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App "Lernsieg": Zu viele Hass-Mails: App zur Bewertung von Lehrern wieder offline

App "Lernsieg"

Zu viele Hass-Mails: App zur Bewertung von Lehrern wieder offline

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    "Lernsieg" bot Schülern eine Plattform, Lehrer zu beurteilen. Doch nachdem er Hass-Mails erhalten hatte, ließ der Ideengeber Benjamin Hadrigan die App nun vorerst abschalten.
    "Lernsieg" bot Schülern eine Plattform, Lehrer zu beurteilen. Doch nachdem er Hass-Mails erhalten hatte, ließ der Ideengeber Benjamin Hadrigan die App nun vorerst abschalten. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbolbild)

    Kaum stand sie zum Download bereit, da wurde sie schon wieder abgeschaltet: Wenige Tage nach ihrem Start ist die App "Lernsieg", mit der Schüler Lehrer bewerten können, nicht mehr im Netz zu finden. Eine Pressemitteilung bot am Dienstag nun eine Erklärung: Der Entwickler der App, der 18-jährige Schüler Benjamin Hadrigan aus Wien, habe zahlreiche Hass-Mails erhalten. "Hadrigan und sein Team haben sich deshalb entschlossen, die App vorübergehend aus dem Netz zu nehmen, um eine Strategie für solche Angriffe zu entwickeln", teilte die Presseagentur pr-a mit. Derzeit entwickle das Team einen Plan, wann und wie die App wieder freigeschaltet werden kann. Hadrigan selbst möchte sich vorerst nicht zu den Hass-Mails äußern.

    Die App "Lernsieg" wurde in kurzer Zeit 70.000 Mal heruntergeladen

    "Lernsieg" war am Freitagvormittag in Deutschland und Österreich gestartet. Schüler konnten seitdem auf diesem Portal die Leistung von Lehrern beurteilen. Die bestmögliche Wertung: fünf Sterne. "Die Bewertungen fielen im Schnitt recht positiv aus", heißt es in der Pressemitteilung. "Schulen erhielten durchschnittlich 3,88 Sterne, Lehrer 3,96 Sterne, was im Schulnotensystem einem 'gut' entspricht." Dennoch: Die "Flut an Hass-E-Mails", die Hadrigan in den vergangenen Tagen traf, sei einem Schüler "weder in Menge noch Inhalt zumutbar". Die Wut-Mails kamen pr-a zufolge vor allem von Erwachsenen. Die Agentur wolle diese Nachrichten aber nicht veröffentlichen, "um den Hass nicht weiter zu verbreiten".

    Der 18-jährige Benjamin Hadrigan ist der Entwickler der Lehrer-Bewertungs-App "Lernsieg". Laut seiner Agentur sieht er sich nun mit einer "Flut an Hass-Mails" konfrontiert.
    Der 18-jährige Benjamin Hadrigan ist der Entwickler der Lehrer-Bewertungs-App "Lernsieg". Laut seiner Agentur sieht er sich nun mit einer "Flut an Hass-Mails" konfrontiert. Foto: Georg Hochmuth, APA, dpa

    Seit dem Start seien mehr als 125.000 Bewertungen für Lehrer auf "Lernsieg" abgegeben worden, etwa 70.000 Downloads verzeichnete die App. Die österreichische Lehrer-Gewerkschaft hatte das Portal schon vor dem Start scharf kritisiert: Gewerkschafter Paul Kimberger kündigte an, die App mit allen rechtlichen Mitteln verhindern zu wollen. Auch Bayerns Kultusminister Michael Piazolo äußerte sich kritisch: "Eine Lehrerbewertungs-App lehne ich ab. Wichtig ist mir, dass unsere Lehrer Informationen darüber bekommen, wie ihr Unterricht ankommt, ohne dass sie an den Pranger gestellt werden."

