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Das verwunschene Kind: Harry Potter 8: Magisch – aber nur für Kenner

Das verwunschene Kind

Harry Potter 8: Magisch – aber nur für Kenner

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    Darauf haben Fans lange gewartet: die deutschsprachige Ausgabe des Buches "Harry Potter und das verwunschene Kind".
    Darauf haben Fans lange gewartet: die deutschsprachige Ausgabe des Buches "Harry Potter und das verwunschene Kind". Foto: Georg Wendt, dpa

    Es zählt zum magischen Wesen der Literatur, dass sie sich nicht mehr kontrollieren lässt, ist sie erst einmal in der Welt. Die Leser nämlich machen dann damit, was ihnen gefällt, schreiben sogar frech einfach weiter.

    Langes Warten auf "Harry Potter 8"

    Dass die Fans von Harry Potter neun Jahre lang auf eine Fortsetzung der Geschichte um den Zauberlehrling haben warten müssen, stimmt deshalb auch nicht ganz. Tausende Seiten von Fanfiction füllen mittlerweile das Netz und haben die magische Welt von Joanne K. Rowling zu einem unüberschaubaren Kosmos aufgebläht, in dem alles möglich ist – selbst eine Liebesbeziehung von

    „Harry Potter und das verwunschene Kind“ heißt das Theaterstück, das die siebenbändige Romanreihe nun um eine achte Geschichte ergänzt. Seit dem Wochenende ist das Buch auch auf Deutsch erhältlich in einer Startauflage von 800 000 Exemplaren. Die englische Version ist bereits seit Wochen auf der Bestsellerliste. Und auch diesmal harrten die treuesten Fans bis um Mitternacht vor den Buchhandlungen aus, um sich die ersten Exemplare zu sichern. Die Magie, sie wirkt also noch immer! Zumindest, was den Kaufreiz betrifft.

    Der neue Potter liest sich anders als die alten Potter-Bände

    Bei diesem Buch aber gilt wie für die Fanfiction: Wo Harry Potter draufsteht, ist nicht immer J.K.Rowling drin. Auf jeden Fall nicht mehr zu hundert Prozent. Den Plot entwarf Rowling gemeinsam mit Bühnenautor Jack Thorne und Regisseur John Tiffany. Thorne schrieb dann das Theaterstück. Er „kam in meine Welt und machte dort wunderschöne Sachen“, schwärmt Rowling in ihrer Widmung für Thorne.

    J.K. Rowling stillt den Hunger der Harry-Potter-Fans.
    J.K. Rowling stillt den Hunger der Harry-Potter-Fans. Foto:  Andy Rain (dpa)

    Wie also schlägt sich der fremde Zauberer an der Seite von Rowling im Potter-Universum? Kann er all das, was die Fans an den Romanen so lieben? Nein. Kann er nicht. Aber dafür anderes. Nämlich die gelungene Transformation der Potter-Story in ein Theaterskript, in dem er die Geschichte ausschließlich mit Dialogen in schnellem Tempo vorwärtstreibt, dafür auf den Detailreichtum der Romane weitgehend verzichtet und sich auf das vorhandene Wissen der Leser verlässt. Er zehrt gewissermaßen von der Magie der Romane. Das Verblüffende dabei: Es funktioniert. Der neue Potter liest sich anders als die alten Potter-Bände – mit weniger Charme, dafür mehr Action, aber ebenfalls mitreißend.

    Die Geschichte, mit der Rowling und Thorne den Potter-Kosmos erweitern, wird dennoch nicht alle Fans glücklich machen. Denn die beiden tun im Grunde das Gleiche wie all die fabulierenden Fans: Sie zeigen auf, was mit Harry, Ron und Hermine hätte passieren können, wenn es das Schicksal nur anders gewollt hätte – ganz nach dem Schema: Was wäre wenn... Dabei bedienen sie sich eines Tricks: Mithilfe eines Zeitumkehrers reist die nächste Generation in die Vergangenheit und pfuscht sozusagen im sakrosankten Original herum. Mit fatalen Folgen für die Gegenwart.

    Die nächste Generation: Das ist Albus Severus Potter, der jüngste Sohn von Harry, und Scorpius Malfoy, Sohn von Draco. Beide leiden unter dem unterschiedlichen Ruhm ihrer Väter. Während Albus an den Großtaten von Harry gemessen wird, aber noch nicht einmal auf dem Besen eine gute Figur abgibt, wird Scorpius von dem üblen Gerücht verfolgt, er sei der Sohn von Lord Voldemort. Das macht ihn in der scheinbar vom Bösen befreiten magischen Welt zum Außenseiter und lässt ihn auf seiner ersten Fahrt nach Hogwarts alleine im Abteil hocken – bis sich ihm schließlich Albus trotz Warnung von Cousine Rose anschließt. So wie einst Ron, Hermine und Harry, so schmiedet auch diese Zugfahrt beide zusammen – zum Unwillen der Väter. Was dann folgt, ist eine Coming-of-Age-Geschichte im Zeitraffer, an deren Ende beinahe die ganze Potter-Saga von den beiden Schülern in Stücke zertrümmert liegt – zur Rettung aber das wohlbekannte Personal eilt.

    "Harry Potter und das verwunschene Kind" und die Magie der Liebe

    Was Rowling und Thorne betreiben, ist im Grund ein Stück wohlüberlegte Entmystifizierung des Werks. Seht her, auch Helden wie Harry werden nicht automatisch Heldenväter. Und aus Hermine hätte bei einer anderen Wendung des Schicksals auch eine übel gelaunte Lehrerin in Hogwarts werden können und aus Ron ein dämlicher Scherzbold. Der Schlusssatz des siebten Romans, er könnte, welch Glück für Fans, auch diese Geschichte beenden: „Alles war gut.“ Dem Rowling’schen Mantra bleibt das neue Stück treu: Dass nämlich die größte Magie nicht in einem Zauberstab steckt (und auch nicht in der Literatur), sondern in der Liebe!

    J.K.Rowling, John Tiffany, Jack Thorne: Harry Potter und das verwunschene Kind. Carlsen, 336 S., 19,99 ¤, Übersetzung: Fritz/ Hansen-Schmidt

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