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Der Papst-Rücktritt: Und dann war Schweigen

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Der Papst-Rücktritt: Und dann war Schweigen

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    Nach der Rücktrittserklärung von Papst Benedikt XVI. herrschte fassungsloses Schweigen.
    Nach der Rücktrittserklärung von Papst Benedikt XVI. herrschte fassungsloses Schweigen. Foto: DPA

    Der Papst-Rücktritt: Ein grauer Tag in Rom, so kalt, dass es gegen Abend schneien könne, sagen die Wetter-Experten. Das allein wäre in der sonst so sonnigen Ewigen Stadt schon eine Sensation.

    Passantin auf dem Petersplatz: Ein Papst tritt nicht zurück

    Aber an diesem Montag, kurz vor zwölf, passiert eine noch viel größere. "Der Papst tritt zurück." In Windeseile verbreitet sich die Nachricht. Eine Nachricht, die so weit hergeholt, ja so absurd klingt, dass man sie erst nicht glauben mag. "Unmöglich! Ein

    Termin war offiziell für Heiligsprechungen angesetzt

    Und doch stimmt es. Benedikt XVI. kündigt es selbst an, in lateinischer Sprache vor den versammelten Kardinälen im Konsistoriensaal des Vatikans. Der Termin ist ganz offiziell für elf Uhr angekündigt worden, es sollen mehrere Heiligsprechungsdekrete erlassen werden.

    Das Konsistorium ist das oberste Beratergremium des katholischen Kirchenoberhauptes. Benedikt bezeichnet es als "eine Art Senat". Konsistorien dienen der Aufnahme neuer Purpurträger in das Gremium und Beratungen mit dem Papst.

    Fassungsloses Schweigen im Raum

    Dieses Konsistorium, am Montag, den 11. Februar 2013, schreibt Geschichte. Neben dem Papst sitzt, mit ausdruckslosem Gesicht, sein Zeremonienmeister, vor ihm haben sich Kardinäle der römischen Kurie und weitere Purpurträger versammelt.

    Stichwort Sedisvakanz

    Mit dem Ende des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz.

    Das ist die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist - normalerweise vom Tod des Kirchenoberhaupts bis zur Wahl seines Nachfolgers.

    Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich übersetzt «leerer Stuhl». Nach kirchlichem Verständnis sitzt der Papst auf dem Stuhle Petri.

    Der Glaubenslehre zufolge ist der Papst der Nachfolger des Apostels Petrus, den Jesus von Nazareth nach dem Matthäus-Evangelium als ersten Kirchenführer eingesetzt hatte.

    Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können.

    Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden. Die zwischenzeitliche Verwaltung der Kirche übernimmt der Kardinalkämmerer (Camerlengo) mit drei Kardinal-Assistenten.

    Das Kardinalskollegium bereitet vor allem die Wahl des neuen Papstes vor. Während der Sedisvakanz werden spezielle Münzen und Medaillen geprägt.

    Was sie da nun auf Latein hören, so wird hinterher bekannt, veranlasst sie zunächst zu fassungslosem Schweigen. "Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes", erklärt ihnen Benedikt, werde er "auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri", verzichten. Der Stuhl des heiligen Petrus werde "ab dem 28. Februar 2013 um 20 Uhr ... vakant sein".

    Der letzte Papst-Rücktritt liegt 700 Jahre zurück

    Und dann spricht er Worte, die seit Jahrhunderten kein Pontifex selbst sprechen konnte. Schlichtweg deshalb, weil jeder Papst zu dem Zeitpunkt, wo diese Worte gesprochen werden mussten, schon tot war.

    Es müsse, sagt Benedikt, "von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden". Der letzte und bisher einzige vergleichbare Rücktritt eines Papstes liegt über 700 Jahre zurück. 1294 war das, und die Umstände waren damals auch ganz andere.

    War Kardinal Angelo Sodano eingeweiht?

    Nach Skandalen und in Zeiten der Glaubenskrise braucht die katholische Kirche also ein neues Oberhaupt. Als Erster fasst sich Kardinal Angelo Sodano, der Dekan des Kardinalkollegiums. Er tritt vors Mikrofon. Ein Blitz aus heiterem Himmel sei diese Ankündigung, sagt er. Doch dann hält er eine so geschliffene Rede, dass Vatikan-Beobachter später vermuten, der Dekan habe vielleicht, wie Papstbruder Georg Ratzinger, zu den wenigen Eingeweihten gehört.