    Der Bayerische Lehrerverband bewertet "Lernsieg" kritisch

    Für Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband, ist der Trubel um "Lernsieg" dagegen ein deutliches Signal: "Wenn tausende junge Menschen innerhalb kürzester Zeit so eine App herunterladen und Bewertungen abgeben, ist das ein Zeichen. Irgendetwas scheint in unserer Feedback-Kultur zu fehlen, es gibt da ein großes Bedürfnis." Nichtsdestotrotz sieht Fleischmann Apps und Seiten wie "Lernsieg" kritisch. "Feedback ist wichtig für Lehrer und wir brauchen auch eine Analyse. Aber bitte nicht in Form einer anonymen Plattform mit Noten und einem Ranking", sagt die BLLV-Präsidenten. Dies sei der falsche Weg. "Wir brauchen stattdessen mehr Dialog zwischen Lehrern und Schülern, Face-to-Face." Vor allem in Zeiten von Cybermobbing und Hasskommentaren sei dieser Kontakt besonders wichtig.

    Schüler bewerten Lehrer: "Lernsieg" ähnelt "spickmich.de"

    Das Prinzip der App ist nicht neu. "Lernsieg" erinnert an die Seite spickmich.de, die vor rund zehn Jahren deutsche Gerichte beschäftigte. Lehrer versuchten damals, sich juristisch gegen beleidigende Beiträge auf der Seite zu wehren - jedoch ohne Erfolg. 2014 wurde die Plattform eingestellt. Auf "Lernsieg" können Schüler, anders als bei spickmich.de, keine Kommentare über Lehrer hochladen. Die Pädagogen können ausschließlich in vorgegebenen Kategorien, etwa Unterricht, Vorbereitung oder Pünktlichkeit, mit Sternen bewertet werden.

    Der junge Österreicher Hadrigan hatte vor dem Start von "Lernsieg" erklärt, was er sich von der App erhofft: Er gehe davon aus, dass sich schlecht bewertete Lehrer bemühen würden, ihren Unterricht zu verbessern. "Es will doch jeder der beste Lehrer werden", sagte Hadrigan, der im März ein Buch über das Lernen mit Sozialen Netzwerken veröffentlicht hat. Bei seinem "Lernsieg"-Projekt wird er von einem Medienanwalt und einem Konsortium von Investoren unterstützt.

    Der Bayerische Landesschülerrat fordert mehr Feedback-Möglichkeiten

    Auch der Bayerische Landesschülerrat bezieht in der Debatte um "Lernsieg" Stellung. "Die Feedback-Kultur an den Schulen möchten Schüler so nicht mehr hinnehmen. Denn Feedback muss immer beidseitig sein", sagt der bayerische Landesschülersprecher Stefan Lindauer. Dass Schüler Lehrern Feedback geben, geschehe eher selten. "An Berufsschulen passiert das gelegentlich, oder bei Referendaren, die Feedbackbögen verteilen. Die meisten kritischen Rückmeldungen gehen aber im Schulalltag unter – und das muss sich ändern."  Wichtig wäre aus seiner Sicht ein Feedback von Angesicht zu Angesicht.

    "Lernsieg" bietet aus Lindauers Sicht keine Lösung. "Solche Seiten und Apps sehen wir kritisch, gerade aufgrund der Anonymität", sagt Lindauer. "Im Internet ist eine schlechte Bewertung schnell eingetippt, oft im Affekt. Natürlich entwickelt sich da schnell eine Atmosphäre des Anprangerns." Das Niveau dieses Feedbacks per Klick bezeichnet er als fragwürdig. Zudem sei es kaum möglich, diese sensiblen Daten wieder aus dem Netz löschen. Eine schlechte Bewertung könne sich schlimmstenfalls auch auf die berufliche Zukunft der Betroffenen auswirken. Lindauer würde sich eine Alternative wünschen: ein ganz neues Feedback-System für den Schulalltag. Die Initiative solle dabei nicht von einem wirtschaftlichen Unternehmen ausgehen, sondern von Schülern und Lehrern in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium. (mit dpa)

    Lesen Sie dazu auch: Schüler bewerten Referendare - Das sagen die Nachwuchslehrer

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