In Hessen und Baden-Württemberg war es Pfingsten knapp. Im Ernstfall hätten die Blutreserven keine 24 Stunden lang gereicht, berichtet das Deutsche Rote Kreuz vor dem Weltblutspendetag am 14. Juni. In Berlin und Brandenburg schrumpfte der Vorrat am langen Feiertagswochenende um die Hälfte auf eine Menge für ein bis zwei Tage zusammen. Auch in anderen deutschen Regionen schwinden Puffer bei den Vorräten, weil Spender ausbleiben. Das liegt wohl nicht nur an der Corona-Krise. Sind neue Anreize nötig?
Blutspenden können dabei helfen, Leben zu retten
"Das meiste Spenderblut wird für Patienten mit bösartigen Erkrankungen, vor allem bei der Blutbildung verwendet. Und bei Tumorerkrankungen", sagt Hubert Schrezenmeier, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie. Dazu komme die Versorgung von Verletzten nach schweren Unfällen mit Blutverlust sowie die Behandlung einer Reihe chronischer Erkrankungen. Auch in der Corona-Pandemie könnte Blut eine Rolle spielen: Bei Genesenen finden sich Antikörper gegen das Virus, zumindest für einige Zeit.
Schrezenmeier ist Arzt und Professor für Transfusionsmedizin in Ulm. "In Deutschland benötigen wir pro Tag etwa 15 000 Vollblutspenden", berichtet er. Dabei könne es regional knapp werden. Im Schnitt spendeten nur drei Prozent der Bundesbürger Blut. "Aber rund ein Drittel könnte das grundsätzlich tun." Es fehle an Bereitschaft und Motivation. Das soll kein Vorwurf sein. Es gebe ja die Möglichkeit, mehr Menschen zu motivieren, findet der Mediziner. Die Frage ist nur: wie?
Blut, das zeigt nun auch die Pandemie, hat große Bedeutung. Die Berliner Charité sucht darin zur Zeit nach biologischen Merkmalen. Denn es scheint möglich, dass die Menge verschiedener Proteine im Blutplasma von Infizierten als Biomarker eine Vorhersage des Erkrankungsverlaufs samt Bestimmung des Schweregrads erlaubt.
Schrezenmeier arbeitet in Ulm an einer Studie dazu mit, ob das Blutplasma von Genesenen mit Antikörpern schwerkranken Covid-19-Patienten helfen kann. Das wird stark vermutet. Doch es gebe noch keine Belege, weil bisher Vergleichsgruppen fehlten, berichtet der Mediziner. Das habe sich nun geändert. "Wann Ergebnisse vorliegen, ist schwer zu sagen. Denn nur sehr schwere Covid-19-Fälle werden mit Genesenen-Plasma behandelt. Schwere Fälle gibt es im Moment aber nur wenige." Genesene würden dennoch gebeten, sich für die Studie mit Namen Capsid als Blutspender zu melden.
Die Zahl der Blutspender reduzierte sich mit der Corona-Krise
Die Solidarität in Sachen Blutspende hat nicht erst in der Corona-Krise mit ihren vielen Beschränkungen nachgelassen. "In manchen Regionen ist die Spende-Bereitschaft stark rückläufig", sagt Patric Nohe, Sprecher der Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Das DRK deckt über zwei Drittel des Bedarfs an Blutkonserven in Deutschland. Die Spender bekommen dort - anders als zum Beispiel bei privaten Anbietern oder in Kliniken - keine Aufwandsentschädigung. Das DRK wolle auch künftig auf Freiwilligkeit setzen, sagt Nohe.
Geld als Anreiz für Spender?
Georg Marckmann, Professor für Medizinethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, fragt sich, ob diese Strategie auf Dauer aufgeht. "Es wäre durchaus angemessen, die wertvolle Ressource Blut mit einer Aufwandsentschädigung zu vergüten. Man müsste es einfach einmal ausprobieren", sagt er. In einem zweiten Schritt könne man dann schauen, ob sich Geld - Marckmann hält rund 25 Euro für angemessen - auf die Spendenbereitschaft auswirke. Blut sei eine knappe und wertvolle Ressource, betont der Medizinethiker. Blutspendedienste und nachgeschaltete Firmen verdienten damit Geld. "Daher ist es einfach nur fair, wenn die Menschen, die diese Ressource zur Verfügung stellen und dafür Zeit aufwenden, auch eine angemessene Aufwandsentschädigung bekommen."
Mediziner Schrezenmeier sieht das anders. Man dürfe bei den Blutspendediensten nicht allein auf das Angebot einer kleinen Mahlzeit als Dank oder einer finanziellen Aufwandsentschädigung schauen. "Es gibt auch Unterschiede in der Organisationsform." Die DRK-Blutspende sei zum Beispiel mit mobilen Teams unterwegs. Andere Einrichtungen arbeiteten nur an einem festen Ort. "Ich halte es grundsätzlich für günstig, dieses System auf mehreren Säulen basieren zu lassen", urteilt er. "Das ergänzt sich gut. Änderungen sind nicht nötig."
Es werden regelmäßige Spenden benötigt
Dass jetzt vermehrt Engpässe bei den Blutvorräten auftreten, hat mit der momentan entspannteren Lage in der Pandemie zu tun. Da viele Kliniken jetzt verschobene Operationen nachholten, seien mehr Spenden nötig, sagt DRK-Sprecher Nohe. Auch die Haltbarkeit der Blutpräparate spielt eine Rolle. Denn allein Blutplasma lässt sich zwei Jahre lang einfrieren. Das Konzentrat aus roten Blutkörperchen, das vor allem bei Blutarmut erforderlich sind, lasse sich maximal 42 Tage lang verwenden, erläutert Schrezenmeier. Blutplättchen, die wichtig für die Blutgerinnung sind, seien sogar nur 4 bis 5 Tage haltbar. "Es ist hier also nicht möglich, große Vorräte aufzubauen. Wir benötigen regelmäßige Spenden."
Eigenblut vor planbaren Operationen spiele für die Vorratslage mit weniger als einem Prozent dagegen kaum eine Rolle. "Damit lässt sich das System nicht ändern." Durch bessere Blutmanagement-Programme, zum Beispiel Schüsselloch-Chirurgie statt großer Schnitte, sei es den Kliniken in den vergangenen zehn Jahren gelungen, den Bedarf am Konzentrat aus roten Blutkörperchen um rund ein Viertel zu senken.
"Seit zweieinhalb Wochen steigt der Blutbedarf sprunghaft an", sagt der Arzt. "Da ist ein erheblicher Engpass entstanden. Wir brauchen jetzt für eine längere Zeit mehr Spenden." Es gehe auch um Puffer. Die Blutspendedienste hätten sich in der Pandemie umgestellt. Sie böten nun noch mehr Hygiene, Abstandskonzepte, Maskenpflicht und verbesserte Terminbuchungen.
Auf Sars-CoV-2 werden Spenden nicht getestet. Das Virus ist nach bisherigem Wissen weder im Blut nachweisbar noch dadurch übertragbar. Blutspenden böten mit wirksamen Antikörper-Tests aber die Möglichkeit, ein breites Screening auf durchgemachte Infektionen aufzusetzen. Bisher sei das noch nicht vorgesehen, sagt Schrezenmeier. (dpa)
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