    Von Marktl nach München: Papstorte in Bayern

    In Marktl am Inn ist er geboren, in Freising machte er seine ersten wissenschaftlichen Schritte, in München-Freising war er Erzbischof: Papst Benedikt XVI. ist fest verwurzelt in seiner bayerischen Heimat.

    Marktl: In der Stadt am Inn ist Joseph Ratzinger am 16. April 1927 als Sohn des Gendarmeriemeisters Joseph und seiner Frau Maria geboren worden. Nach seiner Wahl zum Papst kommt großer Rummel in Marktl auf, von der Papst-Torte bis zum Papst-Bier sind dort viele Souvenirs zu kaufen. Bei seinem Bayern-Besuch 2006 stattet Benedikt XVI. seiner Taufkirche St. Oswald einen Besuch ab.

    Traunstein: Hier besucht er das Studienseminar St. Michael. Die Familie hat im nahen Hufnagel ein Haus bezogen. Später wird Ratzinger Traunstein als seine Heimatstadt bezeichnen, da die Eltern zuvor oft umgezogen sind. Im Zweiten Weltkrieg wird Ratzinger als Flakhelfer eingezogen und gerät kurzzeitig in US-Gefangenschaft, bleibt aber unverletzt. Nach dem Krieg legt er in Traunstein sein Abitur ab.

    Freising: In der geschichtsträchtigen Domstadt beginnt Ratzinger 1946 ein Theologiestudium. Sein Ziel ist es, Priester zu werden. Schon als Student gilt er als außergewöhnlich begabt. 1951 wird er zusammen mit seinem Bruder Georg zum Priester geweiht. In seiner Promotion geht es um den Kirchenlehrer Augustinus. An der philosophisch-theologischen Hochschule Freising lehrt er von 1957 an Dogmatik, ehe er an die Uni Bonn wechselt.

    Regensburg: 1969 erhält Ratzinger einen Ruf nach Regensburg. An der jungen Universität lehrt er Dogmatik und Dogmengeschichte. Im Vorort Pentling hat lässt er sich ein Haus bauen. Seine Eltern und seine Schwester Maria sind auf dem Pentlinger Friedhof begraben. Sein Bruder Georg, einst Leiter der Regensburger Domspatzen, lebt in Regensburg.

    München: Joseph Ratzinger verbringt einen Teil seines Theologiestudiums in München, später arbeitet er als Kaplan in zwei Pfarreien der Landeshauptstadt. 1977 muss der mittlerweile renommierte Professor den Hörsaal verlassen und auf einem Bischofsstuhl Platz nehmen: Er wird zum Erzbischof von München-Freising ernannt. Fünf Jahre später folgt der Ruf nach Rom, Kardinal Ratzinger wird Präfekt der Glaubenskongregation.

    Sodano erinnert an die Wahl des Kardinals Joseph Ratzinger 2005 zum 266. Petrus-Nachfolger, würdigt kurz einige seiner Verdienste und schließt mit den Worten: "Aber Ihre Mission wird weitergehen. Sie haben uns gesagt, dass Sie uns immer mit

    Selbst die Vatikan-Pressestelle war überrascht

    Außerhalb der Vatikan-Mauern wirkt die Rücktrittsankündigung wie die sprichwörtlich geplatzte Bombe. Niemand, wirklich niemand hat damit gerechnet. Selbst die Presseabteilung des Vatikans vergisst, um zwölf Uhr ihr übliches tägliches Bulletin herauszugeben. Es kommt erst Stunden später, mit der Sensationsmitteilung schwarz auf weiß in Großbuchstaben und übersetzt in acht Sprachen: "Erklärung des Heiligen Vaters Benedikt XVI. zu seinem Verzicht auf das Amt des Bischofs von Rom, Nachfolger des hl. Petrus."

    Vatikansprecher: Papst Benedikt hat keine akute Erkrankung

    Das hat es noch nicht gegeben. Immer mehr am Vatikan akkreditierte Journalisten strömen in den Pressesaal an der Auffahrtstraße zum Petersplatz. Vatikansprecher Federico Lombardi entschließt sich zu einer spontanen Pressekonferenz. Auch er zeigt sich überrascht: "Der Papst hat uns ein wenig überrumpelt."

