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Brandkatastrophe: Der Wiederaufbau von Notre-Dame lehrt Frankreich Geduld

Brandkatastrophe

Der Wiederaufbau von Notre-Dame lehrt Frankreich Geduld

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    Bei Nacht sieht Notre-Dame fast aus, als wäre nichts passiert.
    Bei Nacht sieht Notre-Dame fast aus, als wäre nichts passiert. Foto: Michel Euler, AP/dpa
    Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob der schmale Spitzturm, der bei dem Brand in die Tiefe stürzte, rekonstruiert werden soll. Er stammt nicht aus den Anfangszeiten der mittelalterlichen Kathedrale, sondern wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts errichtet.
    Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob der schmale Spitzturm, der bei dem Brand in die Tiefe stürzte, rekonstruiert werden soll. Er stammt nicht aus den Anfangszeiten der mittelalterlichen Kathedrale, sondern wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Foto: Thibault Camus, dpa

    Wenn Tai-Luc von seinem Arbeitsplatz gegenüber des Pariser Rathauses zu Notre-Dame hinüberblickt, hat sich scheinbar wenig geändert. Die Zwillingstürme ragen wie eh und je über Häuserfassaden hervor; das Fehlen des Balkenwerks ist von hier aus nicht zu erkennen. Und doch vergeht kein Tag, an dem der Bouquiniste – so heißen die Buchhändler, deren Ware in aufklappbaren, dunkelgrünen Kästen an den Ufern der Seine liegen – nicht an das Brandunglück von Notre-Dame im April denkt. „Dem Unglück zuzusehen und nichts tun zu können, gab mir ein Gefühl der Machtlosigkeit.“ Sein Arbeitsplatz führt Tai-Luc jeden Tag an der Kathedrale vorbei, deren Vorplatz weiterhin abgesperrt ist.

    Mehr als acht Monate nach der Brandkatastrophe geht es immer noch ums Wundenlecken. Eine Fernsehreportage enthüllte gerade Bilder aus dem gespenstisch leeren Innenraum. Die heruntergefallenen Steine wurden inzwischen weggeräumt und lagern in weißen Zelten auf dem Vorplatz der Kathedrale. Einige von ihnen dürften für den Wiederaufbau verwendet werden; aber daran ist längst nicht zu denken, sagt der Chef-Architekt Philippe Villeneuve: Noch gehe es um die Stabilisierung des Gebäudes. „Man kann keinesfalls sagen, dass Notre-Dame gerettet ist.“ Ein riesiges Gerüst ragt wie ein Skelett in die Luft, mit dessen Abbau eine heikle Aufgabe bevorsteht, da die Rohre bei dem Brand teilweise geschmolzen sind. Es war für Renovierungsarbeiten errichtet worden, die im Frühjahr im Dachstuhl durchgeführt wurden – hier hatte sich das Feuer entfacht, dessen genaue Ursache weiterhin unbekannt ist. Klären soll sie eine juristische Untersuchung. Auch sie dürfte sich lange hinziehen.

    Wer im Kaufhaus einkaufte, konnte aufrunden - als Spende für Notre-Dame

    Und so ist Geduld gefragt. Es erscheint ungewiss, ob das Gebäude wirklich, wie von Präsident Emmanuel Macron versprochen, im Jahr 2024, wenn Paris die Olympischen Spiele ausrichtet, wieder zugänglich sein wird, ob und wann die Gläubigen zumindest eine provisorische Möglichkeit zum Gebet bekommen. Nach dem Brand brachte die Regierung ein Gesetz ein, das Ausnahmen beim Denkmal- und Umweltschutz und für öffentliche Ausschreibungen vorsah, um die Arbeiten zu beschleunigen. Experten warnten allerdings vor einem überstürzten Vorgehen.

    Zumindest am Geld soll es nicht scheitern: Von den insgesamt 922 Millionen Euro, die zugesagt worden waren, sind inzwischen 834 Millionen eingegangen, hieß es aus dem Umfeld des Generaldirektors für Kulturerbe, Philippe Barbat. Hohe Summen kamen dabei von Großindustriellen wie den Chefs der Luxuskonzerne LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) und Kering, Bernard Arnault und François Pinault, oder von den Konzernen L’Oréal und Total. Aber es gab auch viele private Geldgeber. Kunden der Kaufhauskette Monoprix konnten bei Einkäufen aufrunden, um kleine Beträge für Notre-Dame zu spenden. Die Bestürzung nach dem Brand zeigte den immensen Wert der gotischen Kathedrale für die Menschen, die im exakten Zentrum der Stadt liegt: Von ihrem Vorplatz aus wird der Abstand von Paris zu allen anderen Orten gemessen.

    Die Frage, die die Öffentlichkeit am meisten umtreibt, ist jene, wie die Kathedrale künftig aussieht. Wird sie exakt wie vorher aufgebaut, inklusive des zerstörten Spitzturms, den der Architekt Eugène Viollet-le-Duc erst im 19. Jahrhundert hinzugefügt hat? Oder ist ein „moderner Touch“ denkbar, wie ihn Macron in Aussicht gestellt hat? Die Regierung versprach einen internationalen Architektenwettbewerb, Experten sollen erst nach ausgiebigen Beratungen entscheiden.

    Notre Dame gehört nach dem Brand mehr denn je zu Paris

    Bouquiniste Tai-Luc hofft, dass Notre-Dame bald wieder aussieht wie zuvor und macht dann sofort eine Einschränkung: „Wenn es nach mir geht, muss der Spitzturm aber nicht sein, denn er gehört nicht zum historischen Erbe.“ Ihm habe der Brand gezeigt, dass alles von heute auf morgen verschwinden könne: „Man hat keine Gewissheiten.“

    Eine Gewissheit gibt es aber wohl doch: Notre-Dame wird wieder aufgebaut. Vielleicht schon in fünf Jahren, vielleicht etwas später. Aber die Kathedrale gehört weiterhin zu Paris; ja, sogar mehr denn je.

    Lesen Sie dazu auch: Wie Frankreich über die Zukunft von Notre-Dame streitet

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