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Das Phänomen der Schlagersängerin: Helene Fischer gibt Rätsel auf

Das Phänomen der Schlagersängerin

Helene Fischer gibt Rätsel auf

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    Dass Helene Fischer es als herausragende Schlagersängerin schafft, die Generationen vor dem Bildschirm zu versammeln, bezweifeln wir.
    Dass Helene Fischer es als herausragende Schlagersängerin schafft, die Generationen vor dem Bildschirm zu versammeln, bezweifeln wir. Foto: Bodo Marks dpa

    Oma, Opa, Tochter und Enkel schauen sich gemeinsam die DVD eines Helene-Fischer-Konzerts an. Zugegeben, das klingt ungewöhnlich. Wir haben trotzdem Mäuschen gespielt bei dieser fiktiven Familie.

    Opa, 67: Ich schau ja schon lange fern. Aber außer Peter Alexander habe ich noch niemand gesehen, der singt, tanzt und moderiert wie Helene Fischer. Na ja, die schrägen Sketche vermisse ich schon, aber dafür habe ich den Alexander noch nie auf dem Trapez gesehen.

    Oma, 64: Wer braucht Sketche? Helenes Plattenverkäufe gehen weit in die Millionen. Ein Superstar. Die Frau füllt ganze Stadien. Das wird auch im Juni 2015 so sein.

    Tochter, 40: Ein Phänomen. Ich habe Freundinnen, die alle Texte mitsingen können. Man kann es auch übertreiben. Aber wenn ich die Aufzeichnung vom Berliner Waldbühnenkonzert 2013 sehe und die junge Frau in der ersten Reihe, die bei „Let Me Entertain You“ vor Glück heult, wird mir auch ganz anders.

    Opa: Das kenn ich, das ist von Robbie Williams, nicht von der Fischer.

    Enkel, 17: Versteh nur Bahnhof. Blöderweise muss ich checken, was mit der Schlager-Tussi los ist. Unser Deutschlehrer will einen Aufsatz: „Das Faszinosum Helene Fischer – warum spricht jeder von ihr?“ Weiß bloß vom Volksfest, dass da „Atemlos“ von überall her einem die Ohren zugekleistert hat. Wieso braucht es die Frau?

    Opa: Oh je, da muss ich ein paar Anmerkungen machen …

    Oma und Tochter: Bitte nicht, verschon uns!

    Opa: Also, der Schlager mit seinen simplen Melodien und präzisen Texten hat schon immer die Gesellschaft widergespiegelt: sozial, politisch und auch in seinen erotischen, allerdings zeitgebundenen Bezügen.

    Enkel: Hääh?

    Opa: Man denke an frische Skandinavierinnen wie Siw Malmkvist, Dorthe und Wencke Myhre …

    Oma: Ach bitte! Die haben zu Beginn der 60er Jahre die deutschen Mädels aus den Hitparaden verdrängt, weil sie so nett gesungen haben, wie Vivi Bach gesprochen hat. Deine Theorie.

    Opa: Aber die stimmt.

    Enkel: Bitte, was hat das mit der Helene zu tun?

    Tochter: Jetzt muss ich Opa helfen. Das oft parodierte „Atemlos“ lebt nicht nur von dem Rhythmuswechsel, sondern auch von dem Text, der Sinnlichkeit ausstrahlt – „Lust pulsiert auf meiner Haut“ – unglaubliche, fast irrationale Glücksgefühle in einem Popschlagertext. „Wir sind unzertrennlich, irgendwie unsterblich.“ Große Worte. Kommt bei Frauen an, die Frauenzeitschriften lesen.

    Opa: Und das ist auf deinem Mist gewachsen?

    Tochter: Stand heute in unserer Heimatzeitung.

    Enkel: Ich weiß nicht. Unser Lehrer hat uns als Basismaterial Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), der Zeit und der Welt zu lesen gegeben. Die waren noch viel geschwollener.

    Opa: Da bin ich gespannt.

    Enkel: Die Zeit schreibt, Helene Fischer sei eine „Mischung aus puppenhafter Lächelhysterie und anorektischem Zähnezusammenbeißen“.

    Enkel: Was ist anorektisch?

    Opa: Hat wohl mit Magersucht zu tun. Unverschämt. Was hast du noch gelesen?

    Enkel: Der Kritiker der Welt schrieb nach einem Konzertbesuch: „Vielleicht ist das auch die Popmusik, die ich verdient habe.“

    Oma: Nee, die hat er sich nicht verdient. Bin ich dagegen.

    Das ist Helene Fischer

    Helene Fischer wird am 5. August 1984 als zweites Kind des russlanddeutschen Ehepaars Maria und Peter Fischer in Krasnojarsk in Sibirien geboren. Der Vater ist Sportlehrer, die Mutter Ingenieurin.

    1988 wandert sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Wöllstein (Rheinland-Pfalz) aus.

