belastet die Sorge um das Kind und die Trennung während der Klinikaufenthalte.  

    Wie stehen die Heilungschancen bei jungen Erwachsenen?

    Im Gegensatz zu älteren Patienten ist die Heilungsrate gut und liegt bei rund 80 Prozent. Doch es gibt erst wenige Studien zu den Langzeitfolgen erfolgreicher Therapien bei Menschen zwischen 18 und 39 Jahren. Bei Erwachsenen, die als Kinder wegen Krebs behandelt wurden, habe ein zweistelliger Prozensatz Spätfolgen wie Nieren- oder Hirnschäden, berichtet Peter Kaatsch, Leiter des Deutschen Kinderkrebsregisters an der Universitätsmedizin Mainz. Künftig müsse deshalb verstärkt ein möglichst spätfolgenfreies Überleben das Therapieziel sein. dpa

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