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ARD-Serie: "Oktoberfest 1900" im Check: Wie es damals in München wirklich war

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"Oktoberfest 1900" im Check: Wie es damals in München wirklich war

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    Curt Prank (Mišel Matičević) feiert sich in der vierten Folge der Serie "Oktoberfest 1900" selbst in seiner Bierburg auf der Wiesn.
    Curt Prank (Mišel Matičević) feiert sich in der vierten Folge der Serie "Oktoberfest 1900" selbst in seiner Bierburg auf der Wiesn. Foto: Dusan Martincek/BR/ARD Degeto/MDR/WDR, dpa

    An diesem Samstag wäre es wieder soweit gewesen: Zwei Schläge, vielleicht drei und dann der Ruf des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter: "Ozapft is! Auf eine friedliche Wiesn!" Wäre da nicht die Corona-Pandemie. Aufgrund von Covid-19 wurde das traditionsreiche Volksfest in München dieses Jahr abgesagt. Einen Ersatz gibt es aber dennoch: In der neuen ARD-Serie "Oktoberfest 1900" geht es darum, wie die Wiesn auf der Münchner Theresienwiese zu dem Mega-Event wurde, das sie heute ist. Doch war es wirklich so, wie es in der ARD-Serie dargestellt wird? Wir haben die Serie einem Faktencheck unterzogen.

    Gab es einen Brauer aus Nürnberg, der sich Budenplätze auf der Wiesn ergaunert hat?

    Der Nürnberger Brauer Curt Prank möchte in der Serie "Oktoberfest 1900" unbedingt die erste große Bierburg eröffnen - koste es was es wolle. Die Person des machthungrigen Curt Pranks habe es so in der Realität nicht gegeben, erklärt Georg Reichlmayr, offizieller Gästeführer der Stadt München. Seine Figur erinnere aber sehr stark an einen Nürnberger Gastronom namens Georg Lang (1866-1904), den es tatsächlich gegeben habe. Der auch als "Krokodilwirt" bekannte Lang habe sich im Jahr 1898 über Münchner Strohmänner fünf Budenplätze auf der Wiesn ersteigern lassen. So schreibt es der Direktor des Stadtarchivs München, Michael Stephan, im Vorwort des Katalogs "Das Oktoberfest 1810-2010". Obwohl Georg Lang kein Münchner gewesen sei und das Festzelt nicht selbst bewirtschaftet habe, eröffnete er dort schließlich das erste große Wiesn-Zelt mit dem Namen "Lang's Riesenhalle".

    Gab es wirklich rivalisierende Brauer auf der Wiesn?

    In der Serie streiten sich mehrere Wiesnwirte um die Bierbudenplätze auf dem Oktoberfest. Rivalisierende Brauer habe es tatsächlich gegeben, erklärt Gästeführer Reichlmayr. Das sei den wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklungen in Bayern geschuldet gewesen. Sie trugen dazu bei, dass die Wiesn ab dem Jahr 1890 zu einem Großevent wurde und die Besucherzahlen stark anstiegen. Kleine Bierbuden mussten den großen Bierburgen weichen. "Der Verdrängungswettbewerb für die großen Hallen wurde tatsächlich hart geführt und viele kleinere Münchner Brauereien mussten zugunsten der Festhallen der Großbrauereien aufgeben", erzählt Reichlmayr. Ein bisschen was sei sicher auch an dem Gegensatz dran, der in der ARD-Serie zwischen Altbayern und Franken aufgemacht werde, erklärt Larissa Wagner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bayerische Geschichte der LMU München. Beide Regionen hätten bis Anfang des 19. Jahrhunderts verschiedene Brautraditionen gehabt. Dementsprechend seien sie lange Zeit Konkurrenten gewesen.

    War München im Jahr 1900 wirklich so gefährlich?

    Obwohl die Serie "Oktoberfest 1900" ein sehr gefährliches und düsteres Bild des damaligen Münchens zeichnet, sei es dort nicht unbedingt gefährlicher gewesen als in anderen größeren Städten, betont Reichlmayr. Ja, es habe brutale Schlägereien, Übergriffe und Vergewaltigungen gegeben. Reichlmayr vermutet aber, dass dies mit einem damals größeren Alkoholkonsum zusammenhängen könnte. "Anders als heute, wurden dergleiche Ausschreitungen nicht polizeilich verfolgt."

    Gab es wirklich Kannibalen und Völkerschauen in München?

    Gleich zu Beginn der Serie wird eine Gruppe von Kannibalen gezeigt. Ihre Mitglieder treten auf dem Oktoberfest 1900 in Völkerschauen auf. Die ehemalige Direktorin des Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, Sylvia Krauss-Meyl, bestätigt, dass es auf dem Oktoberfest in München wirklich Völkerschauen gegeben habe. Wie Zirkustiere habe man Menschen aus deutschen Kolonien - teilweise an einer langen Leine - den Zuschauern vorgeführt, erklärt Krauss-Meyl. Dass es aber, wie in der Serie dargestellt, Kannibalen gegeben habe, die in München lebten, sei zu bezweifeln. Die Völkerschauen wären aber nicht nur auf der Wiesn, sondern im gesamten Deutschen Kaiserreich sehr beliebt gewesen, betont Reichlmayr. Die "Samoa in München" habe man zur Jahrhundertwende tatsächlich bei dem Münchner Schausteller Carl Gabriel auf dem Oktoberfest besichtigen können.

    Haben die Biermadl im Jahr 1900 tatsächlich gestreikt?

    In der ARD-Serie streiken die Wiesnbediengungen unter der Führung von dem Biermadl Colina Kandels für bessere Löhne und Rechte. Das entspräche aber nicht den wahren Begebenheiten, stellt Reichlmayr klar. Einen Streik der Bedienungen habe es im Jahr 1900 auf dem Oktoberfest definitiv nicht gegeben. Die sogenannten Biermadl bekamen auf dem Oktoberfest nämlich gar keinen festen Lohn. Sie lebten ausschließlich vom Trinkgeld der Gäste.

    War das Brauereiwesen in München damals wirklich so attraktiv?

    Die Brauereibesitzer werden in der ARD-Serie als reich und einflussreich dargestellt. Wie Georg Reichlmayr erklärt, habe das Brauereiwesen seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Industriezweigen in München und Bayern gezählt. Federführend für diese Entwicklung seien vor allem Joseph Pschorr und Gabriel und Joseph Sedlmayr gewesen. Dass die Brauereibesitzer - wie in der ARD-Serie dargestellt - zu den höheren Kreisen der Gesellschaft zählten, ist damit also gar nicht so unwahrscheinlich. Das "Münchner Bier" habe sich schließlich zu einer überregionalen Marke entwickelt und in weiten Teilen zum Erfolg des Oktoberfests beigetragen. "Genau auf diese Erfolgsschiene sprangen dann Brauer und Wirte auf, wie der Nürnberger Georg Lang."

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