27 Menschen starben bei dem unfassbaren Amoklauf von Newtown. Adam Lanza, der 20 Kinder an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown niederschoss, galt wie viele Amokläufer als Einzelgänger. Nur langsam kristallisiert sich ein Bild von Adam Lanza heraus, der sich nach der Bluttat in der Kleinstadt im US-Bundesstaat Connecticut offenbar selbst tötete. Sein Motiv ist unklar, bis zu dem Massaker war er der Polizei nie aufgefallen. Eine besondere Rolle bei der Tragödie spielte aber Lanzas Mutter Nancy, der die Schusswaffen gehörten - und die zum ersten Opfer ihres 20-jährigen Sohnes wurde.
Amokläufer Adam Lanza sei hochintelligent gewesen
Freunde und Verwandte, die von US-Medien zitiert wurden, beschrieben den Amokläufer als unauffälligen Jugendlichen, dem sie eine derart brutale Tat nie zugetraut hätten. In einigen Berichten hieß es, dass Adam Lanza an einer Entwicklungsstörung gelitten habe. Hochintelligent sei er gewesen, aber zugleich ungelenk im Umgang mit anderen Menschen.
Newtown-Massaker: Reaktionen auf Twitter
Nach dem Amoklauf in einer Grundschule in Newtown (US-Staat Connecticut) mit Dutzenden Todesopfern drücken Menschen weltweit unter #newtown ihr Mitleid aus.
"Bedenke ich die Trauer und den Schmerz der Familien in Newton - so kurz vor Weihnachten - werden meine popeligen Probleme ganz klein."
"Das darf doch einfach nicht wahr sein... :((("
"Es macht mich so unglaublich wütend & traurig."
"Puh. Manche Dinge kriegt man nicht aus dem Kopf. Condolences."
"Was immer diesen Amoklauf ausgelöst haben mag - es ist unverzeihlich! Mir fehlen die Worte ..."
"Auch wenn jeden Tag Schlimmes passiert, immer und überall, es gibt dennoch Momente, da stockt einem einfach immer noch der Atem."
"Some things you can't explain, all you can do is just send positive energy and thoughts to those who need it. Today we pray for you." (Manche Dinge kann man nicht erklären, man kann einfach nur positive Energien und Gedanken denen senden, die sie brauchen. Wir beten für Euch.)
"You can't go to the mall, you can't go to the movies and now you can't even go to elementary school. Horrible." (Du kannst nicht in das Einkaufscenter, du kannst in kein Kino mehr gehen, und jetzt kannst du nicht einmal mehr in die Grundschule gehen. Schrecklich.)
"My stomach is in a knot I still can't even believe this." (Ich habe einen Knoten in meinem Bauch und kann das ganze immer noch nicht glauben.)
"School is one of the few places in the world a kid should always feel safe. Can't imagine what these families are going through." (Die Schule ist einer der wenigen Orte auf der Welt, an denen ein Kind sich immer sicher fühlen sollte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was die Familien gerade durchmachen müssen.)
"Why." (Warum)
"A sad day in America!" (Ein trauriger Tag für Amerika)
"Such a horrible act occurred in newtown today. My heart is breaking for those poor kids and their families. Senseless." (So eine furchtbare Tat erschütterte Newtown heute. Mein Herz bricht, wenn ich an die armen kleinen Kinder und ihre Familien denke. Sinnlos.)
"Er war komisch als Kind, aber er war ruhig", sagte eine frühere Klassenkameradin Lanzas der Nachrichtenagentur AFP. "Wir haben seine echte Persönlichkeit nie gekannt." Irgendwann in der siebten oder achten Klasse sei der Schüler "vom Radar verschwunden", sagte die 20-jährige Megan.
Ein kontaktscheuer Teenager
Waffen und Waffenrecht in den USA
In den USA sind mehr Waffen in Privatbesitz als in jedem anderen Land der Welt - Statistiker gehen von rund 270 Millionen aus (Stand 2007).
Mehr als 40 Prozent aller US-Haushalte besaßen einer repräsentativen Umfrage des Gallup-Instituts zufolge im vorigen Jahr eine Schusswaffe.
Etwa 30.000 Menschen jährlich sterben in den USA wegen des Gebrauchs dieser Waffen - die Hälfte von ihnen begeht Selbstmord.
