Berlin (AZ) - Auf dem legendären Berliner Flughafen Tempelhof starten und landen ab Freitag keine Maschinen mehr. Begleitet von Protesten und Abschiedsveranstaltungen war der durch die Luftbrücke von 1948/49 weltweit berühmt gewordene Airport am Donnerstag letztmals in Betrieb.
Die letzten drei Maschinen sollten am späten Abend während einer offiziellen Feier das fast 400 Hektar große Gelände verlassen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, Tempelhof habe "in seiner großen Zeit" den Fortschritt im Luftverkehr verkörpert, doch diese Zeit sei vorbei. Die Berliner CDU warf dem Senat dagegen vor, den Flughafen "ohne Not" vorzeitig zu schließen.
Der Zugang zu dem Flughafengebäude war schon den ganzen Donnerstag über eingeschränkt. Nur Fluggäste mit einem Ticket für diesen letzten Tag wurden noch eingelassen. Für den Abend war eine Abschiedsfeier mit rund 800 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung geplant. Als letzter Linienflug nach 85 Jahren Flugbetrieb sollte um 21.50 Uhr eine Maschine der Cirrus Airline nach Mannheim starten. Kurz vor Mitternacht sollten auch die letzten beiden Traditionsmaschinen - ein "Rosinenbomber" DC-3 und eine Ju-52 der Deutschen Lufthansa Berlin-Stiftung - das knapp 400 Hektar große Gelände verlassen und zu ihrem neuen Standort in Schönefeld im Südosten der Hauptstadt fliegen.
Viele Berliner wollten sich mit dem endgültigen Aus jedoch nicht abfinden. Die Bürgerinitiative Be-4-Tempelhof hatte für den Abend zu einer Lichterkette vor dem Flughafengelände aufgerufen. "Für uns geht es weiter", sagte der Vorsitzende Stefan Dudzus der Nachrichtenagentur AFP. Auch wenn der Flugbetrieb eingestellt werde, sei die Entwidmung des Geländes als Flughafen noch nicht endgültig beschlossen. Dazu steht am 17. Dezember die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin an.
Einer der Kläger, der Sprecher der Bürgerinitiative "Das Thema Tempelhof", Wolfgang Przewieslik, kündigte an, er wolle "alle Mittel ausnutzen" und zur Not eine Revision erwirken, sollte das Gericht im Dezember gegen ihn entscheiden. Solange die Entwidmung nicht beschlossen sei, könne Tempelhof jederzeit den Flugbetrieb wieder aufnehmen. Auch der Generalsekretär der Berliner CDU, Bernd Krömer, warf dem Senat vor, Tempelhof "ohne große Not" und "ohne zwingenden Grund" vorzeitig zu schließen.
Der mitten in Berlin gelegene Flughafen war 1923 Jahren eröffnet worden. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er sich zum wichtigsten Drehkreuz Europas. Unter der NS-Herrschaft wurde er massiv ausgebaut; aus dieser Zeit stammt auch das markante 1,2 Kilometer lange Flughafengebäude, das bis heute eines der größten Gebäude der Welt ist. Weltweite Berühmtheit erlangte Tempelhof durch die Luftbrücke 1948/49, über die die US-Luftwaffe die von der sowjetischen Besatzung eingeschlossene West-Berliner Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Brennstoff versorgte.
Nach der Wiedervereinigung einigten sich die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund 1996 darauf, in Schönefeld östlich von Berlin einen Großflughafen einzurichten und dafür die Flughäfen in Tempelhof und Tegel zu schließen. Nach Angaben der Flughafengesellschaft lag das jährliche Defizit des Flughafens Tempelhof zuletzt zwischen zehn und 15 Millionen Euro.
Wowereit verteidigte nochmals die Schließung: "Heute und in Zukunft liegt der richtige Ort für den internationalen Luftverkehr nicht mehr im Herzen der Stadt." Tempelhof bleibe aber "ein Ort der Erinnerung an die Luftbrücke" und ein Symbol für den Freiheitswillen der Berlinerinnen und Berliner. Mit der Schließung eröffneten sich für das Gelände neue Chancen. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast. Mitten in der Stadt habe Berlin nun eine riesige Fläche. "Das ist eine Chance, um die uns andere Metropolen beneiden."