Sri Lankas Regierung hat eine einheimische radikal-islamische Gruppe für die verheerenden Anschläge vom Ostersonntag verantwortlich gemacht. Sieben Selbstmordattentäter hatten dabei in drei Kirchen und drei Luxushotels fast 300 Menschen mit in den Tod gerissen und mehrere Hundert verletzt. Die Regierung sei fest davon überzeugt, dass die Gruppe National Thowheeth Jama'ath die Taten verübt habe, sagte Kabinettssprecher Rajitha Senaratne am Montag. Zuvor habe es Hinweise auf Anschlagspläne der Gruppe gegeben.
Polizei in Sri Lanka hatte Hinweise auf mögliche Anschläge auf Kirchen
Mehr als eine Woche vor der Anschlagsserie hatte die Polizei des Landes Hinweise auf mögliche Angriffe auf Kirchen. Der stellvertretende Polizeichef Priyalal Dissanayake verfasste am 11. April ein Schreiben, in dem er von Anschlagsplänen einer einheimischen radikal-islamischen Gruppe auf katholische Kirchen sowie die indische Botschaft in Sri Lanka warnte. Namentlich genannte Verdächtige hätten nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im März im neuseeländischen Christchurch gegen andere Religionen gehetzt, hieß es.
Nur rund zehn Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Muslime. Islamistische Terrorangriffe hatte es bisher in dem tropischen Inselstaat nicht gegeben.
Kabinettssprecher Senaratne bestätigte am Montag in einer Pressekonferenz die Echtheit des an mehrere Polizeieinheiten adressierten Schreibens, das Telekommunikationsminister Harin Fernando auf Twitter veröffentlicht hatte. Premierminister Ranil Wickremesinghe sei jedoch nicht informiert worden.
Senaratne, der auch Gesundheitsminister ist, kritisierte das angespannte Verhältnis zwischen Wickremesinghe und den Sicherheitsdiensten unter Staatspräsident und Verteidigungsminister Maithripala Sirisena. Sirisena hatte Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen und ersetzt. Wickremesinghe gewann aber den Machtkampf und blieb im Amt. "Dies ist das einzige Land, wo, wenn der Premierminister den Sicherheitsrat einberuft, sie (gemeint sind deren Mitglieder) nicht erscheinen", sage Senaratne.
Sri Lanka - ein religiös gespaltenes Land
Sri Lanka ist ein Inselstaat im Indischen Ozean. Die offizielle Hauptstadt mit dem Regierungssitz heißt Sri Jayewardenepura, de facto gilt aber Colombo als Hauptstadt. Das Land ist religiös gespalten.
Die Tropeninsel mit ihren knapp 21 Millionen Einwohnern ist mehrheitlich buddhistisch. Rund 12,6 Prozent der Bevölkerung sind Hindus, 9,7 Prozent Muslime und 7,4 Prozent Christen. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der verschiedenen Religionsgemeinschaften.
Seit Ende des Bürgerkriegs im Mai 2009 wurden nach Angaben des Auswärtigen Amts in Sri Lanka bis zum 21. April 2019 keine Terroranschläge mehr verübt. Militär und Polizei seien aber "weiterhin sichtbar präsent".
Im Bürgerkrieg von 1983 bis 2009 kämpften die "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Insel. Die Tamilen sind zumeist Hindus.
Die LTTE verübte im ganzen Land Selbstmordanschläge und sprengte Züge in die Luft. Die Armee bombardierte das Siedlungsgebiet der Tamilen. Schätzungen zufolge starben während des Bürgerkriegs an die 100.000 Menschen.
Die LTTE wurde unter anderem von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. Auch der staatlichen Armee werden Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Heute ist die LTTE zerschlagen. Doch der Konflikt schwelt weiter. Etliche Tamilen suchen noch nach Angehörigen, die nach 2009 in Internierungslager der Armee kamen und seitdem verschwunden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten von bis heute anhaltenden Entführungen, Vergewaltigungen und Folter von Tamilen durch Sicherheitskräfte.
Die Explosionen in drei Kirchen und drei Luxushotels hatten sich am Sonntagvormittag (Ortszeit) nahezu zeitgleich ereignet - sie wurden nach Angaben eines Forensikers des Verteidigungsministeriums von insgesamt sieben Selbstmordattentätern verübt. Zu zwei späteren Explosionen in einem weiteren Hotel und einer Wohngegend in Vororten der Hauptstadt Colombo gab es zunächst keine näheren Angaben. Insgesamt gab es mindestens acht Detonationen. In den Kirchen fanden gerade Ostergottesdienste statt. Dort gab es die meisten Opfer. Am Sonntagabend wurde in der Nähe des größten Flughafens der Insel, rund 30 Kilometer von Colombo entfernt, ein Sprengsatz gefunden und entschärft, wie ein Sprecher der Luftwaffe mitteilte.
