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China: „Nur Touristen werden gerettet“

China

„Nur Touristen werden gerettet“

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    Urlauber warten nach dem schweren Erdbeben in der Provinz Sichuan darauf, mit Bussen in Sicherheit gebracht zu werden.
    Urlauber warten nach dem schweren Erdbeben in der Provinz Sichuan darauf, mit Bussen in Sicherheit gebracht zu werden. Foto: STR, afp

    Sie fühlen sich im Stich gelassen, erschöpft und verzweifelt. Auch einen Tag nach dem schweren Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan im tibetischen Hochland warten die rund 200 Einwohner des Dorfes Zharuzhai vergeblich auf Rettung. „Niemand hilft uns“, klagt eine 33-jährige Tibeterin. „Über unseren Köpfen fliegen den ganzen Tag Hubschrauber, aber niemand kommt zu uns.“ Keine Nahrungsmittel, Zelte oder Decken. „Die Behörden retten nur Touristen, aber nicht die Einheimischen.“

    Tatsächlich werden einige zehntausend Besucher des beliebten Touristenziels mit seinen malerischen Wasserfällen und Karstbergen bei Evakuierungen in dem Erdbebengebiet in Sicherheit gebracht – in Bussen und anderen Fahrzeugen. „Wir sind auch menschliche Wesen“, sagt die Tibeterin. Den Menschen in Sichuan steckt noch das schwere Beben von 2008 in den Knochen, bei dem 87000 Menschen getötet oder vermisst wurden. Als nun erneut die Erde bebte, brach bei vielen Panik aus.

    Das Erdbeben der Stärke 7,0 überraschte die Frau beim Abendessen mit Freunden in der Stadt. „Es war schlimm. Ich fuhr sofort mit dem Auto zurück ins Dorf, obwohl die Straße mit Felsbrocken blockiert war.“ Ihre Familie zähle zehn Mitglieder, darunter ihre drei und fünf Jahre alten Kinder. „Sie sind völlig verängstigt“, sagt die Tibeterin.

    Auf dem Weg nach Hause habe sie viele Tote und Verletzte gesehen. „Ich sah Touristen und Dorfbewohner, die von Felsen zu Tode gequetscht worden waren“, schildert die Frau. „Ich glaube, dass die Zahl der Toten viel höher sein muss als bisher angegeben.“ Bis Mittwochabend sprachen die Behörden nur von 19 Toten und mehr als 200 Verletzten, was für ein solch schweres Erdbeben recht wenig ist.

    Die Menschen fühlen sich alleingelassen. Immer wieder hätten sie die Parkverwaltung kontaktiert und um Hilfe gebeten, aber nichts sei passiert, sagte die 33-Jährige. Dutzende Bewohner aus dem Dorf Zharuzhai arbeiten im Park, sind aber seit dem Beben vermisst. „Wir können sie nicht erreichen.“ Auch eine 47-Jährige aus Heyezhai bemängelt: „Wir haben keine Hilfsgüter von den Behörden bekommen. Als wir einen Funktionär auf der Straße stoppten und fragten, schüttelte er nur den Kopf.“

    Über die Not der Menschen war in den Staatsmedien wenig zu erfahren. Die Behörden sprachen darin von 60000 Geretteten. Die Hilfsbemühungen wurden im Fernsehen eindrucksvoll in Szene gesetzt – möglicherweise, um etwaiger Kritik an einer vielleicht unzureichenden Reaktion auf das Erdbeben zuvorzukommen. In den zentralen Abendnachrichten des Staatsfernsehens hieß es am Ende auch nur: „Alle Bewohner der Gegend sind angemessen versorgt.“ (dpa, afp)

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