Als das Urteil fiel, hat Anders Behring Breivik mit einem zufriedenen Lächeln reagiert. Danach sprach er mit seinen Verteidigern. Der Massenmörder, der für zwei Attentate mit 77 Toten in Norwegen verantwortlich ist, hatte auf keinen Fall für unzurechnungsfähig erklärt werden wollen. Die Einweisung in die Psychiatrie sei für ihn schlimmer als der Tod, hatte er gesagt. Kurz vor Beginn der Urteilsverkündung hob Breivik in dem bis zum letzten Platz gefüllten Gerichtssaal wie schon zum Prozessauftakt die geballte Faust zum rechten Gruß.
Urteil gegen Breivik einstimmig
Breiviks Anschläge: Vom Massaker bis zum Urteil
22. Juli 2011 - 15.22 Uhr: Vor dem Osloer Regierungshochhaus explodiert eine Bombe in einem abgestellten Lieferwagen. Acht Menschen sterben. Breivik flüchtet und fährt in einem Mietwagen zur knapp 40 Kilometer entfernten Fjordinsel Utøya. Kurz vorher hat er per Mail ein 1500 Seiten umfassendes «Manifest» an knapp tausend Adressaten verschickt.
22. Juli 2011 - ca. 17.00 Uhr: Als Polizist verkleidet setzt Breivik zum Ferienlager der sozialdemokratischen Jugend auf Utøya über. Ihm bleiben knapp anderthalb Stunden Zeit, um mit zwei Handfeuerwaffen Jagd auf die über 500 Teilnehmer zu machen. 69 Menschen sterben, die meisten Opfer sind Jugendliche.
22. Juli 2011 - ca. 18.30 Uhr: Die Antiterroreinheit der Polizei nimmt Breivik fest. Vorher hat er zweimal telefonisch angeboten aufzugeben. Das späte Eintreffen der Polizei gilt als schwerwiegender Fehler.
29. November 2011: Zwei Rechtspsychiater erklären Breivik für nicht zurechnungsfähig. Er sei zum Tatzeitpunkt und danach psychotisch und paranoid-schizophren gewesen. Das Gutachten ist umstritten.
10. April 2012: In einem zweiten rechtspsychiatrischen Gutachten wird Breivik für voll zurechnungsfähig erklärt. Die beiden gegensätzlichen Experten-Aussagen bilden die Grundlage für den Prozess gegen Breivik.
16. April bis 21. Juni 2012: Im zehnwöchigen Gerichtsverfahren verteidigt Breivik seine Anschläge und erklärt: «Ja, ich würde es wieder tun.» Zahlreiche Überlebende und Hinterbliebene der Opfer sagen aus.
22. Juli 2012: In ganz Norwegen gedenken die Menschen der Opfer der Anschläge. Zur Gedenkfeier auf der Insel Utøya haben nur direkt Betroffene Zutritt.
13. August 2012: Eine unabhängige Untersuchungskommission veröffentlicht ihren Bericht zum Ablauf der Anschläge. Das Ergebnis: Breivik hätte viel früher gestoppt werden können, wenn die Polizei besser reagiert hätte.
24. August: Das Osloer Gericht verkündet das Urteil gegen Breivik. Es ist die höchste Strafe, die es in Norwegen gibt: 21 Jahre Haft mit Sicherheitsverwahrung.
Das Osloer Gericht hatte gegen Anders Behring Breivik die Höchststrafe verhängt: 21 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik ist vor Gericht für zurechnungsfähig erklärt worden. Das Urteil sei einstimmig gefallen, sagte Richterin Wenche Elizabeth Arntzen am Freitag im Osloer Gericht. Für die Entscheidung über die Zurechnungsfähigkeit seien Breiviks Äußerungen zum angeblichen Tempelritter-Orden wichtig gewesen, sagte Richterin Arntzen. Nachforschungen der Polizei hätten ergeben, dass die Organisation wahrscheinlich nicht existiere. Daraufhin habe Breivik seine Aussagen dazu während des Verhörs angepasst und die Darstellung aus seinem Manifest als "pompös" oder übertrieben bezeichnet
Höchstes Strafmaß in Norwegen
21 Jahre Haft sind in Norwegen das höchste Strafmaß. Die dazu verhängte Sicherungsverwahrung ("forvaring") kann allerdings alle fünf Jahre verlängert werden. Mit dem Urteilsspruch vom Freitag könnte Breivik also bis zum Tod hinter Gittern bleiben, obwohl das norwegische Rechtssystem kein Lebenslänglich kennt. Verteidiger Geir Lippestad hatte die Norweger dennoch vorab gewarnt: "Wir müssen uns vorbereiten, dass Breivik eines Tages wieder freikommen kann."
Angehörige der Opfer: Mitgenommen, aber zufrieden
Die Angehörigen der Opfer von Massenmörder Anders Behring Breivik haben gefasst auf den Richterspruch reagiert. Im Osloer Gerichtssaal war es sehr still. Sie wirkten mitgenommen, aber zufrieden. Als Richter Arne Lyng eine Passage verlas, in der die Schicksale von Breiviks Opfern im Osloer Regierungsviertel geschildert wurden, stützten sich die Angehörigen gegenseitig. Einige weinten.
