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Anfeindungen: RKI-Chef Wieler bekommt Morddrohungen - und ist damit nicht allein

Anfeindungen

RKI-Chef Wieler bekommt Morddrohungen - und ist damit nicht allein

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    Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz. Der Präsident des Robert Koch-Instituts sieht sich massiven Bedrohungen ausgesetzt.
    Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz. Der Präsident des Robert Koch-Instituts sieht sich massiven Bedrohungen ausgesetzt. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Ärzte und Virologinnen vor der Kamera und Epidemiologen, die auf Twitter Studien kommentieren: In der Pandemie ist das alltäglich geworden. Fachleute beziehen Stellung zu Fragen rund um Corona. Doch nicht immer stoßen diese Aussagen auf Zustimmung oder konstruktiven Austausch.

    Eine Umfrage der Fachzeitschrift Nature unter mehr als 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus mehreren Ländern wirft nun ein Schlaglicht auf die oft negativen Reaktionen, die ein Teil von ihnen wegen der Präsenz in der Öffentlichkeit erfahren hat. Es geht nicht nur um Hassbotschaften, sondern auch um Morddrohungen und seltener sogar körperliche Angriffe.

    Keine wissenschaftlich begleitete Umfrage: 321 Experten beteiligt

    Vorweg: Es handelt sich nicht um eine wissenschaftlich begleitete, repräsentative Umfrage. Das Ausmaß des Problems lässt sich damit nicht exakt bemessen. Die Zeitschrift Nature versandte Fragebögen an Experten und arbeitete dabei in mehreren Ländern mit Einrichtungen zusammen, die unter anderem Wissenschaftler-Statements an Medien verschicken (Science Media Centers). Es beteiligten sich 321 Expertinnen und Experten, die mit Medien über die Pandemie gesprochen hatten. Die meisten von ihnen kamen aus Großbritannien, Deutschland und den USA.

    In Deutschland gibt es bekannte Betroffene, die massive Anfeindungen selbst öffentlich gemacht haben. Unter anderem der Virologe Christian Drosten.
    In Deutschland gibt es bekannte Betroffene, die massive Anfeindungen selbst öffentlich gemacht haben. Unter anderem der Virologe Christian Drosten. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Gut die Hälfte der Befragten gab an, manchmal, in der Regel oder immer nach Medienauftritten Troll-Kommentare oder persönliche Angriffe erlebt zu haben. Die negativen Folgen der medialen Präsenz reichen demnach bis hin zu Morddrohungen in 47 Fällen; sechs Wissenschaftler gaben an, körperlich attackiert worden zu sein. Einzelne berichten auch von aggressiven Mails, gehackten Accounts oder Webseiten und Beschwerden an den Arbeitgeber.

    Betroffene in Deutschland sind Karl Lauterbach oder Christian Drosten

    Die Nature-Umfrage war zwar anonym, in Deutschland gibt es aber bekannte Betroffene, die massive Anfeindungen bereits vor einiger Zeit selbst öffentlich gemacht haben. Dazu gehört neben dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach etwa der Virologe Christian Drosten. Auch hatten Unbekannte im Oktober 2020 laut Polizei Brandsätze auf ein Gebäude des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin geworfen.

    Charité-Wissenschaftler Drosten berichtete vor rund einem Jahr bei einem Kongress in Berlin, welche Kehrseiten die Bekanntheit bis in den Alltag hinein hat: Da es ihm "ziemlich unangenehm" sei, beim Einkaufen angestarrt zu werden, gehe er mit Sonnenbrille und Mütze raus, um nicht erkannt zu werden. Zu seinem Umgang mit Hass sagte Drosten damals: "Alles, was ich da machen kann, ist, das möglichst auszuklammern."

    Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sieht sich ebenfalls massiven Bedrohungen ausgesetzt. "Ich wünschte, die Lage wäre angenehmer, aber ich bekomme immer noch Drohungen", sagte Wieler vor wenigen Tagen den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

    Wenn etwa öffentlich behauptet werde, er sei dafür verantwortlich, dass Schulen geschlossen würden, oder wenn irgendwo die Behauptung stehe, er wolle Lockdown statt Freiheit, "dann nehmen die Drohungen, auch die Morddrohungen, massiv zu". Das hindere ihn aber nicht an seiner Arbeit. "Das Risiko hält mich aber nicht ab von meiner Pflicht. Solange ich Beamter dieses Staates bin, werde ich ihm verantwortungsvoll dienen", sagte Wieler.

    "Es ist unfair, die Schuld auf das RKI abzuwälzen", sagt Wieler

    Der RKI-Chef verteidigte sein Institut erneut gegen Kritik wegen unvollständiger Impfdaten. Ein RKI-Bericht, wonach unter Erwachsenen vermutlich mehr Menschen geimpft seien, als offizielle Daten nahelegen, hatte vergangene Woche für Wirbel gesorgt. Er teile den Ärger über die Meldeprobleme, doch sei dafür nicht das RKI verantwortlich.

    "Die Meldung der impfenden Stellen ist in der Coronavirus-Impfverordnung gesetzlich vorgeschrieben, sie muss vollständig und zeitnah erfolgen, um den Impffortschritt in Deutschland so genau und aktuell wie möglich abbilden zu können. Es ist unfair, die Schuld auf das RKI abzuwälzen", sagte Wieler.

    Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister, und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, beantworten während einer Pressekonferenz Fragen.
    Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister, und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, beantworten während einer Pressekonferenz Fragen. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Die offiziell gemeldeten Daten seien die Mindestimpfquote, sagte der RKI-Chef. Mit dem Einstieg der niedergelassenen Ärzte beim Impfen könne man die Impfquote nicht mehr so genau erfassen wie in den Impfzentren. "Wir können nur sagen, dass bis Ende September bis zu 84 Prozent der Erwachsenen mindestens einmal geimpft wurden und bis zu 80 Prozent vollständig." Wie hoch die tatsächliche Quote jetzt sei, könne man nicht sagen.

    Ein Trost bleibt, wie die Umfrage zeigt: Nach positiven Erfahrungen nach Medienauftritten gefragt, stimmten 83 Prozent der Aussage zu, sie hätten ihre Botschaft an die Öffentlichkeit bringen können. Immerhin das. (dpa, sohu)

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