Es sind bemerkenswerte Ergebnisse, die eine Mitarbeiterbefragung der Springer-Medien Bild, Bild am Sonntag und B.Z. zutage gefördert hat: Berichten zufolge erzählen 225 Befragte – ein Viertel – nach außen ungern, dass sie beim Boulevardblatt Bildarbeiten. Die Frage, ob die Titel ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht würden, beantworteten die Befragten auf einer Skala von 0 bis 10 mit dem Durchschnittswert 5,5.
Die Befragung ist eine Folge der offensichtlichen Zerwürfnisse, die es bei Bild unter dem intern wie extern umstrittenen Chefredakteur Julian Reichelt gab. Der baute die Bild zu einem krawalligen und zunehmend politisierten Medium um, aggressiv im Ton und umgeben von einer „Boygroup“ genannten Gruppe von Redakteuren. Erst kürzlich überstand er ein sogenanntes Compliance-Verfahren, bei dem Vorwürfe wie Machtmissbrauch untersucht wurden. Reichelt durfte bleiben, bekam jedoch Alexandra Würzbach an die Seite gestellt.
Auch Bild-Chef Julian Reichelt äußert sich selbstkritisch
Die bat einem Spiegel-Bericht zufolge bei der Online-Vorstellung der Mitarbeiterbefragung am Montagnachmittag um Entschuldigung – bei allen, „die sich respektlos behandelt gefühlt haben in letzter Zeit, in der Vergangenheit und die auch von Angst gesprochen haben“. Demnach äußerte sich auch Reichelt selbst. Er sagte, es brauche jetzt ein „Comeback des Miteinanders“. Den Kreis an Getreuen habe er möglicherweise ein wenig eng gesteckt.
Reichelt und der Kurs derBild sorgten in den vergangenen Jahren immer wieder für heftige Kritik. Das Arbeitsklima bei Bild mag sich nun vielleicht ändern – ob sich etwas an der Berichterstattung ändert, ist zweifelhaft. Zuletzt sorgte ein Artikel über den Gondelabsturz in Italien für Empörung. Die Bild veröffentlichte ein unverpixeltes Familienfoto – zusammen mit der Schlagzeile: „E. (5) weiß noch nicht, dass seine Familie tot ist“. Den Namen des Jungen schrieb sie aus.
Ob der Bild-TV-Sender kommt, entscheidet sich schon bald
Julian Reichelt muss derzeit nicht nur mit interner wie externer Kritik umgehen - er steht auch unter dem stetig zunehmenden Druck, die Bewegtbild-Strategie von Springer voranzutreiben - mit einemBild-Sender, der frei empfangbar noch vor der Bundestagswahl starten soll. Nach Angaben der zuständigen Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) liegt mittlerweile ein Lizenzantrag vor. "Dieser wird voraussichtlich in der Sitzung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten am 15. Juni 2021 beraten", sagte Sprecherin Anneke Plaß am Dienstag auf Anfrage.
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