    Und doch hat er, trotz der Kürze der Zeit, auf viele Fragen eine Antwort. Fazit: Benedikt trete nicht wegen einer "akuten Erkrankung" zurück und er sei auch von niemandem zu diesem Schritt gedrängt worden. Die Rücktrittserklärung entspreche voll dem im überarbeiteten Kirchenrecht von 1983 festgelegtem Canon 332 zum Amtsverzicht eines Papstes aus freien Stücken.

    Kardinal Lehmann: Papst litt auch unter Fehlern in der Kirche

    Ausführlich zitiert Lombardi dann aus einem als Buch erschienenen Interview des bayerischen Papstes mit dem Münchner Autor Peter Seewald. Aus dem gehe hervor, dass große Probleme, ja eine innerkirchliche Krise für Benedikt kein Rücktrittsgrund sein würden. "Hier hat der Papst also gesagt, dass die Schwierigkeiten für ihn absolut kein Grund für einen Rücktritt sind, im Gegenteil, sie sind Grund, nicht zurückzutreten", betont Pater Lombardi noch einmal.

    Es gibt kaum einen hohen Würdenträger an diesem Tag, der dem widerspricht. Nur der Mainzer Kardinal Karl Lehmann macht entsprechende Andeutungen. Benedikt habe nicht nur an seiner abnehmenden gesundheitlichen Kraft, sondern auch an vielen Fehlern in der Kirche von heute gelitten, sagt Lehmann. Er nennt unter anderem den Missbrauchsskandal und "die Verführbarkeit so vieler Mitglieder der Kirche".

    Eine "akute Erkrankung" sei also auch nicht der Grund, sagt Lombardi - allen über Jahre sich haltenden Gerüchten zum Trotz. Viel ist gemunkelt worden über den Gesundheitszustand des Pontifex, über Arthrose, Beschwerden im rechten Knie bis hin zu einem angeblichen Schlaganfall 1991. Bestätigt wurde das alles nie. Offiziell hieß es nur, er sei bei einem Sturz mit seinem Kopf an einen Heizkörper geprallt.

    Benedikt XVI. wirkte körperlich sehr angeschlagen

    Nun fühlt sich der fast 86-Jährige doch körperlich und geistig zu schwach, um weiterzumachen und die drängenden Probleme der Kirche zu lösen. Er selbst spricht von "Unvermögen". Im und rund um den Vatikan wird das von Beobachtern bestätigt, die erst kürzlich mit ihm zu tun hatten.

    Papst Benedikt: Stationen seines Lebens

    Joseph Aloisius Ratzinger wird am 16. April (Karsamstag) des Jahres 1927 in Markl (Oberbayern) geboren.

    Ratzinger wächst mit seinen beiden Geschwistern Georg und Maria in einem religiös geprägten Elternhaus auf.

    Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wird Joseph Ratzinger 1945 als Flakhelfer eingezogen.

    Ratzinger studiert von 1946 bis 1951 Philosophie und Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising und an der Universität München.

    1951 wird Joseph Ratzinger im Freisinger Mariendom zum Priester geweiht. Als Priester leitete er 30 Jahre die Regensburger Domspatzen.

    Ratzinger habilitiert 1957 in München über "Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura". Ab 1959 ist er Professor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.

    1977 beruft Papst Paul VI. Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Er wählt als bischöfliches Motto "Mitarbeiter der Wahrheit".

    Papst Johannes Paul II. betraut ihn 1981 mit der Leitung der Römischen Glaubenskongregation, durch die er sich den Ruf eines Hardliners erwirbt.

    Nach dem Tod des Papstes Johannes Paul II zelebriert Ratzinger 2005 die Totenmesse für den Verstorbenen und leitet das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes.

    Ratzinger wird nach nur 26 Stunden im vierten Wahlgang zum 265. Papst gewählt. Er trägt fortan den Namen Benedikt XVI.

    2013 tritt er nach acht Jahren im Amt freiwillig von seinem Pontifikat zurück - ein bisher einmaliger Vorgang. Benedikt wohnt fortan zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan.

    2020 besucht Ratzinger seinen schwer erkrankten Bruder in Regensburg. Dieser stirbt kurz darauf.

