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Corona-Krise: Lockdown-Frust: Wie lange halten wir noch durch?

Corona-Krise

Lockdown-Frust: Wie lange halten wir noch durch?

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    Der harte Lockdown wird wohl noch einmal verschärft werden.
    Der harte Lockdown wird wohl noch einmal verschärft werden. Foto: Tanja Ferrari (Symbolbild)

    Es dauert ziemlich lang, bis man in der Corona-Chronologie des Bundesgesundheitsministeriums unten angekommen ist. Wie in einem Tagebuch haben die Ministeriumsmitarbeiter darin Maßnahmen aufgelistet, die im Kampf gegen die Pandemie ergriffen wurden. Am 2. März 2020 notierten sie beispielsweise den Rat eines Hygiene-Experten, zurzeit lieber auf das Händeschütteln zu verzichten. Händeschütteln? Ein Relikt aus einer fernen Zeit.

    12 Monate lang lebt die Welt nun schon mit einer Pandemie, die das soziale Wesen Mensch dazu zwingt, sich zu isolieren. Manch einer mag die Auswirkungen dieses epochalen Ereignisses schon an sich selbst bemerkt haben: Das Nervenkostüm wird flattriger, die Geduld lässt nach, dafür nimmt die innere Unruhe zu. Wie lange geht das noch gut?

    Wie es um das Seelenleben der Deutschen während der Pandemie steht, untersuchen Wissenschaftler der Universität Erfurt. Sie erheben regelmäßig Daten, um die psychologische Lage der Bevölkerung nachzuzeichnen. „Covid-19 Snapshot Monitoring“, kurz Cosmo, nennt sich das Projekt, an dem unter anderem das Robert Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mitarbeiten.

    Corona-Maßnahmen: Zwei Drittel finden die Beschränkungen nicht übertrieben

    In ihren Untersuchungen wollen die Forscher zum Beispiel wissen, ob die Befragten die Corona-Maßnahmen für angemessen halten. Im Verlauf der Pandemie hat sich dabei – mit wenigen Ausreißern – ein Anteil von 20-25 Prozent in der Bevölkerung herauskristallisiert, der die Maßnahmen übertrieben findet.

    Diesen Anteil hat auch der seit Dezember verhängte harte Lockdown nicht anwachsen lassen. In der aktuellen Befragung vom 8. Januar gaben 22 Prozent an, die Corona-Maßnahmen seien übertrieben. Demgegenüber stehen zwei Drittel der Teilnehmer, die anderer Meinung sind und die Maßnahmen nicht übertrieben finden. 12 Prozent äußern sich neutral.

    Insgesamt, so schlussfolgern die Wissenschaftler des Cosmo-Projekts, entstehe der Eindruck, dass die Akzeptanz der Maßnahmen mit dem Infektionsgeschehen variiere. Je höher die Infektionszahlen, desto eher sind Menschen bereit, Einschränkungen zu akzeptieren. Als im Dezember die Zahl der Neuinfektionen in die Höhe schoss, stieg auch das Einverständnis mit den härteren Beschränkungen. Mittlerweile verlieren Maßnahmen wie das Schließen von Schulen und Kitas oder Ausgangsbeschränkungen jedoch an Rückhalt in der Bevölkerung.

    Dass die Stimmung kippt, lässt sich aber nicht belegen. Im Gegenteil: In einer Umfrage von Infratest Dimap für den ARD-Deutschlandtrend forderten 32 Prozent der Befragten sogar, die Maßnahmen nach dem 10. Januar zu verschärfen, 47 Prozent wollten sie beibehalten und 18 Prozent sprachen sich für Lockerungen aus.

    Weite Teile der Bevölkerung stehen also hinter den Einschränkungen. Wenn in naher Zukunft aber Lockdown auf Lockdown folgt, könnte eine andere Zahl Besorgnis auslösen. Laut dem Corona-Monitor empfinden mittlerweile nämlich 53 Prozent der Befragten ihre persönliche Situation als belastend, Mitte Dezember waren es sogar 55 Prozent. Auch die Telefonseelsorge vermeldet eine gestiegene Anzahl an Anrufen seit Beginn des zweiten Lockdowns. Die Anrufer berichteten von Ängsten, Einsamkeit und depressiven Stimmungen.

