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BGH: Industriesilikon in der Brust: Frau verklagt TÜV Rheinland

BGH

Industriesilikon in der Brust: Frau verklagt TÜV Rheinland

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    Weil sie sich Brustimplantate des französischen Herstellers PIP einsetzen hat lassen, verklagt eine Frau den TÜV Rheinland.
    Weil sie sich Brustimplantate des französischen Herstellers PIP einsetzen hat lassen, verklagt eine Frau den TÜV Rheinland. Foto: Bruno Bebert/Symbol (dpa)

    Fünf Jahre ist der Skandal um falsche Brustimplantate her. Im Jahr 2010 war bekannt geworden, dass eine französische Firma statt medizinisch geprüftem Silikon Industriesilikon in

    Der TÜV hätte das Unternehmen kontrollieren sollen

    Um Brustkrebs vorzubeugen, hatte sich die Frau 2008 die Silikonkissen des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) einsetzen lassen. Nachdem der Skandal bekannt geworden war, ließ sie sich die Implantate 2012 wieder entfernen. Seitdem versucht die Frau, den TÜV Rheinland auf Schmerzensgeld zu verklagen. Der Grund: Es war die Aufgabe des TÜV die Produktionsprozesse des Implantateherstellers zu überwachen. Nur so konnte das französische Unternehmen das europäische Qualitätssiegel CE bekommen.

    Bisher war die Klage der Frau aber in allen Instanzen gescheitert. Deshalb hatte sie Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Sie fordert 40.000 Euro Schmerzensgeld vom TÜV. Mit ihr hatten auch andere Frauen versucht, den TÜV zu verklagen. Sie alle werfen der Prüfstelle vor, den Hersteller nicht ausreichend überwacht zu haben. Bislang scheiterten aber alle Verfahren.

    Urteil zu Brustimplantaten hat Signalwirkung

    Aus diesem Grund könnte das Urteil des BGH heute Signalwirkung haben. Denn nach Angaben eines Sprechers vom TÜV Rheinland haben Gerichte noch etwa zehn Verfahren mit Blick auf den BGH ausgesetzt. Sie warten erst die Entscheidung des obersten Gerichtshofes in Deutschland ab.

    Skandal um PIP-Brustimplantate

    Eine Klagewelle rollt weltweit auf die Gerichte wegen des Skandals um defekte Billig-Brustimplantate der französischen Firma PIP zu.

    Hunderttausende Brustimplantate gefüllt mit einem Billig-Silikon hatte PIP von 2001 bis 2010 weltweit verkauft; in den Einlagen wurde aus Kostengründen statt eines medizinischen Silikons ein Industriesilikon verwendet, das eigentlich als Dichtungsmasse eingesetzt wird.

    Einlagen rissen gehäuft, in Deutschland wurden bisher 25 Fälle gemeldet. Die Opfer führen Entzündungen und sogar Krebsfälle auf das Industriesilikon zurück.

    PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas macht aus dem Einsatz von Billig-Silikon keinen Hehl, doch das war seiner Ansicht nach nicht schädlich.

    Die Anzeigen der betroffenen Frauen wenden sich allerdings nicht nur gegen PIP, sondern auch gegen die staatliche französische Medizinproduktebehörde Afssaps, gegen Ärzte und Kliniken sowie gegen den TÜV Rheinland.

    Der hatte PIP-Produkte europaweit zertifiziert und ihnen damit das begehrte CE-Siegel für geprüfte Sicherheit verschafft.

    In Frankreich wird deshalb gerne mit dem Finger auf den TÜV gezeigt: Die Afssaps, Ärzte und Krankenhäuser hätten sich auf den TÜV verlassen müssen, heißt es.

    Der TÜV Rheinland wiederum sieht keine Schuld bei sich, denn er sei bei seiner Prüfung von PIP «nachweislich umfassend und fortgesetzt getäuscht worden». Die Firma habe die Implantate geändert - also mit Industriesilikon gefüllt -, ohne dies mitzuteilen. Somit habe gar kein TÜV-Zertifikat für dieses Produkt vorgelegen. Der TÜV hat selbst Anzeige in Frankreich gegen PIP erstattet.

    Die EU will die Vorgaben strenger fassen, bevor ein Medizinprodukt überhaupt auf den Markt kommt. Eine staatliche Kontrolle, etwa ein Zulassungsverfahren wie bei Arzneimitteln, gibt es für Medizinprodukte nicht.

    Die Lieferanten des Industriesilikons, darunter der deutsche Chemiegroßhändler Brenntag, weisen eine Mitschuld von sich.

    Die französische Allianz-Tochter, bei der PIP versichert war, hält den Vertrag für ungültig, weil die Firma betrügerisch gehandelt habe

    Der Gründer der französischen Firma sitzt mittlerweile im Gefängnis. Ein Gericht in Marseille verurteilte ihm in Dezember 2013 zu vier Jahren Haft. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er den TÜV Rheinland absichtlich hinters Licht geführt habe.

    Statt hochwertiger Medizinprodukte haben sich Tausende Frauen unwissentlich Implantate mit Billigsilikon in ihre Brüste einsetzen lassen. Ihre Klagen auf Schmerzensgeld blieben bisher ohne Erfolg. Nun ist Karlsruhe am Zug. AZ/dpa

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