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Berlin/Istanbul: Mord an Deutsch-Türkin Hatun Sürücü: Gericht spricht Brüder frei

Berlin/Istanbul

Mord an Deutsch-Türkin Hatun Sürücü: Gericht spricht Brüder frei

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    Die Deutsch-Türkin Hatun Sürücü war 2005 von einem ihrer Brüder in Berlin erschossen worden.
    Die Deutsch-Türkin Hatun Sürücü war 2005 von einem ihrer Brüder in Berlin erschossen worden. Foto: Rainer Jensen (dpa)

    Mehr als zwölf Jahre nach dem „Ehrenmord“ an der jungen Deutsch-Türkin Hatun Sürücü in Berlin muss die Familie der Getöteten vorerst keine Strafverfolgung mehr befürchten. Ein Gericht in Istanbul sprach zwei ältere Brüder der Muslima am Dienstag frei. Sie sollen im Februar 2005 die Tatwaffe besorgt und ihren jüngeren Bruder zu den Schüssen auf ihre Schwester angehalten haben. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung von Mutlu und Alparslan Sürücü wegen Beihilfe zum Mord gefordert.

    Das Gericht begründete die Freisprüche mit einem Mangel an Beweisen. Bei einer Verurteilung hätten die Angeklagten mit jeweils bis zu 20 Jahren Haft rechnen müssen.

    Hatun Sürücü war in Berlin getötet worden

    Hatun Sürücü, die als Teenager von ihren Eltern in der Türkei zwangsverheiratet wurde, war mit drei Kopfschüssen an einer Berliner Bushaltestelle getötet worden – wegen ihrer westlichen Lebensweise. Der Fall hatte in Deutschland eine heftige Diskussion über sogenannte Ehrenmorde ausgelöst. Der als Todesschütze verurteilte jüngste Sürücü-Bruder Ayhan berichtete vor dem Gericht in Berlin damals von seiner tiefen Verachtung für den Lebensstil seiner 23-jährigen Schwester.

    Der Istanbuler Prozess gegen die beiden älteren Sürücü-Brüder Mutlu und Alparslan begann im Januar vergangenen Jahres und war eine Folge der Gerichtsprozesse in Deutschland. In Berlin war Ayhan Sürücü im Jahr 2006 zu neun Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung der Strafe in die Türkei abgeschoben worden, wo auch seine heute 36 und 38 Jahre alten Brüder leben. Ayhan soll als Täter ausgesucht worden sein, weil er als zum Tatzeitpunkt 19-Jähriger mit einer relativ milden Strafe rechnen konnte – eine Taktik, die bei „Ehrenmorden“ häufig angewendet wird.

    Mutlu und Alparslan standen in Berlin zwar ebenfalls vor dem Richter, wurden aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen und setzten sich an den Bosporus ab. Deutsche Auslieferungsanträge nach der Aufhebung der Freisprüche durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2007 lehnte die Türkei ab und leitete stattdessen ein eigenes Verfahren ein. Vor den Istanbuler Richtern wiederholten die drei Sürücüs nun ihre Version der Dinge: Ayhan bekräftigte, er habe den Mord allein und ohne Hilfe seiner Brüder begangen. Im Übrigen bedauere er es, dass sich die türkische Justiz mit der Sache befassen müsse. Reue wegen des Mordes an seiner Schwester war bei ihm nicht erkennbar. Ayhans Brüder verwiesen auf ihre Freisprüche in Deutschland.

    Staatsanwaltschaft kann im Fall Sürücü Einspruch einlegen

    Mithilfe von Telefonaufzeichnungen aus Deutschland wollte die Istanbuler Staatsanwaltschaft den Sürücü-Brüdern nachweisen, dass sie unmittelbar nach dem Mord miteinander sprachen. Zudem soll Ayhan Sürücü seiner damaligen Freundin gesagt haben, er sei von seinen Brüdern unterstützt worden. Die Frau wurde im Istanbuler Prozess jedoch nicht vernommen.

    Nach den Freisprüchen kann die Istanbuler Staatsanwaltschaft jetzt Einspruch bei einem übergeordneten Gericht einlegen. Am Dienstag blieb aber offen, ob dies geschehen wird. Die Vorsitzende der Initiative „Wir stoppen die Gewalt gegen Frauen“, Gülsüm Kav, sagte unserer Redaktion, sie setze keine großen Hoffnungen mehr in die türkische Justiz. Insbesondere seit der Verhängung des Ausnahmezustandes nach dem Putschversuch des vergangenen Jahres beobachte ihr Verband, dass Gerichtsverfahren wegen Verbrechen an Frauen auffällig häufig mit Freisprüchen endeten, sagte sie.

    Laut einer Zählung der Internetplattform „Bianet“ wurden im vergangenen Jahr in der Türkei 261 Frauen von Angehörigen oder Lebensgefährten getötet. In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden bereits 101 Opfer gezählt.

    Frauenrechtlerin Kav betonte, Gerechtigkeit für Hatun Sürücü könne nun nur noch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder von der deutschen Justiz kommen. Die Bundesrepublik könne nach den Freisprüchen in Istanbul von der Türkei die Auslieferung von Mutlu und Alparslan verlangen. Die Erfolgschancen einer solchen Initiative Berlins seien allerdings äußerst gering.

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