Yavi Hameister führt das perfekte Leben. Ihre Fotos zeigen sie am Strand in Dubai, beim Joggen im Wald oder auf der Couch mit Mann und Kindern. Wer ein Bild sucht, auf dem die 31-Jährige nicht lächelt, muss lange scrollen. Diese Fröhlichkeit ist ansteckend und Hameisters Erfolgsrezept. Fast 33.000 Menschen verfolgen regelmäßig ihre Beiträge auf Instagram. Noch mehr lesen ihren Blog, auf dem sie Fitness-, Reise-, Rezept- und Erziehungstipps gibt, 2017 wird sie dafür mit einem Blogger Award ausgezeichnet.
Was niemand weiß: Das Streben nach der perfekten Inszenierung ihres Lebens hat Yavi Hameister krank gemacht. Jahrelang litt sie unter Essstörungen und Sportsucht. In ihrem Buch "Bis es weh tut" packt die junge Kölnerin nun aus.
Frau Hameister, tausende Menschen lesen täglich Ihre Beiträge, kommentieren Ihre Fotos und nehmen so an Ihrem Leben teil. In Ihrem Buch geben Sie nun zu, bisher eine "Maske" getragen zu haben, schreiben, dass Sie nie ganz Sie selbst waren. Kostet Sie das jetzt nicht viele Follower?
Yavi Hameister: Das war meine kleinste Sorge. Ich hatte viel mehr Angst davor, wie meine Familie und meine Freunde reagieren, wenn sie die Wahrheit über mich erfahren. Dass sie sich fragen, wie ich so viele Dinge verschweigen konnte und wer ich eigentlich wirklich bin. Diese Sorge hätte ich aber nicht haben müssen. Die Reaktionen auf mein Buch sind durchweg positiv – übrigens auch die meiner Follower. Viele finden mich mutig, sagen sie.
Was hat Sie denn zu diesem mutigen Schritt bewegt?
Hameister: Es ist erdrückend, immer perfekt sein zu wollen. Ich habe mich lange gequält, um mich schön zu fühlen, richtig körperlich gequält. Meine Essstörung und meine Fitnesssucht haben sogar dazu geführt, dass ich temporär unfruchtbar war – und ich wollte unbedingt ein Kind. Ich glaube, das war der Moment, der mir die Augen geöffnet hat. Ich habe gemerkt, dass andere Dinge im Leben wichtiger sind und wie befreiend es sein kann, einfach mal ehrlich und unperfekt zu sein. So geht es vielen Menschen, denke ich. Für sie und für mich selbst habe ich meine Geschichte aufgeschrieben. Ich konnte das alles so noch besser verarbeiten.
Sie schreiben, dass gerade soziale Netzwerke Druck auf Sie ausgeübt haben. Wie gefährlich können Instagram und Co. Ihrer Meinung nach sein?
Hameister: Sehr gefährlich. Ich denke, dass den meisten Usern schon klar ist, dass Instagram nicht die Realität abbildet. Schließlich funktioniert das Netzwerk mit Filtern und anderen Werkzeugen, die Bilder noch schöner machen. Aber: Der Mensch vergleicht sich eben gerne. Und naja, auf Instagram sind alle schön, schlank und durchtrainiert – zumindest auf ihren Fotos. Das hat sicher Einfluss auf Menschen, die ohnehin schon ein niedriges Selbstwertgefühl haben und mit ihrem Körper unzufrieden sind.
Warum haben Sie immer noch einen Instagram-Account?
Hameister: Wenn man Instagram – so wie ich mittlerweile – nicht ernst nimmt, macht es Spaß. Für mich ist das einfach ein "Museum mit schönen Dingen". Ich kann die Bilder anderer heute richtig einschätzen und mache mir mit meinen eigenen keinen Stress mehr. Und natürlich ist das Netzwerk auch ein Marketinginstrument für mich. Ich verdiene mit meinem Blog Geld, da gehört Social Media dazu.
Posten Sie andere Bilder als früher?
Hameister: Auf jeden Fall. Niemals hätte ich mich früher getraut, meinen untrainierten, unperfekten Bauch kurz nach der Geburt meines Sohnes zu zeigen. Auch ungeschminkt hätte ich mich nie fotografiert. Aber so bin ich. Und so sollen mich andere heute auch sehen.
Auch andere Blogger setzen sich "für mehr Realität auf Instagram" ein. Gibt es ein Umdenken? Wird Instagram in ein paar Jahren noch so aussehen wie heute? Wird es das Netzwerk überhaupt noch geben?
Hameister: Zumindest ähnlich, glaube ich. Denn das süße Leben, für das Instagram steht, hatte schon immer seinen Reiz. Immer noch – trotz Hashtags wie #fürmehrrealitätaufinstagram – werden Accounts groß, die eigentlich zu perfekt sind, um real zu sein. Vielleicht wird es sich wandeln, aber ich denke, Instagram wird noch eine ganze Weile bleiben. Im Übrigen versuchen wir ja nicht nur im Internet, sondern auch im realen Alltag, uns von unserer besten Seite zu zeigen. Darin sehe ich auch an sich nichts Schlechtes. Es ist nur wichtig – das musste ich schmerzhaft lernen – sich dabei immer selbst treu zu bleiben. Denn das ist es, was uns am Ende glücklich macht – und zwar ehrlich glücklich.
Yavi Hameister: "Bis es weh tut: Wie mich meine Sucht nach Aufmerksamkeit fast zerstörte", erschienen im mvgverlag.