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Corona-Pandemie: Wir befinden uns auf direktem Weg in den nächsten Lockdown

Corona-Pandemie

Wir befinden uns auf direktem Weg in den nächsten Lockdown

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    Als ob es Corona nicht gäbe: Nach wie vor sind Bars, Straßen und Strände der katalanischen Metropole Barcelona überaus gut besucht, von Einheimischen und Touristen.
    Als ob es Corona nicht gäbe: Nach wie vor sind Bars, Straßen und Strände der katalanischen Metropole Barcelona überaus gut besucht, von Einheimischen und Touristen.

    Bis zu 40 Grad Celsius messen die Thermometer in diesen Tagen auf der Iberischen Halbinsel. Millionen Spanier suchen Abkühlung, fahren ans Meer. Einige Strände mussten bereits wegen Überfüllung gesperrt werden. Sicherheitsabstand? Nicht so wichtig. Masken? Auch nicht. Und so breitete sich eine Sorglosigkeit aus an Playas und auf Fiestas, die gravierende Folgen für das Urlaubsland hat. Denn mit der

    Nicht überall im Land, noch nicht. Doch schon sind sie da, die Befürchtungen, und zwar in ganz Europa: Wird Spanien erneut zur Corona-Risikozone? Rollt jetzt die gefürchtete zweite Pandemie-Welle an – und schwappt von

    In den vergangenen Monaten scheint sich vielerorts ein Wir-schaffen-das-Gefühl eingestellt zu haben. Wir kommen mit der Pandemie schon klar! Wie trügerisch es ist, zeigt ein kurzer Blick auf die Nachrichten vom Mittwoch.

    Steigende Neuinfektionen: Besorgniserregende Nachrichten aus aller Welt

    Rekord an Corona-Neuinfektionen in Israel. Deutlicher Anstieg der Corona-Infektionen in der Schweiz. Philippinen trotz steigender Zahlen mit neuen Corona-Lockerungen. Irans Ärztekammer warnt vor Mangel an Pflegepersonal. Erstmals mehr als 1000 Corona-Neuinfektionen in Japan. Corona-Krise: EU-Einreiseverbot wird auf Algerien ausgeweitet. Alles Meldungen der Deutschen Presse-Agentur, zwischen 12.14 Uhr und 15.05 Uhr.

    Die Pandemie ist nicht im Griff, im Gegenteil. Im Nachbarland von Deutschland, Belgien, wirken die Innenstädte wie leer gefegt. Ein Déjà-vu. Am Mittwoch traten dort drastische Beschränkungen in Kraft, weil die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus regelrecht in die Höhe geschossen war: In der ersten Juli-Hälfte registrierten die Behörden 28 neue Ansteckungen je 100.000 Einwohner am Tag. In der vergangenen Woche waren es plötzlich durchschnittlich 311, am 22. Juli sogar 544.

    Zwei Passagiere in Schutzanzügen schieben ihr Gepäck am Flughafen Brüssel zum Check-In.
    Zwei Passagiere in Schutzanzügen schieben ihr Gepäck am Flughafen Brüssel zum Check-In. Foto: Francisco Seco, AP, dpa

    Die erst vor wenigen Wochen wiedergewonnene Freiheit hat damit ein abruptes Ende gefunden: Einkäufe dürfen nur noch allein durchgeführt werden und sollen innerhalb von 30 Minuten erledigt sein. Zudem ordnete die Regierung Homeoffice an, soweit dies möglich ist. Die Zahl der Personen, die jeder treffen darf, wurde von 15 auf fünf herabgesetzt.

    Die Gefahr, dass sich das Coronavirus in den nächsten Wochen massiv ausbreitet, ist hoch. Zumal Urlaubszeit ist und die Menschen verreisen. Auch nach Spanien.

    Immer mehr europäische Länder raten von Reisen in Teile Spaniens ab

    Immer mehr europäische Länder raten daher vom Besuch der Iberischen Halbinsel ab. Die vorerst letzte Hiobsbotschaft für das Touristenziel und Urlauber, die noch dorthin wollen, kam vom Auswärtigen Amt. Das verschärfte seine Reisehinweise und empfahl, besser auf einen Urlaub in den nördlichen Regionen Spaniens zu verzichten: „Von nicht notwendigen, touristischen Reisen in die autonomen Gemeinschaften Aragón, Katalonien und Navarra wird derzeit aufgrund erneut hoher Infektionszahlen und örtlichen Absperrungen abgeraten.“ Eine formelle Reisewarnung ist das nicht. Und nur in diesem Fall hätten Urlauber in der Regel das Recht, kostenfrei zu stornieren. Unmissverständlich ist der Hinweis trotzdem.

