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Coronavirus: Blumen zur Entlassung: Geheilte Patienten verlassen Klinik in China

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Blumen zur Entlassung: Geheilte Patienten verlassen Klinik in China

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    In China dürften die ersten Patienten, die vom Coronavirus genesen sind, die Krankenhäuser verlassen.
    In China dürften die ersten Patienten, die vom Coronavirus genesen sind, die Krankenhäuser verlassen. Foto: Liu Xiao, Xinhua, dpa

    Feuchtkühler Wind fegt durch den Innenhof des renommierten Youan-Krankenhaus in Peking. Ein Mann mit Ganzkörper-Schutzanzug besprüht den asphaltierten Parkplatz zwischen den vierstöckigen Funktionsbauten mit Desinfektionsmittel aus einem Rucksack-Behälter. Im Gegensatz zu sämtlichen Wohnanlagen, U-Bahnhöfen oder Einkaufszentren wird der Weg ins Krankenhaus nicht von Wachmännern versperrt, die Körpertemperaturen messen und Personalien aufnehmen. So paradox es klingt: Die Klinik vermittelt mehr Normalität als die geschlossenen Lokale und Bürogebäude in Chinas Hauptstadt.

    Die Volksrepublik braucht eine Erfolgsmeldung im Kampf gegen das Coronavirus

    Aus dem Hauptgebäude tritt ein junges Paar auf die wartenden Journalisten zu, die Frau trägt einen Bub im Leopardenanzug auf dem Arm. Mitarbeiter der Regierung begrüßen die Familie mit einem Blumenstrauß. Herr Liu und Frau Li werden heute aus der Klinik entlassen, der Presse sollen sie an diesem Tag von ihrer Genesung erzählen. Arrangiert wurde das Interview, wie in so sensiblen Fällen in China üblich, vom staatlichen Informationsbüro.

    Die Transparenz ist kein Zufall: Händeringend braucht die Volksrepublik eine Erfolgsmeldung beim Kampf gegen das Coronavirus. Denn die Zahl der Menschen, die sich an der Lungenkrankheit Covid-19 infiziert haben, steigt und steigt. Bestätigt sind aktuell mehr als 70.000 Fälle in China, 1770 Menschen sind gestorben. 

    Am Samstag wurde das erste Todesopfer in Europa gemeldet – ein 80-jähriger Tourist aus China, der in einer Klinik in Frankreich behandelt wurde. Unterdessen hat sich die Lage in Deutschland entspannt: In Bayern sind weitere Coronavirus-Patienten aus der Klinik entlassen worden, im pfälzischen Germersheim endete am Sonntag die Quarantäne für über 100 China-Rückkehrer.

    Staatliches Informationsbüro arrangiert Interview mit geheilten Patienten

    In Peking wiederum hoffte die Regierung noch vor kurzem, dass die Zahl der Neuinfektion sinkt. Präsident Xi Jinping traute sich nach einer ungewöhnlich langen Abstinenz wieder in die Öffentlichkeit: Fotos der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zeigten ihn winkend beim Besuch eines Krankenhauses.

    Am Donnerstag dann explodierte die Zahl der Neuinfektionen wie nie zuvor. Dies ging zwar auf eine veränderte Zählweise der Behörden zurück, dennoch machte es die Hoffnung zunichte, dass man das Virus unter Kontrolle bekommen könnte. „Dies ist ein Kampf gegen Leben und Gesundheit unserer Bevölkerung und der ganzen Welt“, heißt es in einem Schreiben des Informationsbüros der Pekinger Stadtregierung.

    Der nun geheilte Herr Liu, 29, Büroangestellter in der IT-Industrie, erzählt von seiner Infektionsgeschichte: Ende Januar haben ihn die Eltern, die wie er aus der schwer betroffenen Provinz Hubei stammen, zum chinesischen Neujahrsfest besucht. Beim Umsteigen in Wuhan müssen sie sich infiziert haben. Wenig später hatte sich bereits die gesamte Familie angesteckt: seine Frau und der einjährige Sohn.

    Es ist ein ungewöhnliches Interview an einem ungewöhnlichen Ort: Aus Sicherheitsgründen findet das Gespräch trotz der Minusgrade im Freien statt, schließlich bestünde bei geschlossenen Räumen erhöhte Ansteckungsgefahr. Selbstverständlich nimmt Herr Liu zu keinem Zeitpunkt seine Atemschutzmaske ab, die Brillengläser beschlagen, wenn der junge Mann spricht.

    Coronavirus: Mit über 1600 Fällen haben sich auffallend viele Ärzte und Pflegekräfte infiziert

    „Am Anfang hatte ich schon ein bisschen Angst“, ergänzt Frau Li. „Doch im Krankenhaus wurden wir von Anfang an gut behandelt. Wir konnten als Familie weiterhin zusammenbleiben, hatten eine gemeinsame Dusche und Toilette. Es war ein bisschen wie im Hotel.“ Die Symptome seien bei ihr und ihrem Kind kaum merkbar ausgeprägt gewesen. Nur ihr Ehemann habe Fieber und Husten gehabt, doch nach vier Tagen habe sich auch das gelegt. „Das Virus war nicht so stark, wie wir gedacht haben. Wer infiziert ist, sollte auf sein Land vertrauen und auf die behandelnden Ärzte“, sagt Herr Liu.

    Solche Aussagen mögen nach Propaganda klingen, schließlich könnten sie entfernter nicht sein von den Hiobsbotschaften, die die Weltöffentlichkeit aus Wuhan erreichen: Ein Bürgerjournalist filmte dort nicht nur hoffnungslos überfüllte Krankenhäuser, sondern auch Leichensäcke auf den Gängen. Ebenfalls ungewöhnlich wie auch tragisch bei einer solchen Virusepidemie: Mit über 1600 Fällen haben sich auffallend viele Ärzte und Pflegekräfte infiziert. Dies ist auch auf die immense Arbeitslast der chinesischen Mediziner zurückzuführen.

    Die Ärztin Xu Bin vom Youan-Krankenhaus ist eine von mehreren Medizinern, die die insgesamt 20 Infizierten vor Ort behandelt. In ganz Peking sind derzeit rund 380 Ansteckungen bekannt. Die Behandlung beschränkt sich laut Ärztin Xu auf traditionelle chinesische Medizin für die leichten Fälle, Antibiotika und künstliche Beatmung für die schwereren. Bislang seien nur Senioren über 80 Jahren an dem Virus im Youan Krankenhaus gestorben.

    Kurz bevor die Familie in die Freiheit entlassen wird, möchte Herr Liu noch ein Wort loswerden: Man solle sich nicht vor dem Virus fürchten, aber sofort in medizinische Behandlung begeben, sagt er. Angst vor einer Neuansteckung habe er nicht, doch in den nächsten Tagen werde die Familie erst einmal nur zu Hause bleiben. (mit dpa)

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