Wer sagt, das Wort des Jahres müsse langweilig sein? 2005 wurde „Bundeskanzlerin“ gekürt. Wahnsinn. Manche haben heute noch Gänsehaut. 2014 wurde die „Lichtgrenze“ auf den Olymp der Sprache gehievt. Was war das noch mal? Irgendwas mit Installation, Mauer und Berlin.
Nun also, Gewinner 2020: „Corona-Pandemie“. Das ist ungefähr so überraschend wie eine Meisterschaft des FC Bayern, eine Sünde im Beichtstuhl oder Schnee auf der Zugspitze. Sprachlich ist dieses doppelt gemoppelte Bindestrich-Siegerwort eine einzige Enttäuschung. Einfallsloser wäre höchstens noch „Robert-Koch-Institut“ gewesen, mit dem wir ebenfalls jeden Morgen aufwachen. Dass die Gesellschaft für deutsche Sprache (GsdS) an Corona ebenso wenig vorbeikommen wird wie die deutsche Gesellschaft insgesamt, war klar. Unser Reden und Denken kreist schließlich seit Monaten um dieses hohe C. Aber unter allen Vorschlägen ausgerechnet den üblichsten Verdächtigen zu wählen, ist arm. Nur auf Platz sechs landet „systemrelevant“.
Corona-Pandemie ist ein Begriff ohne Widerhaken und ohne sprachschöpferischen Eigenwert. Ungefähr so kreativ wie Nachbesteuerung oder Hinterradantrieb. Dabei hätte es im Umfeld von Corona, das ja durchaus Wortfindungs-Superspreader war und ist in diesem Jahr, eine ganze Reihe würdiger Kandidaten gegeben. „Selbstquarantäne“ und „Kontaktnachverfolgung“ zum Beispiel. Oder das „Beherbergungsverbot“. Auch „triftig“ und „Infektionsgeschehen“ hätten sich gut auf dem Wort-Thron gemacht. Nicht zu reden von der „Maskenpflicht“ und dem Wörtertrio mit Gummizug, dem „Mund-Nasen-Schutz“.
Mit der Wahl des Überbegriffs Corona-Pandemie hat es sich die GsdS zu leicht gemacht. Man hat Kuchen gekürt statt „Schwedische Apfel-Sahne-Torte“ oder „Dreierlei-Schoki-Zupfkuchen“. Ach ja: Platz 5 belegt – nein, nicht RKI, sondern AHA. Da kam selbst das Wort des Jahres 2005, also Angela Merkel, dieser Tage auf der Pressekonferenz ins Stottern. Abstand und Alltagsmaske – aber wofür steht noch mal dieses H in der Abkürzung? Hilfspaket? Hygiene! Weiß noch wer den dritten Platz 2009? Es war „Schweinegrippe“. Aha.
Auch das "Unwort des Jahres 2020" dreht sich um die Corona-Pandemie
Zusätzlich zum "Wort des Jahres" gibt es auch in diesem Jahr wieder das "Unwort des Jahres". Das "Unwort des Jahres" soll am 12. Januar 2021 bekanntgegeben werden. Im Fokus steht diesmal auch hier die Corona-Pandemie in allen Facetten. Vorschläge können noch bis Ende Dezember an vorschlaege@unwortdesjahres.net eingeschickt werden. Die Aktion will auf unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen. (mit dpa)
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