    Corona und die Psyche: Einzelne Gruppen sind besonders stark betroffen

    Jutta Mata überrascht das nicht. Sie ist Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Mannheim und hat bereits die Auswirkungen des ersten Lockdowns auf die mentale Gesundheit erforscht. „Die aktuelle Situation bedeutet Stress für die Menschen", erklärt Mata. Der könne zum Beispiel durch Einsamkeit ausgelöst werden, durch die Angst, sich zu infizieren oder die Arbeitsstelle zu verlieren.

    „Wir sind aber keine Gesellschaft voller Einsamkeit“, stellt die Expertin klar. Vielmehr wirke sich die Corona-Krise auf die mentale Gesundheit einzelner Bevölkerungsgruppen unterschiedlich stark aus. Unter Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Beschäftigten in Kurzarbeit käme es öfter zu Angst, Depression oder Einsamkeit. Auffällig sei auch der Unterschied zwischen den Geschlechtern. „Frauen sind besonders stark betroffen, weil sie oft größere Anteile der Kinderbetreuung übernehmen und öfter in Branchen wie der Pflege, der Gastronomie oder dem Einzelhandel arbeiten, die die Krise vergleichsweise hart getroffen hat“, erklärt die Expertin.

    Anhand der Daten des Cosmo-Projekts lässt sich auch ein Altersunterschied in der persönlichen Belastung feststellen. 58 Prozent der Unter-30-Jährigen gaben in der aktuellen Befragung an, ihre persönliche Situation derzeit als belastend zu empfinden. Bei den Älteren sind es hingegen 52 Prozent.

    Die Politik steht an dieser Stelle vor einem Dilemma: Menschen fühlen sich einsam, weil sie niemanden treffen können. Das genau ist aber Sinn der Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus' zu verhindern. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, zweifelt nicht an der Notwendigkeit des derzeitigen Lockdowns. Gleichzeitig fordert die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aber insbesondere, das Thema Einsamkeit stärker in den Blick zu nehmen. Für kurze Zeit einsam zu sein, sei noch verkraftbar, „aber auf Dauer kann das krank machen – körperlich und seelisch. Und wir müssen uns auch darauf einstellen, noch eine Weile in diesem Zustand weiterzumachen." Gerade deshalb sei es aber dringend geboten, Maßnahmen für die psychische Gesundheit zu ergreifen, findet Kappert-Gonther.

    Grünen-Abgeordnete fordert mehr Schnelltests

    Aber wie kann das gelingen, ohne gleichzeitig die Infektionszahlen in die Höhe zu treiben? „Zuerst ist es wichtig, mehr über das Thema seelische Gesundheit zu sprechen. Es hilft, wenn Betroffene wissen, dass sie nicht alleine sind, weil es anderen genauso geht“, sagt Kappert-Gonther. Gleichzeitig müsse der Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten erleichtert werden.

    Außerdem schlägt die Grünen-Politikerin vor, noch mehr Schnelltests in der Fläche einzusetzen und auch Laien den Umgang mit den Tests zu ermöglichen. So könnten in Krankenhäusern und Pflegeheimen wieder mehr Besuche stattfinden. Mittelfristig sei das auch ein Rezept, um Einrichtungen wie Theater oder sogar Clubs wieder zu öffnen und so vor allem jungen Menschen wieder sichere Treffpunkte anzubieten. „Diese Begegnungsräume werden in ihrer Bedeutung unterschätzt“, findet sie. Dabei seien sie gesellschaftlich und gerade für junge Leute eminent wichtig.

    Weil die Gesellschaft noch eine ganze Weile mit dem Virus leben müsse, schlägt die Grünen-Abgeordnete auch vor, öffentliche Räume attraktiver zu gestalten, um weitere Teile des Lebens an die frische Luft zu verlegen. Dabei könnten schon kleine Veränderungen wie Parkbänke oder öffentliche Toiletten helfen. „Das hätte man schon längst tun können, aber man hat den Sommer nicht genutzt“, meint Kappert-Gonther.

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