    In Wörrstadt besucht sie die Realschule und nimmt an Theater-AGs und Musicalkursen teil.

    Nach dem Schulabschluss absolviert sie an der Stage & Musical School in Frankfurt am Main eine dreijährige Ausbildung.

    Sie tritt am Staatstheater Darmstadt in der Rocky Horror Show auf sowie im Volkstheater Frankfurt in der Schlagerrevue Fifty-Fifty und dem Musical Anatevka.

    Ihre Fernsehpremiere feiert die Sängerin am 14. Mai 2005 im Ersten im "Hochzeitsfest der Volksmusik".

    Am 3. Februar 2006 erscheint ihr erstes Album "Von hier bis unendlich".

    Weitere Alben von Helene Fischer sind: "So nah wie du" (2007), "Zaubermond" (2008), "So wie ich bin" (2009), "Für einen Tag" (2011), Farbenspiel (2013) und Weihnachten (2015)

    Die Künstlerin hat bereits zahlreiche Preise gewonnen, zum Beispiel den Bambi, die Goldene Kamera und den Romy-Award. Schon mehrmals bekommen hat sie den Echo Pop, die Goldene Henne und und die Krone der Volksmusik.

    Seit Mai 2008 ist Helene Fischer mit dem Schlager-Star Florian Silbereisen liiert.

    Seit 2011 hat sie ihre eigene Fernseh-Show, die "Helene Fischer Show", bei der sie tanzt, singt und moderiert. Die Sendung wird einmal im Jahr an Weihnachten ausgestrahlt.

    2011 steht sie mit ihrem fünften Album "Für einen Tag" erstmals auf Platz 1 der Hitparaden.

    "Atemlos" ist das meistverkaufte Lied des Jahres 2014 in Deutschland.

    Opa: Den FAS-Artikel kenne ich. Da war die Autorin stolz darauf, Helene nicht zu kennen. Ihr war nur Helen Schneider eingefallen. Als sie im Internet Frau Fischer sah, hat sie sofort ausgeschaltet. „Denn das sah nicht gut aus, das sah nach Schlager aus.“ Diese Häme! Viel wichtiger: Wann kommt denn endlich „Atemlos“ auf dieser DVD?

    Oma: Gemach, bald. In einer akustischen und einer Power-Version. Wobei mir der Cheftänzer, Dance Captain, sagt Helene, nicht gefällt. Der fletscht so die Zähne.

    Opa: Wie finden denn deine Freundinnen die Helene?

    Oma: Sonja und Christa, die zwei mit dem Theater-Abo, sagen: Oh Gott, was willst du, die Netrebko und die Fischer spielen doch in ganz verschiedenen Ligen.

    Opa: So wie der FC Bayern und Großaspach.

    Oma: Hallo, Blamage! In Großaspach sitzt doch die Andrea Berg mit ihrem Hotelier auf der Tribüne.

    Tochter: Wenn die Fischer sich weiterhin so anzieht, sieht sie bald aus wie Andrea Berg früher.

    Enkel: Was heißt das?

    Tochter: Ordinärer. Die Leserinnen meines Mode-Blogs geben mir recht. Das goldene Höschen neulich – also meins ist es nicht.

    Oma: Sagt der Guido.

    Tochter: Nein, das sag ich.

    Enkel: Herrschaft, ich habe noch immer nicht begriffen, was es mit der Frau auf sich hat. Ein paar Nerds in der Schule behaupten auch noch, dass die Partnerschaft mit dem Florian Silbereisen so was ist wie das Verhältnis Donald–Daisy. Und der Ziehharmonikaspieler macht ja wirklich keinen männlichen Fan eifersüchtig.

    Tochter: Unsinn, dazu sind sie schon viel zu lange zusammen. Poste das ja nicht! Ich sehe schon Scharen von Anwälten vor mir.

    Opa: Egal, sie ist perfekt. Ihr Leben ist durchgerechnet wie ihre Arbeit. Der ideale Star der Merkel-Jahre. Übrigens, im Hosenanzug sieht sie am besten aus.

    Enkel: Die Merkel?

    Tochter: Ja, die auch. Helene spricht die Mitte der Gesellschaft an, was inzwischen in Deutschland als suspekt gilt. Mir fällt da die Currywurst mit Pommes ein. Findet jeder ernährungstechnisch eklig, ist aber der Hit in den Kantinen dieses Landes. Steht heute in der Zeitung.

    Oma: Ich mach mir trotzdem Sorgen. All die biederen Werbespots für Kräuterbutter und Haarpflegemittel! Neue Songs lassen dagegen auf sich warten. Womöglich hat Helene ihren Zenit überschritten.

    Opa: Nein, jetzt ist ihre Zeit. Aber für ein neues „Atemlos“ braucht es wirklich einen langen Atem.

    Aufgezeichnet von Rupert Huber

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