„Mephistopheles!“, ruft Barnabas Collins (Johnny Depp) aus, als er das Firmenlogo von McDonald’s erblickt. Denn in der Welt, aus der er kommt, gilt das geschwungene „M“ als Zeichen des Satans. 196 Jahre lag der Vampir lebendig begraben unter der Erde und muss sich nun im Amerika der 1970er Jahre zurechtfinden.
Aber der prunkvolle Collins-Familiensitz ist heruntergekommen und seine Bewohner machen einen nicht weniger desolaten Eindruck. Nur mühsam hält Elizabeth (Michelle Pfeiffer) den Clan zusammen. Ihre Tochter Carolyn (Chloë Grace Moretz) pubertiert als Kind der 70er gewaltig vor sich hin. Bruder Roger (Jonny Lee Miller) scharwenzelt ambitionslos durchs Leben und sein Sohn David (Gully McGrath) ist durch den Tod seiner Mutter so schwer traumatisiert, dass er von der Psychiaterin Julia Hoffman (Helena Bonham Carter) rund um die Uhr betreut werden muss.
Dark Shadows - „Mephistopheles!“
Frisch hinzugestoßen zur illustren Gesellschaft ist die junge Gouvernante Victoria (Bella Heathcote), die den zurückgekehrten Barnabas auf frappierende Weise an seine frühere Geliebte erinnert, welche sich seinerzeit von den Klippen in den Tod stürzte. Der Grund dafür war ein Fluch, der auf der Familie lastet, seit Barnabas der schwer verliebten Angelique (Eva Green) das Herz gebrochen hatte. Im Zuge der schmerzhaften Trennung erwies sich die ehemalige Geliebte als ebenso kompetente wie rachsüchtige Hexe, die auch heute noch dem Collins-Clan das Leben schwer macht.
Respekt, Ideen, Ironie: Die Mischung macht’s
Basierend auf der gleichnamigen US-Fernsehserie, die es von 1966 bis 1971 auf über 1200 Folgen brachte, entwirft Tim Burton mit „Dark Shadows“ eine wunderbar skurrile Vampirkomödie. Der Kultregisseur erweist sich erneut als echter Genreliebhaber, der sich mit der richtigen Mischung aus Respekt, Ironie und überbordendem Ideenreichtum dem Vampirfilm widmet. Dabei bewährt sich die Konfrontation zwischen dem altmodischen Helden aus dem 18. Jahrhundert und der aus den Fugen geratenden Kultur der wilden 70er als äußerst tragfähiges Komödienkonzept.
Vor dem Hintergrund der verlotterten Flower-Power-Welt kommt Johnny Depp als distinguierter Edelmann besonders gut zur Geltung, auch wenn er sich gelegentlich die Show von Eva Green als wahrhaft betörender Hexe stehlen lassen muss. In höchst lasziver Trikotage wirft sich Green mit Verve in die Rolle der Magierin, die mit den Waffen und der Wut einer verschmähten Frau um das Herz ihres ehemaligen Geliebten kämpft. Dieses Verlangen mündet in die wohl stürmischste Beischlafszene der Filmgeschichte, in der Vampir und Hexe auf leidenschaftliche Weise ihre übernatürlichen Kräfte messen.
Johnny Depp und Tim Burton - kann ja fast nur gut sein
Genussvoll spielt Burton diese Szene aus, und an der Art, wie er dies tut, erkennt man das, was diesen Film und den Großteil seiner Werke auszeichnet: eine unbändige Lust am Kino, die sich immer zuerst an der Ausschöpfung der eigenen Kreativität und nicht an der kalkulierten Befriedigung vermeintlicher Publikumsbedürfnisse orientiert. Von den hübsch verschnörkelten Dialogen und dem pointierten Humor über die traumhafte Besetzung bis hin zur liebevollen visuellen Gestaltung weht hier ein Geist puren cineastischen Vergnügens, von dem man sich als Zuschauer nur zu gern mitreißen lässt. ****