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Bildung: Nachhilfe auf Youtube - was bringt das?

Bildung

Nachhilfe auf Youtube - was bringt das?

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    Youtube ist heute nicht nur eine Video-Plattform, sondern für manch einen Schüler auch eine echte Lernhilfe.
    Youtube ist heute nicht nur eine Video-Plattform, sondern für manch einen Schüler auch eine echte Lernhilfe. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Wenn man so will, kennt Lehrer Schmidt keinen Pausengong. Er nimmt niemals Urlaub. 24 Stunden am Tag steht er für Schüler bereit, die noch nicht verstanden haben, wie der Dreisatz funktioniert. Oder Bruchrechnen. Oder schriftliches Dividieren. Rund um die Uhr erklärt der Mann mit der tiefenentspannten Bassstimme Grundlagen und Geheimnisse der Mathematik und wird dabei auch in der Dauerschleife, von Klick zu Klick, nicht müde. „Hi und herzlich Willkommen bei Lehrer

    Fast die Hälfte der Kinder setzt beim Lernen auf Youtube

    Seit 2012 betreibt Schmidt seinen Kanal. Er war einer der ersten Youtube-Lehrer, heute ist er einer unter vielen.

    „Das Thema Lernen mit Youtube ist schon lange sehr aktuell“, sagt der bayerische Landesschülersprecher Stefan Lindauer. Als er selbst an der Berufsoberschule Neusäß im Frühjahr für sein Abitur lernte, nutzte er solche Videos. Zuletzt, als es im Biologie-Unterricht um Nervenzellen ging und um die Evolution. „Die Videos bieten ganze Schulstunden und geballtes Grundwissen, auf wenige Minuten komprimiert“, sagt Lindauer. „Ich kann sie überall mitnehmen und abrufen, auf dem Sofa, im Café, im Fitness-Studio.“

    Bruchrechnen ist auf Youtube der absolute Hit

    Dennoch sehe er die Schwachstellen des Prinzips „Lernen mit Youtube“: Die Videos sind nicht immer auf eine Schulart oder auf Kapitel in den Schulbüchern abgestimmt. „Viele junge Schüler hinterfragen außerdem die Quellen der Videos nicht“, sagt Lindauer. Die Qualität der Lernangebote sei sehr unterschiedlich. Diese Videos werden dabei nicht nur von Schülern nach Schulschluss genutzt, sondern auch von Lehrern im Unterricht, als Ergänzung. „Junge Lehrkräfte scheinen mir da aufgeschlossener als ältere“, sagt Lindauer.

    Die Youtube-Karriere des Lehrers Schmidt begann mit einer Schulklasse, die er recht gut leiden konnte. Die Schüler dieser Klasse konnten eines jedoch überhaupt nicht leiden: Hausaufgaben. Sie wünschten sich mehr Hilfe. Schmidt zückte daraufhin die Handykamera und lud Erklärvideos als kleine Hilfestellung auf den Schulserver hoch und bald auf Youtube. Heute ist Lehrer Schmidt Youtuber. Seine Videos kommen dabei immer noch ganz ohne aufwendige, schrille Animationen aus. Ein Zoom auf ein Blatt Papier, eine Hand, die Stift, Geodreieck oder Zirkel hält, dazu Schmidts Stimme. Warum der Lehrer seine Videos so schlicht gestaltet? „Ganz einfach. Weil ich es gar nicht anders könnte“, sagt er und lacht. Und was bietet ein Video, was ein Lehrer nicht bieten kann? „Vor allem unendliche Geduld.“

    Youtube ist heute ein Leitmedium

    Bruchrechnung sei der „absolute Hit“ auf seinem Kanal, sagt der Lehrer aus dem Netz. Sein beliebtestes Video wurde 1,2 Millionen mal aufgerufen. Schmidt verfolgt das: „Um 5 Uhr morgens beginnen die Klicks.“ Um 8 Uhr, wenn er selbst vor der Tafel steht, sind es meist schon tausende. „Irgendwann wird es zu einer Sucht.“ Wenn er um 10 Uhr abends durch die Kommentarspalten blättere, sei das für ihn wie eine warme Dusche. Dort stößt er auf viel Dank und Lob. Regelmäßig erhalte er Mails von Müttern und Vätern. „Viele Kritiker fragen zwar immer noch: Youtube? Muss das sein? Ist das noch Lernen? Aber ich halte mich an einen Grundsatz: Alles was hilft, ist gut.“

    Für Susanne Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands steht fest: „Kein Medium ist an und für sich schlecht oder gut.“ Sie sagt: „Der beste Lehrer ist derjenige, der das Medium nutzt, das für ihn und seinen persönlichen Stil authentisch ist und das auch gut zu seinen Schülern passt.“ Die entscheidende Frage sei, ob das Mittel zum Lernerfolg des Kindes führt.

    Es gebe heute so viele Möglichkeiten und Wege, Wissen zu vermitteln und Inhalte zu verstehen. Die Bandbreite sei so groß wie nie zuvor. „Und kein Lehrer sagt heute: Diese neue mediale Welt berührt mich überhaupt nicht.“ Entscheidend sei eine reflektierte, medienkritische Nutzung. „Lehrer müssen sich fragen: Ist das didaktisch eine gute Sequenz? Wer hat das Video hochgeladen?“

    Lehrer Schmidt fordert ein Qualitätssiegel für Youtube

    Lehrer Schmidt beobachtet die Entwicklung: „Youtube ist heute ein Leitmedium, vor fünf Jahren war das noch nicht so.“ Er ist nicht mehr allein in seinem Segment. „Wir sind eine kleine Clique von Youtube-Lehrern. Und jeder hat seine eigene Nische.“ Wenn Lehrer Schmidt sich in Videos einen Fehler erlaubt, muss er zwar keinen Rotstift und keine schlechte Note fürchten. Sehr wohl aber die Kritik seiner Netz-Kollegen und Fans. In den Kommentarspalten bleibt kein Fehler und keine krumme Erklärung ungeahndet: „Da heißt es schon einmal: Aber Herr Schmidt, das können Sie doch besser.“ Wenn sich aber innerhalb von 24 Stunden keiner seiner Youtube-Kollegen melde, dann wisse er: Das Video ist gut.

    Trotzdem wünscht sich der Lehrer aus Uelsen eine Qualitäts-Kontrolle auf dieser freien Plattform: „Wir bräuchten ein Qualitätssiegel für solche Videos, wenn wir Youtube als Medium ernst nehmen. Aber Youtube ist eben ein gewinnorientierter, amerikanischer Konzern.“

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