Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Bundesgerichtshof: Kachelmann unterliegt: Richter stärken Gerichtsberichterstattung

Bundesgerichtshof

Kachelmann unterliegt: Richter stärken Gerichtsberichterstattung

    • |
    Das BGH hat gegen Jörg Kachelmann entschieden - und die Gerichtsberichterstattung gestärkt.
    Das BGH hat gegen Jörg Kachelmann entschieden - und die Gerichtsberichterstattung gestärkt. Foto: Nicolas Armer, dpa (Archiv)

    Der Wettermoderator Jörg Kachelmann hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eine Niederlage erlitten. Das Gericht wies am Dienstag eine Klage Kachelmanns gegen die Berichterstattung des Online-Portals bild.de zu seinem damaligen Vergewaltigungsprozess zurück. Medien dürfen demnach uneingeschränkt auch über intime Details berichten, die in öffentlich verhandelten Strafprozessen zur Sprache kommen. (Az: VI ZR 93/12)

    Kachelmann war vor den BGH gezogen, weil er wegen der Berichterstattung von bild.de über seinen damaligen Vergewaltigungsprozess seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah. Bild.de hatte in einem Artikel über intimste Details berichtet, die aus der Aussage Kachelmanns zur Tatnacht stammten. Das Mannheimer Landgericht hatte diese Aussage mit der Zustimmung des später freigesprochenen Angeklagten in der öffentlichen Verhandlung verlesen.

    BGH hebt gegenteiliges Urteil des Oberlandesgerichts Köln auf

    Kachelmann, dem vorgeworfen worden war, seine Ex-Freundin vergewaltigt zu haben, hatte darin detailliert den Ablauf des angeblichen Tatabends aus seiner Sicht geschildert, um sich zu entlasten. Weil laut BGH das Aussageprotokoll Kachelmanns durch Verlesung in die öffentliche Hauptverhandlung eingeführt worden war, durften die Medien auch einschließlich aller schlüpfriger Details darüber berichten. Der BGH hob damit ein gegenteiliges Urteil des Oberlandesgerichts Köln auf.

    Der Fall Kachelmann

    Jörg Kachelmann war wohl der beliebteste Wetterfrosch Deutschlands. Seit 1994 moderiert er "Das Wetter im Ersten". Seine sympathische Ausstrahlung und der lässige Kleidungsstil machten ihn für viele Frauen attraktiv.

    Bis Mitte der 90er Jahre war Kachelmann mit Katja Hösli verheiratet. Sie teilte seine Leidenschaft für die Meteorologie und hatte sich auf die Veranschaulichung von Wetterdaten spezialisiert.

    Am 20 März 2010 dann der Schock: Jörg Kachelmann wird wegen des Verdachts auf besonders schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung festgenommen. Er soll seine Ex-Freundin mit einem Küchenmesser bedroht und zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Kachelmann beteuert seine Unschuld.

    Die Öffentlichkeit ist entsetzt über die Details aus Kachelmanns Privatleben, die nun von mehreren Seiten ans Tageslicht gelangen. Verschiedene Frauen berichten davon, wie der Moderator sie über Jahre hinweg systematisch betrogen hat.

    Am 29. Juli 2010 wird Kachelmann auf Anordnung des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus der Untersuchungshaft entlassen, da mittlerweile erste Zweifel an seiner Schuld aufgetaucht sind und kein dringender Tatverdacht mehr besteht.

    Am 6. September 2010 beginnt schließlich die Hauptverhandlung.

    Die Befragung des mutmaßlichen Opfers dauert insgesamt viele Stunden. Trotz mancher Widersprüche bleibt der Vorwurf der Vergewaltigung bestehen.

    Ende November wechselt Kachelmann den Anwalt. Johann Schwenn ist nun für seinen Fall zuständig.

    Am Ende der Verhandlung forderte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten.

    Weil die Schuld des Angeklagten aber nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte, entschied sich das Landesgericht Mannheim für den Freispruch.

    Kachelmanns Anwalt Matthias Siegmann hatte bild.de vor der Urteilsverkündung vorgeworfen, die "schlüpfrigen Details" nur wiedergegeben zu haben, "um den Voyeurismus der Leser zu befriedigen". Der Artikel habe "in keiner Weise" verdeutlicht, welche Bedeutung diese Details für die Verteidigung des damaligen Angeklagten gehabt hätten. Solch eine Darstellung lasse sich deshalb auch nicht mit dem Auftrag der Medien vereinbaren, zur Meinungsbildung der Öffentlichkeit beizutragen.

    Der Rechtsvertreter des beklagten Springer-Verlags, Reiner Hall, wies die Vorwürfe zurück. Es sei das Recht und die Pflicht der Medien, die breite Öffentlichkeit an der Öffentlichkeit im Gerichtssaal teilhaben zu lassen. Medien müssten die "Kerntatsachen" aus Verfahren berichten dürfen. Nichts anderes sei in dem Artikel geschehen.

    Der Vorrang des Presserechts gilt laut dem Urteil allerdings nicht für die sogenannte Verdachtsberichterstattung vor einer Anklageerhebung. Medien müssten die Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten dann sehr viel mehr beachten. Dies ergebe sich aus der vom Grundgesetz und der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und der Stigmatisierung, die durch solche Berichte entstehen könne. afp

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden