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Ärztepfusch: Immer mehr medizinische Fehlleistungen

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Ärztepfusch: Immer mehr medizinische Fehlleistungen

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    Wer Angst vor dem Arztbesuch oder Kliniken hat, sollte sich die Internetseite „Ärztepfusch“ nicht näher ansehen. Nicht nur private Websites, auch die zuständigen Gutachterstellen der Ärztekammern melden einen Anstieg medizinischer Fehlleistungen (Symbolbild).
    Wer Angst vor dem Arztbesuch oder Kliniken hat, sollte sich die Internetseite „Ärztepfusch“ nicht näher ansehen. Nicht nur private Websites, auch die zuständigen Gutachterstellen der Ärztekammern melden einen Anstieg medizinischer Fehlleistungen (Symbolbild). Foto: dpa

    Wer Angst vor dem Arztbesuch oder Kliniken hat, sollte sich die Internetseite „Ärztepfusch“ nicht näher ansehen. Betroffene erzählen da aus ihrer Sicht über medizinische Kunstfehler. Und davon scheint es eine ganze Menge zu geben: „Mandeloperation – Kind tot!“, „Zum Geburtstag verblutet“, „Verlust einer Niere und eines Unterschenkels“ sind nur drei Beispiele einer langen Liste an Beschwerden.

    Ärztepfusch: Anstieg medizinischer Fehlleistungen

    Doch nicht nur private Websites, auch die zuständigen Gutachterstellen der Ärztekammern melden einen Anstieg medizinischer Fehlleistungen. Insgesamt beschwerten sich im vergangenen Jahr demnach 11107 Patienten, etwas mehr als im Vorjahr. In immerhin 7452 Fällen wurden die Einwände bearbeitet, 2287 Beschwerden wurden schließlich anerkannt. Das heißt, die Schlichtungsstellen bestätigten Arztfehler.

    Wolfram-Armin Candidus, Präsident des Patientenverbandes DGVP, ärgert sich über diese Zahlen. Er hält sie für „Volksverdummung“. Der Augsburger spricht gegenüber unserer Zeitung von 40000 Behandlungsfehlern pro Jahr, die zu 17000 Todesfällen führten. Zu der hohen Dunkelziffer komme es, weil nur wenige Patienten mit dem Verdacht auf fehlerhafte Behandlung, seinen Angaben nach die Gutachterstellen aufsuchen.

    „Immens kompliziert“, als Betroffener zu seinem Recht zu kommen

    Noch immer sei es „immens kompliziert“, als Betroffener zu seinem Recht zu kommen, sagen Patientenanwälte unisono. Und selbst wenn das in einem Ärztekammer-Verfahren geschehe, heiße dies nicht, dass man automatisch eine Entschädigung erhält. Oft werde diese Entscheidung nicht in allen Fällen von beiden Seiten akzeptiert.

    Darum reicht auch den gesetzlichen Krankenkassen die gegenwärtige Rechtslage bei ärztlichen Behandlungsfehlern nicht aus. Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen, spricht sich für eine erleichterte Beweislast der Patienten aus. Diese sollten nur belegen müssen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass sie einen Schaden erlitten haben.

    Neues Gesetz

    Ein neues Gesetz, das demnächst im Bundestag beschlossen werden wird, soll das möglich machen und ab 2013 dafür sorgen, dass Kranke ihre Rechte kennen und leichter gegen Behandlungsfehler vorgehen können. Neben der Umkehr der Beweispflicht sollen Kranken- und Pflegekassen verpflichtet werden, ihre Versicherten bei Schadenersatzansprüchen zu unterstützen. Beispielsweise, indem sie Gutachten bestellen und bezahlen.

    Dagmar Nedbal, Sprecherin der Landesärztekammer, schätzt die Lage naturgemäß anders ein. Sie ist gegen eine vollständige Beweislast- umkehr, „weil das das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten zerrütten“ würde. Angesichts von Millionen von Behandlungen und Eingriffen pro Jahr seien einige tausend Fehler relativ gering, sagt sie. Nedbal lobt indes die seit 1975 gegründete Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler in Bayern.

    Neue Kultur des offeneren Umgangs mit Fehlern?

    Auch versuche man, im Medizinbereich eine neue Kultur des offeneren Umgangs mit Fehlern zu etablieren. Dies sei wichtig, damit Ärzte aus diesen erkannten Mängeln auch lernen könnten. Patientenrechtler Candidus äußert Zweifel: Der Weg von der vorherrschenden Kultur der Schuldzuweisung hin zu einem konstruktiven Umgang mit Risiken und Fehlern in der medizinischen Praxis sei noch weit, sagt er. (jok)

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