Ein sonderbares Paar sind sie schon: Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli). Irgendwie die umgedrehte Version von Inga Lürsen und Stedefreund. Und das, wo heute die gender- und altersmäßig einigermaßen korrekt aufgeteilten Hauptkommissare angesagt sind. Ob die psychisch angeknacksten Duos aus dem Westen und dem Osten sich mit der „Tatort“-Folge „Borowski und das verlorene Mädchen“ leichter getan hätten, darf jedoch angezweifelt werden.
Was mit den nicht immer überzeugenden Wendungen des Falls zu tun hat. Hier dreht sich alles in eindringlichen, plakativen Bildern um die 17-jährige Julia – Kompliment an die Darstellerin Mala Emde –, die behauptet, dass ihr Bruder ihre Mitschülerin Maria ermordet hat. Tatsächlich wird Maria tot aus der Kieler Förde geborgen.
Tatort: Das Thema ist so aktuell wie brisant
Borowski und Brandt sind erst ratlos, dann glauben sie, durchzublicken, weil Julia zum Islam konvertiert ist. Eine junge Frau, die ihre Familie verlassen will, um ins Herrschaftsgebiet des Islamischen Staats zu reisen – Radikalisierung eingeschlossen. Das Thema ist so aktuell wie brisant. Dafür kann man dem „Tatort“ dankbar sein. Die Inszenierung von Raymond Ley, die Art, wie er mit Nahaufnahmen von Julia und den Dialogen umgeht, hat etwas von TV-Kino.
Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass die IS-Geschichte sich zu sehr auf die politische Komponente konzentriert, und der „Tatort“ an sich hinten runter fällt. Ein aktuelles Thema aufzuarbeiten ist lobenswert, aber erwartet nicht der Zuschauer am Sonntagabend auch einen Krimi, der sich entwickelt wie die Fertigstellung eines Puzzles?
"Borowski und das verlorene Mädchen": Den Tatort kann man anschauen
Hier bleibt Stückwerk übrig. Darunter die wahre Motivation Julias, die eigentlich nur im Leben andocken will. Unser Fazit: Kann man durchaus anschauen, trotz der Mängel und einiger Klischee-Figuren. Im Anschluss beschäftigt sich Anne Will mit der Frage, warum sich junge Deutsche dem radikalen Islamismus anschließen.