Eines der 300 Opfer soll einen deutschen Pass gehabt haben
Die Motive der Attentäter waren auch am Montagmorgen noch unklar. Nach Polizeiangaben wurden inzwischen 24 Verdächtige festgenommen, die verhört würden.
Die überwiegende Mehrzahl der insgesamt mindestens 290 Toten stammen aus Sri Lanka. Nach Polizeiangaben wurden aber auch mindestens 35 Ausländer aus mehreren Ländern getötet. Nach Angaben der Regierung oder der jeweiligen Länder wurden unter anderem acht Briten, drei Dänen und eine niederländische Urlauberin getötet, auch Menschen aus den USA, China, Japan und der Türkei waren unter den Todesopfern.
Bei den dänischen Todesopfern handelt sich nach Angaben dänischer Medien um drei der vier Kinder des reichsten Mannes Dänemarks, des Eigentümers des Modekonzerns Bestseller, Anders Holch Povlsen. Ein Sprecher des Konzerns bestätigte das unter anderem der Zeitung Ekstra Bladet und dem dänischen Rundfunk DR. Er bat um die Wahrung der Privatsphäre der Familie.
Eines der Todesopfer der Anschläge auf Sri Lanka hatte nach Informationen des Auswärtigen Amtes neben dem US-amerikanischen auch einen deutschen Pass. Soweit bisher bekannt seien keine weiteren Deutschen unter den Opfern, teilte das Außenministerium am Montag weiter mit. Sri-Lanka-Urlauber, die mit Tui und DERtour in Sri Lanka unterwegs waren, haben die Anschläge nach Angaben dieser deutschen Reiseveranstalter unbeschadet überstanden. Unter den rund 450 Verletzten, die noch in Krankenhäusern behandelt wurden, waren 19 Ausländer.
Alle Festgenommenen stammen aus Sri Lanka
Wie Premierminister Wickremesinghe in einer Fernsehansprache sagte, stammten die Festgenommenen alle aus Sri Lanka. Er wolle aber im Ausland um Unterstützung bitten, um herauszufinden, ob die Angreifer Verbindungen zum internationalen Terrorismus hätten. "Wir werden nicht zulassen, dass der Terrorismus in Sri Lanka sein Haupt erhebt. Alle Maßnahmen werden ergriffen, um den Terrorismus auszulöschen", sagte Wickremesinghe. Sri Lankas Geheimdienst hätten Hinweise auf einen möglichen Anschlag vorgelegen. Es müsse untersucht werden, warum keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden seien, sagte Wickremesinghe.
Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene machte Extremisten für die "terroristische Attacke" verantwortlich. Er verkündete eine landesweite Ausgangssperre, die bis zum frühen Montagmorgen galt. Zudem sperrte die Regierung nach seinen Angaben vorübergehend den Zugang zu sozialen Medien. Auch nach Ende der Sperre blieben die Schulen und Universitäten zunächst geschlossen.
Der südasiatische Inselstaat im Indischen Ozean mit seinen tropischen Stränden ist ein beliebtes Touristenziel, auch für Deutsche und andere Europäer. Dort hatte es seit Jahren keinen größeren Anschlag gegeben. 2009 war ein 26 Jahre dauernder Bürgerkrieg zu Ende gegangen. Nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Christen. Die Mehrheit der 20 Millionen Einwohner sind Buddhisten.
Weltweites Entsetzen nach Anschlägen in Sri Lanka
Die Anschlagsserie sorgte international für Entsetzen. Papst Franziskus gedachte der Opfer vor Zehntausenden Gläubigen in Rom. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "schockiert über die terroristischen Attacken auf Kirchen und Hotels an Ostersonntag, einem heiligen Tag für Christen überall auf der Welt". Staats- und Regierungschefs - darunter US-Präsident Donald Trump, Russlands Präsident Wladimir Putin, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel - verurteilten die Angriffe scharf.
Aus Solidarität mit Sri Lanka leuchtete das Rathaus von Tel Aviv in den Farben des Inselstaates. Am Eiffelturm in Paris wurde auf die traditionelle Nachtbeleuchtung verzichtet, um der Opfer in Sri Lanka zu gedenken.
Das Auswärtige Amt aktualisierte kurz nach den Attacken seine Reisehinweise und bat Reisende, die Anschlagsorte weiträumig zu meiden, die lokalen Medien zu verfolgen, engen Kontakt zu Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften zu halten und Anweisungen von Sicherheitskräften Folge zu leisten. (dpa/AZ)