Das Vorbild für den Nummer-1-Hit ist eine traurige Geschichte. Der junge Mann, um den er sich dreht, war nämlich einer der ersten Drogentoten in Essen: Mit dem Lied „Am Tag, als Conny Kramer starb“ aber schaffte Juliane Werding 1972 den Durchbruch in den Charts, die damals noch Hitparade hießen.
Conny Kramer, das sei ihr Freund gewesen, mit dem sie durch die Fußgängerzonen tingelte, besagt die Legende. Der im Lied verwendete Name war allerdings erfunden, was wiederum dem Erfolg keinen Abbruch tat. Es wurde der erste große Anti-Drogen-Song des deutschen Schlagers.
Dabei ist die Sängerin aus dem Kohlenpott eher dem Folk zuzuordnen als dem ganz leichten und seichten Musikmilieu. Noch Jahre sang sie erfolgreich und hatte weitere Hits wie „Wenn du denkst, du denkst“ oder „Nacht voll Schatten“. Aber sie sang keinen mehr, der so für die frühere Klosterschülerin mit der stets etwas unnahbaren, für ihre Fans fast heiligen Aura stehen blieb wie ihre Debütsingle.
Inzwischen haben viele Juliane Werding aus den Augen verloren. Kein Wunder. Aus dem ehemals blonden Mädchen mit den stahlblauen Augen ist eine Heilpraktikerin geworden, die heute ihren 60. Geburtstag feiert. Interviews lehnt sie meist mit der Begründung ab, sich ohne Öffentlichkeit besser auf ihre neue Aufgabe konzentrieren zu können.
Kehrt Juliane Werding noch einmal ins Rampenlicht zurück?
Auf den Bühnen der Republik turnen längst die nächsten Generationen herum. Schon vor Jahren hat sich Werding aus dem Showgeschäft zurückgezogen. Das letzte Album datiert aus dem Jahr 2010, heißt „Fundstücke“ und entfachte keine Furore.
Wahrscheinlich hat der nachlassende Erfolg zum schleichenden Branchenwechsel beigetragen. Zwischendrin hat Juliane Werding mit ihrem Lebensgefährten, dem Theologen Uwe Birnstein, auch ein Buch „Huren, Heuchler, Heilige“ veröffentlicht. Dabei gewährten sie sozusagen Einblick in den Backstage-Bereich des Himmels. Aber auch von diesen Einnahmen ließ sich nicht auf Dauer leben. Obwohl Geld im Leben der Sängerin vermutlich nicht die entscheidende Rolle spielt. Schon zu erfolgreichen Zeiten predigte sie einen gepflegten Antimaterialismus: „Ich hoffe, dass mehr Gemeinsinn und Spiritualität in die Welt kommt. Es ist doch egal, ob man nun das zweite oder das dritte Auto in der Garage stehen hat.“
Und in diese Richtung hat sie sich weiterentwickelt. Heute kümmert sich Juliane Werding in einer Praxisgemeinschaft in Starnberg bei München um ihre Patienten. Schon in den 80er Jahren begann sie ihre Ausbildungen, die von klassischer Homöopathie über Bachblütentherapie bis zur Heilhypnose reichen. Ob sie den Schritt zurück ins Rampenlicht wie viele andere vor ihr noch einmal wagt? „Man soll ja nie nie sagen, wer sich einmal mit dem Virus-Musicus infiziert hat, ist nicht heilbar“, sagte sie einmal. Aber das ist schon Jahre her.