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Billig-Brustimplantate: Medizinprüfer fordern strengere Auflagen

Billig-Brustimplantate

Medizinprüfer fordern strengere Auflagen

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    Im Skandal um Billig-Brustimplantate hat Deutschlands oberster Medizinprüfer Jürgen Windeler strengere Auflagen für den Marktzugang von Medizinprodukten gefordert.
    Im Skandal um Billig-Brustimplantate hat Deutschlands oberster Medizinprüfer Jürgen Windeler strengere Auflagen für den Marktzugang von Medizinprodukten gefordert. Foto: dpa

    Im Skandal um Billig-Brustimplantate hat Deutschlands oberster Medizinprüfer Jürgen Windeler einen strengeren Marktzugang für Medizinprodukte gefordert. Für Produkte mit hoher Risikoklasse wie Kniegelenke, Herzschrittmacher oder Hüftprothesen sollten im Grundsatz die gleichen Voraussetzungen gelten wie für Arzneimittel, sagte Windeler der "taz" vom Donnerstag. Auch die Niederlande empfehlen die Entfernung der Implantate.

    "Derzeitige Regelung ist unbefriedigend"

    Windeler, der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist, betonte, ein strengerer Marktzugang für Medizinprodukte, die länger im Körper bleiben, sei "im Interesse der Patienten". Die derzeitige gesetzliche Regelung "hängt die Hürden niedrig und ist unbefriedigend", kritisierte er.

    Skandal um PIP-Brustimplantate

    Eine Klagewelle rollt weltweit auf die Gerichte wegen des Skandals um defekte Billig-Brustimplantate der französischen Firma PIP zu.

    Hunderttausende Brustimplantate gefüllt mit einem Billig-Silikon hatte PIP von 2001 bis 2010 weltweit verkauft; in den Einlagen wurde aus Kostengründen statt eines medizinischen Silikons ein Industriesilikon verwendet, das eigentlich als Dichtungsmasse eingesetzt wird.

    Einlagen rissen gehäuft, in Deutschland wurden bisher 25 Fälle gemeldet. Die Opfer führen Entzündungen und sogar Krebsfälle auf das Industriesilikon zurück.

    PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas macht aus dem Einsatz von Billig-Silikon keinen Hehl, doch das war seiner Ansicht nach nicht schädlich.

    Die Anzeigen der betroffenen Frauen wenden sich allerdings nicht nur gegen PIP, sondern auch gegen die staatliche französische Medizinproduktebehörde Afssaps, gegen Ärzte und Kliniken sowie gegen den TÜV Rheinland.

    Der hatte PIP-Produkte europaweit zertifiziert und ihnen damit das begehrte CE-Siegel für geprüfte Sicherheit verschafft.

    In Frankreich wird deshalb gerne mit dem Finger auf den TÜV gezeigt: Die Afssaps, Ärzte und Krankenhäuser hätten sich auf den TÜV verlassen müssen, heißt es.

    Der TÜV Rheinland wiederum sieht keine Schuld bei sich, denn er sei bei seiner Prüfung von PIP «nachweislich umfassend und fortgesetzt getäuscht worden». Die Firma habe die Implantate geändert - also mit Industriesilikon gefüllt -, ohne dies mitzuteilen. Somit habe gar kein TÜV-Zertifikat für dieses Produkt vorgelegen. Der TÜV hat selbst Anzeige in Frankreich gegen PIP erstattet.

    Die EU will die Vorgaben strenger fassen, bevor ein Medizinprodukt überhaupt auf den Markt kommt. Eine staatliche Kontrolle, etwa ein Zulassungsverfahren wie bei Arzneimitteln, gibt es für Medizinprodukte nicht.

    Die Lieferanten des Industriesilikons, darunter der deutsche Chemiegroßhändler Brenntag, weisen eine Mitschuld von sich.

    Die französische Allianz-Tochter, bei der PIP versichert war, hält den Vertrag für ungültig, weil die Firma betrügerisch gehandelt habe

    Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, Carola Reimann (SPD), und die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, unterstützen diese Initiative. "Wir werden uns im

    PIP hatte hunderttausende Implantate verkauft

    Die französische Firma PIP hatte weltweit hunderttausende Brustimplantate verkauft. Die Billigkissen reißen verstärkt und rufen Entzündungen hervor. Außerdem gibt es nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vermehrt Hinweise, dass auch ohne Riss des Implantats Silikon austreten und sich im umliegenden Gewebe verteilen kann. Nach den französischen Behörden hatte deshalb auch das Bundesinstitut vor knapp einer Woche Frauen empfohlen, die Billig-Implantate entfernen zu lassen.

    Die niederländische Gesundheitsbehörde in Den Haag und der Verband der Schönheitschirurgen schlossen sich der Warnung an und erklärten am Mittwoch, die betroffenen Frauen sollten sich die Implantate herausoperieren lassen, selbst wenn kein Riss in den Silikon-Kissen zu sehen sei.

    BfArM rät definitiv zur Entfernung der Implantate

    BfArM-Präsident Walter Schwerdtfeger wies unterdessen Vorwürfe zurück, seine Behörde habe zu spät reagiert. Erst Anfang Januar habe es vermehrt Hinweise gegeben, dass das Problem mit den PIP-Implantaten "vielschichtiger" sei, sagte er am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Ärzte hätten berichtet, dass das Silikongel in größerem Maße aussickert, auch wenn die Hüllen der Implantate scheinbar noch intakt sind. Das sei "das Gefährliche an der Sache", sagte Schwerdtfeger. Deshalb rate das BfArM "definitiv" zu einer Entfernung der Implantate.

    Bislang sind dem BfArM in Deutschland 25 Fälle bekannt, in denen es bei PIP-Implantaten zu Rissbildungen gekommen ist. Wie viele Frauen insgesamt die Billig-Implantate bekommen haben, darüber gibt es bislang keine Zahlen. Um herauszufinden, ob sie PIP-Kissen tragen, sollten die Frauen in ihrem Implantat-Pass nachschauen, rät Schwerdtfeger. Auskunft erteilen aber auch die betreffenden Ärzte und Kliniken, die die Unterlagen 20 Jahre aufheben müssen. (afp)

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