    Zuvor hatten bereits Großbritannien, Irland, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Norwegen ihre Bürger aufgefordert, momentan nicht nach Katalonien zu fahren. Österreich warnt generell vor Spanien-Urlaub. Großbritannien verhängte gar einen Quarantänezwang für alle Spanien-Rückkehrer, der zehntausende britische Touristen auf Mallorca und an der spanischen Festlandküste kalt erwischte.

    Gibt es zusätzlich zur Coronawelle eine Stornierungswelle in Spanien?

    Für Spanien ist das eine Katastrophe, eine für die Gesundheit seiner Bewohner, und eine für seine Wirtschaft. Die Reisehinweise dürften eine Stornierungswelle von Hotelzimmern, Ferienhäusern und Flugreisen nach sich ziehen. „Ein neuer Keulenschlag“, schreibt die Zeitung La Vanguardia, das einflussreichste Blatt Kataloniens.

    Die Mittelmeerregion ist noch vor Mallorca und den Kanarischen Inseln das meistbesuchte Ferienziel auf der Iberischen Halbinsel. Deutsche, Briten und Franzosen machten im Jahr 2019 fast die Hälfte der 19 Millionen internationalen Touristen aus. Zahlen, die in diesem Jahr nicht mehr zu erreichen sein werden.

    Trotz Abstandregeln und Maskenpflicht: In Barcelona ist die Lage außer Kontrolle

    Aktueller Corona-Brennpunkt in Katalonien ist Barcelona mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern. Täglich werden nahezu 1000 neue Infektionen allein aus dieser Region gemeldet. Die Behörden räumen ein, dass die Lage außer Kontrolle geraten ist. Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra spricht davon, dass wieder harte Ausgangsbeschränkungen drohen – wie auf dem Höhepunkt der ersten Pandemie-Welle. Er forderte die Bevölkerung im Großraum

    Auch im Rest Spaniens sind Politiker alarmiert, auch im Rest Spaniens zittert die Tourismusbranche. María Frontera zum Beispiel, die Präsidentin des mallorquinischen Hotelverbandes, beklagt eine „Kette von Urlaubsabsagen“. Besonders die von Großbritannien verhängte Quarantänepflicht habe den Inseltourismus schwer getroffen.

    Wie ernst die Situation ist, haben gleichwohl viele nicht begriffen. „An diesem Morgen habe ich meinen Hund Gassi geführt und bin dann in der Nähe einkaufen gegangen“, empörte sich kürzlich Frederic Lloret, ein Mann, der in Barcelona wohnt. „Auf dem Weg von nicht einmal 300 Metern habe ich rund 50 Leute gesehen, die gegen die Maskenpflicht verstoßen haben.“ Nur ein Beispiel von ungezählten.

    Gehen Gesundheitsbehörden nicht rigoros genug gegen die Corona-Rückfälle vor?

    Und so ist ein Streit entbrannt über das Thema Verantwortung. Über Verantwortungsbewusstsein, Verantwortungslosigkeit, Verantwortlichkeiten. María Frontera vom Hotelverband Mallorcas wirft den Gesundheitsbehörden vor, nicht rigoros genug gegen die Corona-Rückfälle im nördlichen Spanien vorzugehen. Das schade dem Image des gesamten Landes. Und erst recht natürlich der Ferieninsel Mallorca, wo es vergleichsweise wenige Infektionen gebe.

    Hat Spanien denn seine Lektion aus der ersten verheerenden Pandemie-Welle, die von März bis Mai im Land wütete, nicht gelernt?

    Damals war das Land völlig unvorbereitet in eine Katastrophe geschlittert und wurde zu einem der am schlimmsten betroffenen Staaten Europas mit zehntausenden Covid-19-Toten. Bilder überfüllter Intensivstationen gingen um die Welt. Experten mahnen nun wieder, das spanische Gesundheitssystem sei nicht ausreichend vorbereitet – dieses Mal auf einen Rückfall. Zwar scheinen die Krankenhäuser mittlerweile besser gerüstet. Dafür gibt es, wie der Epidemie-Forscher Álex Arenas vorrechnet, nicht genug Spezialisten, die die Kontakte der Infizierten nachverfolgen und so die Ausbreitung des Coronavirus bremsen könnten. Das sogenannte Contact-Tracing gilt aber als entscheidend für die Eindämmung der Pandemie. Eine seit langem angekündigte Corona-Tracing-App ist immer noch nicht funktionsfähig.