Die Zahl der mit Pistolen verübten Morde liegt bei 10.000 bis 12.000 pro Jahr.
Dennoch sprachen sich bei einer Befragung 2010 nur 44 Prozent der US-Bürger dafür aus, die Waffengesetze zu verschärfen. 54 Prozent waren dafür, sie unangetastet zu lassen oder sogar abzumildern.
Mehr als zwei Drittel sind gegen ein Gesetz, das den privaten Besitz von Feuerwaffen verbietet.
Auch beim Ex- und Import von Klein- und Leichtwaffen lagen die USA nach Angaben des unabhängigen Genfer Forschungsprojekts Small Arms Survey 2009 weltweit an der Spitze.
Das Recht auf Waffen wurde vor mehr als 220 Jahren im zweiten Zusatzartikel zur Verfassung verbrieft: «Da eine gut organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden», heißt es dort.
Das US-Waffenrecht ist von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden. Entwickelt hat sich ein Durcheinander von mehr als 20.000 nationalen, einzelstaatlichen und kommunalen Vorschriften.
"Nervös und zappelig" habe Lanza gewirkt, sagten Bekannte der "New York Times". Außerdem habe der kontaktscheue Teenager versucht, jede Form der Aufmerksamkeit zu vermeiden. Der Nachrichtensender CNN berichtete unter Berufung auf eine Tante, dass Nancy Lanza ihren Sohn schließlich zuhause unterrichtet habe, als dieser in der Schule nicht klargekommen sei.
Adam Lanza wuchs in der scheinbar heilen Welt der US-Vororte auf. Zunächst lebte er mit seinen Eltern und seinem Bruder Ryan Medienberichten zufolge in Kingston im Bundesstaat New Hampshire, Ende der 90er Jahre zog die Familie nach Newtown. Der Vater machte als Steuerexperte Karriere, arbeitete zunächst für die globalen Wirtschaftsprüfer Ernst & Young und dann in einer Führungsposition für die Finanzsparte des US-Konzerns General Electric.
Lanzas Eltern trennten sich
Lanzas Eltern trennten sich 2008. Während der vier Jahre ältere Ryan dem TV-Sender ABC zufolge in die Fußstapfen seines Vaters zu treten schien und bei Ernst & Young seine berufliche Laufbahn begann, wohnte Adam weiter bei seiner Mutter in dem gediegenen Einfamilienhaus in einem wohlhabenden Viertel von Newtown. Offenbar hatte er kaum Kontakte nach außen.
Chronologie: Amokläufe in Schulen
Dezember 2012 - 27 Tote: Ein Amokläufer erschießt an einer Grundschule in Newtown 20 Kinder, sechs Erwachsene und richtet sich anschließend selbst. Unter den Toten ist seine Mutter. Die meisten Opfer waren erst zwischen fünf und zehn Jahre alt.
April 2012 - 7 Tote: An einem christlichen Privatcollege in Oakland (US-Staat Kalifornien) erschießt ein ehemaliger Student sieben Menschen. Dann stellt er sich der Polizei. Grund für die Tat: Wut auf seine Mitschüler und eine Angestellte.
April 2011 - 13 Tote: In der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro ermordet ein offenbar geistig verwirrter 23-Jähriger zwölf Schüler und tötet sich dann selbst. Für seine Beerdigung hat er zuvor genaue Anweisungen verfasst.
März 2010 - 8 Tote: Ein ehemaliger Arzt ersticht acht Kinder an einer chinesischen Grundschule in der Provinz Fujian. Der psychisch gestörte Mann hatte zuvor seinen Arbeitsplatz verloren.
März 2009 - 16 Tote: In seiner früheren Realschule in Winnenden bei Stuttgart und auf der Flucht erschießt ein 17-Jähriger 15 Menschen und sich selbst. Die Waffe hat er seinem Vater entwendet, einem Sportschützen.
September 2008 - 11 Tote: Ein Amokläufer stürmt in der westfinnischen Kleinstadt Kauhajoki in eine Berufsschule. Er tötet neun Mitschüler sowie einen Lehrer. Danach legt der 22-jährige Waffennarr Feuer und erschießt sich. Er hatte die Tat im Internet angekündigt.
