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Billig-Brustimplantate: Skandal um minderwertige Brustimplantate - wichtiges Urteil naht

Billig-Brustimplantate

Skandal um minderwertige Brustimplantate - wichtiges Urteil naht

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    2010 wurde der Skandal um minderwertige Brustimplantate bekannt - der Rechtstreit dauert bis heute.
    2010 wurde der Skandal um minderwertige Brustimplantate bekannt - der Rechtstreit dauert bis heute. Foto: Symbolbild, Bruno Bebert (dpa)

    Muss der TÜV Rheinland für minderwertige Brustimplantate der französischen Skandal-Firma PIP geradestehen? Im Streit um Schadenersatzforderungen wegen der mit billigem Industrie-Silikon gefüllten Implantate fällt am Donnerstag ein wichtiges Urteil: Das Berufungsgericht der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence entscheidet, ob der TÜV betroffenen Frauen Schadenersatz zahlen muss.

    Es geht um einen Millionenbetrag. Der TÜV hatte das Herstellungsverfahren bei PIP zertifiziert, sieht sich aber selbst als ein Opfer des Betrugs.

    Der Skandal um die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) war 2010 publik geworden. PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezial-Silikon mit billigerem Industrie-Silikon befüllt, die Kissen reißen leichter und können Entzündungen auslösen. Weltweit wurden zehntausenden Frauen PIP-Implantate eingesetzt, in Deutschland sind Schätzungen zufolge rund 6000 Frauen betroffen.

    Hersteller PIP soll die Kontrolleure getäuscht haben

    Im November 2013 verurteilte das Handelsgericht der südfranzösischen Stadt Toulon den TÜV dazu, 1700 betroffenen Frauen Schadenersatz von zunächst je 3000 Euro zu zahlen. Das Gericht hielt dem TÜV vor, gegen seine "Kontroll- und Aufsichtspflichten" verstoßen zu haben. Die genaue Entschädigungszahlung soll dem Urteil zufolge später auf Grundlage von individuellen Gutachten festgelegt werden.

    Die Frauen hatten vor Gericht zusammen rund 25 Millionen Euro verlangt, sechs Händler weitere 28 Millionen Euro. Gegen das Urteil legte der TÜV umgehend Berufung ein.

    Ein Urteil im Strafprozess gegen PIP-Gründer Jean-Claude Mas nur einen Monat später in Marseille stärkte die Position des deutschen Prüfungsunternehmens. Die Richter verurteilten Mas unter anderem wegen Betrugs am TÜV - sie sahen es als erwiesen an, dass der Firmenchef die Kontrolleure bei ihren Besuchen vorsätzlich täuschte.

    Schadenersatz musste der TÜV nach dem Urteil von Toulon trotzdem zahlen, denn die eingelegte Berufung hatte keine aufschiebende Wirkung. Einen Antrag des Zertifizierungsunternehmens, die Vollstreckbarkeit des Urteils bis zum Berufungsurteil auszusetzen, lehnte das Berufungsgericht von Aix-en-Provence im Januar 2014 ab.

    Der TÜV kündigte daraufhin an, den 1700 Klägerinnen jeweils 3000 Euro plus 400 Euro für Rechtsauslagen zu zahlen - eine Summe von rund 5,8 Millionen Euro. Sollte der TÜV am Donnerstag Recht bekommen, könnte er das bereits gezahlte Geld von den Frauen zurückfordern.

    Deutsche Gerichte weisen Schadenersatzklagen zurück

    In Deutschland haben Gerichte eine Reihe von Schadenersatzklagen gegen den TÜV zurückgewiesen, eine Klage ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Anfang April legte der BGH diese dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

    Die Luxemburger Richter sollen klären, wie umfangreich die Prüfpflichten bei der Zertifizierung von Medizinprodukten sind. Beispielsweise geht es um die Frage, ob für eine CE-Zertifizierung nur das Herstellungsverfahren geprüft werden muss - wie es der TÜV bei PIP machte - oder ob auch die Produkte selbst kontrolliert werden müssen. Der EuGH soll ferner klären, ob "unangemeldete Inspektionen" nötig sind - der TÜV hatte Besuche bei PIP stets angekündigt.

    Das Handelsgericht von Toulon hatte dem TÜV in seinem Urteil von 2013 vorgehalten, eine einzige unangemeldete Kontrolle in der PIP-Fabrik hätte den Betrug "leicht" aufdecken können. Im Berufungsverfahren in Aix-en-Provence warf ein Opferanwalt dem TÜV  "schändliche Nachlässigkeit" vor. Die Anwältin des TÜV verwies dagegen unter anderem auf die französische Behörde für Arzneimittelsicherheit, die den TÜV von jeglicher Verantwortung freigesprochen hatte.

    Das Urteil am Donnerstag ist nicht nur für die 1700 Frauen von Bedeutung, denen in erster Instanz eine Entschädigung zugesprochen wurde. Denn am Handelsgericht von Toulon laufen derzeit zwei weitere Verfahren in der Affäre - mit fast 25.000 Klägerinnen. Und bei einer künftigen Entscheidung dürfte sich das Gericht in Toulon an dem Urteil orientieren, das das Berufungsgericht von Aix-en-Provence jetzt fällen wird. afp

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