    Experten warnen vor zweiter Corona-Welle in Spanien

    Angesichts dessen mag die spanische Regierung versichern: „Wir sind ein sicheres Reiseland.“ Ausschließen, dass die derzeitige Viruswelle aus dem Norden weiter Richtung Süden in andere Landesteile Spaniens rollt, kann sie nicht: Die Ansteckungszahlen gehen landesweit nach oben.

    Der Blick auf die Statistiken ist beunruhigend. Die Zahl der Neuinfektionen liegt in Katalonien und den ebenfalls betroffenen Nachbarregionen weit über jener kritischen Marke von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner, die in Europa als Risiko-Schwellenwert und somit allgemein als Auslöser von Reisehinweisen gilt. Nach Angaben des spanischen Gesundheitsministeriums wurden in Katalonien in den vergangenen sieben Tagen 71 Fälle pro 100.000 Einwohner registriert. In Aragón und Navarra liegt der Wert mit 200,0 und 87,1 noch höher.

    Diese Werte heben auch Spaniens landesweite Sieben-Tage-Fallzahl, die mit 27,9 die höchste aller südeuropäischen Urlaubsländer ist. Für ganz Spanien wurden in diesem Zeitraum 13116 Neuinfektionen gemeldet. Und doch sind die regionalen Unterschiede groß: Auf den Balearen, zu denen Mallorca gehört, liegt der Wert bei 6,7 auf den Kanaren bei 2,7. Womit auf den beliebten spanischen Ferieninseln das Ansteckungsrisiko nicht wesentlich höher ist als in Deutschland.

    Mehr Neuinfektionen: Belgien verschärft die Corona-Maßnahmen

    Wohin die große Sorglosigkeit führen kann, zeigt Barcelona. Nach wie vor sind Strände, Bars und Straßen der katalanischen Metropole überaus gut von Einheimischen und vor allem von spanischen Touristen besucht. Als ob es Corona nicht gäbe. Anders in Belgien. Im flämischen Antwerpen sowie einigen Badeorten, darunter Oostende, müssen Kneipen und Restaurants jetzt um 23 Uhr schließen – bis sechs Uhr morgens gilt eine strikte Ausgangssperre.

    Reisende sind dazu verpflichtet, in einem Formular anzugeben, woher sie kommen und wohin sie fahren. Inklusive aller persönlichen Daten. Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever nennt das einen „Lockdown light“. Es soll beruhigend klingen. Die Realität steht dem entgegen. Marc Van Ranst, Chef-Virologe der Universität Löwen, wählte am Dienstag drastische Worte, als er einen Appell an Besucher aus dem Ausland formulierte: „Geht nicht nach Antwerpen. Antwerpen ist eine rote Zone.“

    Warum gibt es in Belgien überhaupt eine zweite Corona-Welle?

    Über die Gründe für diese zweite Welle in Belgien wird noch spekuliert. Politiker De Wever führt die explosionsartig gestiegenen Zahlen auf private Feste wie Hochzeiten und Geburtstagsfeiern im großen Kreis zurück, aber eben auch auf den starken Besuch von Shisha-Bars und Fitness-Studios.

    Tatsächlich hielten sich die Bürger kaum noch an die Abstandsregeln und die Maskenpflicht. Sie fuhren Bahn und Bus, ohne sich und andere zu schützen. Sie gingen in Restaurants, ohne dass deren Besitzer sie dazu angehalten hätten, Mund und Nase abzudecken. Ihre Kontaktdaten hinterließen zahlreiche Restaurant-Gäste ebenfalls nicht. Vieles erinnert an Spanien. Ähnlich wie in Spanien mangelt es auch in Belgien an Testkapazitäten. Eine funktionierende Corona-Tracing-App? Gibt es nicht.

    Überaus nervös blicken daher die Nachbarländer auf Belgien – vor allem die Niederlande. Denn auch dort gibt es, wie es von Regierungsseite heißt, „sträflichen Leichtsinn“. Ein Beispiel von vielen: An Wochenenden drängen sich Hunderttausende ohne Maske und Sicherheitsabstand in Amsterdam. Bürgermeisterin Femke Halsema appellierte an potenzielle Besucher: „Alsjeblieft, kom even niet!“ Kommen Sie bitte nicht! Die Furcht vor einem Lockdown ist groß – man steuert direkt auf ihn zu.

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