    Albrecht Freiherr von Boeselager vom Malteser-Orden war einer der Letzten, die das Kirchenoberhaupt vor dieser Ankündigung getroffen haben. Er ist ihm am Samstag anlässlich des 900-jährigen Ordensjubiläums im Petersdom begegnet. Von Boeselager sagt unserer Zeitung: "Ich hatte zwei verschiedene Eindrücke. Geistig völlig wach, uns zugewandt und da. Aber körperlich sehr angeschlagen." Er sei in seinen Bewegungen sehr steif gewesen.

    Prälat Markus Graulich: Man dachte, der Pontifex fühle sich dem Tode nahe

    Prälat Markus Graulich, Kirchenrechts-Experte und Richter an der "Rota romana", einem vatikanischen Gericht für Ehe-Annullierungen, hat Benedikt XVI. vor 14 Tagen bei einer Audienz erlebt. Er sagt: "Bei der persönlichen Begegnung wirkte er sehr müde. Aber bei seiner Rede zeigte er keine Schwäche."

    Schon länger hätten er und weitere Vatikan-Mitarbeiter gemutmaßt, dass der Papst dabei war, sein Haus zu bestellen. Auch und gerade personell. Sein Privatsekretär Prälat Georg Gänswein wurde noch im November zum Erzbischof und Präfekten ernannt, auch gab es erst kürzlich Ernennungen neuer Kardinäle. Aber, sagt Graulich, man habe gedacht, der Pontifex handle so, weil er sich dem Tode nahe fühlt.

    Papst sollte Weltjugendtag in Brasilien besuchen

    Bis zuletzt war die Rede davon, Benedikt wolle auf jeden Fall im Juli zum Weltjugendtag nach Brasilien reisen - als Papst. Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner hat noch vor vier Wochen schriftlich angefragt, ob sich Benedikt vorstellen könne, Anfang Juni "den Abschlussgottesdienst zum Eucharistischen Kongress bei uns in Köln zu feiern".

    Der Papst, erzählt Meisner gestern, habe antworten lassen: Warte noch vier Wochen. Meisner sagt weiter: " Ich ahnte nichts. Die Wartezeit war vergangene Woche um, ich fragte bei seinem Sekretär nach, und es hieß: Warte noch eine Woche. Der heutige Tag brachte die Antwort."

    Konklave wird schnell einberufen

    Und wie geht es nun weiter? Prälat Graulich hat sich so seine Gedanken gemacht. Was mit einem emeritierten Papst geschehen werde, dafür gebe es eigentlich keine Handhabe: "Aber der Heilige Vater ist ja noch bis zum 28. Februar im Amt, bis dahin kann er dazu noch ein Motu proprio veröffentlichen" - ein apostolisches Schreiben.

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    Benedikt XVI. ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Von 2005 wird er der zum Papst ernannt und Deutschland jubelt. 2013 tritt er zurück. Das gab es zuvor erst einmal.

    Graulich rechnet nach dem 28. Februar, dem offiziellen Rücktrittsdatum, damit, dass das Konklave relativ schnell einberufen wird: "Es braucht ja nicht erst noch eine Beerdigung organisiert werden." Am Tag nach Beginn der Sedisvakanz, also dem Zeitraum, in dem der Papststuhl nicht besetzt ist, "können die Kardinäle gleich Entscheidungen mit Blick auf die Papstwahl treffen".

    Zu Ostern soll der neue Pontifex gewählt sein

    Dann wird Benedikt sein Appartement im apostolischen Palast verlassen haben. Dieses wird versiegelt - bis der neue Papst gewählt ist. Zu Ostern wird es ihn geben, den künftigen Pontifex, dessen ist man sich rund um den Vatikan sicher.

    Viele gehen davon aus, dass es ein relativ kurzes Konklave von höchstens zwei bis drei Tagen geben wird. Schließlich können die, die den Papst wählen, also alle unter 80-jährigen Kardinäle, schon jetzt Kandidaten-Überlegungen anstellen.

    Ein neuer Deutscher in Rom wird womöglich traurig sein, dann nicht dazuzugehören. Glaubenspräfekt Erzbischof Gerhard Ludwig Müller aus Regensburg wird zwar wohl eines Tages Kardinal. Aber noch ist er es nicht. Eigentlich war damit schon im vergangenen November gerechnet worden. Doch Benedikt, der zu dem Zeitpunkt offenbar schon Rücktrittsabsichten erwog, hat ihn warten lassen. mit dpa und epd

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