Grausames Blutbad auf Utøya
Breiviks Fahrplan beim Massenmord
11.45 Uhr: Breivik fährt einen Mietwagen des Typs Fiat Doblò durch eine Station für Automaut Richtung Osloer Innenstadt. Er parkt das Auto am Hammersberg Torg und kehrt in den Stadtteil Skøyen im Westen Oslos zurück. Dort wohnt er bei seiner Mutter.
12.51 Uhr: Breivik schreibt den letzten Eintrag in sein 1500 Seiten umfassendes «Manifest».
14.08 Uhr: Das «Manifest» wird per Email an 1003 Adressaten verschickt. Breivik verkleidet sich als Polizist.
15.00 Uhr: Er fährt einen mit mehreren hundert Kilo Sprengstoff gefüllten VW-Transporter durch eine der automatischen Mautstationen Richtung Zentrum. Den ebenfalls gemieteten Wagen stellt er direkt vor dem Regierungs-Hochhaus ab und läuft zum Fiat am Hammersberg Torg. Im Polizeiverhör gibt Breivik später an, er habe die Transportzeiten zu niedrig berechnet.
15.26 Uhr: Die Bombe explodiert im Osloer Regierungsviertel. Doch wegen der Sommerferien sind viele Angestellte schon im Feierabend. Breivik steckt danach bei seiner Fahrt zur 40 km entfernten Insel Utøya im Stau nach einem Unfall.
16.40 Uhr: Breivik kommt in seiner Polizeiuniform an der kleinen Fährstation zur Insel an. Er stellt den Mietwagen ab und setzt auf der Fähre über. Als Gepäck führt er ein Schnellfeuergewehr, eine Pistole und große Mengen Munition mit sich.
17.08 Uhr: Ankunft des Attentäters auf Utøya.
17.27 Uhr: Die Polizei wird alarmiert. Unklar bleibt auch bei anderen Medienangaben, was in den ersten knapp 20 Minuten seit Breiviks Ankunft genau geschieht. Nach den ersten offiziellen Mitteilungen der Polizei hat der Massenmörder für die Tötung seiner 69 Opfer auf Utøya anderthalb Stunden Zeit.
18.09 Uhr: Angehörige der Polizei-Eliteeinheit «Delta» kommen zusammen mit örtlichen Polizisten an der Fährstation nach Utøya auf der Festlandseite an.
18.25 Uhr: Die Einsatzgruppe erreicht die Insel und sucht nach dem Täter.
18.27 Uhr: Breivik lässt sich mit erhobenen Händen festnehmen. Er hat beide Waffen weggelegt. Die Polizei setzt ihn mehrere Stunden in einem Holzhaus auf der Insel fest, ehe er nachts in die Osloer Polizeizentrale gebracht wird.
Breivik hatte am 22. Juli 2011 zuerst eine Autobombe im Osloer Regierungsviertel gezündet und so acht Menschen getötet. Später hatte er in einem grausamen Blutbad auf der Fjordinsel Utøya 69 meist jugendlichen Sozialdemokraten das Leben genommen.
Breivik zeigte keine Reue
Anders Behring Breivik: Zahlen und Fakten zum Prozess
Der Prozess dauerte zehn Wochen, insgesamt gab es 43 Gerichtstage.
Mehr als 100 Zeugen sagten aus, davon rund 40 teils schwer verletzte Jugendliche, die das Massaker auf Utøya überlebt hatten. Allein für ihre Zeugenaussagen waren 16 Tage eingeplant.
Breivik ist nach Paragraf 147 und 233 des norwegischen Strafgesetzes wegen Terrorismus und vorsätzlichen Mordes angeklagt.
Rund 800 Journalisten von 170 norwegischen und internationalen Medien verfolgten den Prozessauftakt.
An einigen Tagen wurde der Prozess von 2000 Menschen live verfolgt - im Osloer Gericht und zahlreichen weiteren Gerichten im ganzen Land. Der Prozessauftakt wurde weltweit im Fernsehen übertragen.
Im Hauptverhandlungssaal, wo auch das Urteil verkündet wird, ist Platz für 193 Zuhörer - Opfer, Hinterbliebene und Presse.
Die notwendigen Umbauten am Gericht und die umfassenden Sicherheitsvorkehrungen verschlangen dem norwegischen Rundfunksender NRK zufolge mehr als 13,5 Millionen Euro.
Der 33-Jährige hatte seine Taten vor Gericht zugegeben, aber keine Reue gezeigt. In seinem Geständnis bezeichnete er die Morde als "grausam, aber notwendig" und nannte als Tatmotiv Hass auf den Islam und die regierenden Sozialdemokraten. Während des gesamten Prozesses hatte sich Breivik vehement gegen eine Einweisung in die Psychiatrie gewehrt.
dpa/AZ