November 2007 - 9 Tote: Ein 18 Jahre alter Abiturient erschießt in einem Schulzentrum der finnischen Ortschaft Tuusula sechs Mitschüler, eine Krankenschwester und die Schulleiterin. Dann tötet er sich mit einem Kopfschuss.
21. März 2005 - 10 Tote: In einem Indianerreservat im US-Bundesstaat Minnesota tötet ein 16-Jähriger an seiner High School fünf Schüler, eine Lehrerin und einen Sicherheitsbeamten. Dann bringt er sich selbst um. Zuvor hatte er seinen Großvater und dessen Lebensgefährtin erschossen. Der Täter hatte Kontakte zur Neonazi-Szene.
26. April 2002 - 17 Tote: Am Erfurter Gutenberg-Gymnasium richtet ein 19-Jähriger ein Blutbad an. Er erschießt zwölf Lehrer, zwei Schüler, die Sekretärin und einen Polizisten. Dann tötet sich der Amokläufer selbst. Er war der Schule verwiesen worden.
20. April 1999 - 15 Tote: In der Columbine High School in Littleton (US-Staat Colorado) töten zwei mit Gewehren bewaffnete US-Schüler im Alter von 17 und 18 Jahren zwölf ihrer Mitschüler und einen Lehrer. Dann erschießen sie sich selbst. Nach dem Blutbad entdeckt die Polizei mehr als 30 Bomben, mit denen offenbar das Schulgebäude gesprengt werden sollte.
13. März 1996 - 18 Tote: Offenbar aus Rache für seine Ausgrenzung als Jugendbetreuer richtet ein 43 Jahre alter Arbeitsloser in einer Grundschule im schottischen Dunblane ein Massaker an. Er erschießt 16 Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren sowie ihre Lehrerin in der Turnhalle. Dann tötet er sich selbst.
Sein Vater Peter Lanza, der von der Mutter geschieden war, äußerte sich bestürzt über die Tat. "Auch wir fragen uns: Warum?", erklärte er und versicherte, voll mit den Justizbehörden zusammenzuarbeiten. Frühere Klassenkameraden beschrieben den Täter als intelligenten, jedoch scheuen Einzelgänger. Einem Nachbarn zufolge litten er und sein älterer Bruder stark unter der Trennung der Eltern.
Rätselhafte Rolle der Mutter Nancy Lanza
Die Rolle von Nancy Lanza bleibt ebenfalls ein Rätsel. Entgegen erster Berichte arbeitete sie nicht als Lehrerin an der Grundschule, die ihr Sohn ins Visier nahm. Laut ABC war sie möglicherweise aber ehrenamtlich für die Schule tätig gewesen. Womit Nancy Lanza ihren Lebensunterhalt bestritt, war unklar. Früher soll sie in der Finanzbranche gearbeitet haben. Bekannte beschrieben die Frau mit schulterlangen blonden Haaren in der "New York Times" und der "Washington Post" als gesellig - aber auch als zugeknöpft, sobald es um ihr Privatleben und vor allem um Adam ging.
Zuhause hatte Nancy Lanza einen gut bestückten Waffenschrank. Auf ihren Namen seien zwei Handfeuerwaffen, zwei Jagdgewehre und ein halbautomatisches Gewehr der Marke Bushmaster registriert gewesen, berichteten US-Medien. "Waffen waren ihr Hobby", sagte Gärtner Dan Holmes, den sie mit der Verschönerung ihres Anwesens beauftragte, der "Washington Post". "Sie sagte mir, dass ihr beim Schießen die Zielstrebigkeit gefalle." Auch soll sie davon gesprochen haben, ihren Sohn Adam mit auf eine Schießbahn zu nehmen.
Am vergangenen Freitag richtete Adam Lanza eine der Waffen gegen seine Mutter, ehe er sich zur Sandy-Hook-Grundschule aufmachte. Zu den mysteriösen Details der Bluttat gehört auch, dass der junge Mann einen Ausweis seines Bruders bei sich getragen haben soll. Die Polizei hielt daher zunächst Ryan für den Schützen, die Verwechslung tauchte schnell auch in den Medien auf. Ryan Lanza, der offenbar in seinem Büro bei Ernst & Young in New York saß, reagierte laut ABC mit einer Serie von Botschaften auf dem Online-Netzwerk Facebook - und versuchte verzweifelt, klarzustellen, dass er nicht der Amokläufer sei. afp/AZ