38 Millionen 9-Euro-Tickets wurden seit dem Verkaufsstart Ende Mai bis einschließlich Montag bundesweit verkauft, so der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Hinzu kämen die jeweils etwa zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, die monatlich das vergünstigte Ticket automatisch erhalten. Das hört sich erst einmal gut an. Doch mehrere Studien zeigen: Die Sonderfahrkarte kann kaum alle Hoffnungen und Ziele erfüllen.
9-Euro-Ticket: erste Ergebnisse von Studien
"Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den Öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen", sagt etwa Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin laut der Deutschen Presseagentur. Das 9-Euro-Ticket führe zu einer höheren Nutzung des Öffentlichen Verkehrs, aber vor allem selektiv auf bestimmten Strecken, so Böttger laut dem Spiegel. Eine Auswertung von Mobilfunkdaten durch das Statistische Bundesamt ergab, dass im Juni 2022 die bundesweiten Bewegungen im Schienenverkehr im Schnitt 42 Prozent höher waren als im Juni 2019. Das Problem dabei ist allerdings, dass etwa ein Viertel der im ÖPNV angetretenen Fahrten ohne das Ticket gar nicht erst gemacht worden wäre. Demnach handelt es sich um zusätzliche Reisen und nicht um Ersatzfahrten.
Das ergab auch eine Studie aus dem Großraum München, die unter anderem die Bewegungsdaten hunderter Teilnehmer auswertet. Demnach fahren 35 Prozent der Probanden häufiger mit Bus und Bahn. Aber nur drei Prozent nutzen ihr eigenes Fahrzeug seltener. Die Datenlage sei allerdings nach wie vor sehr dünn, warnen Fachleute. Für endgültige Schlüsse sei es noch zu früh.
9-Euro-Ticket: Wie geht es weiter?
Auch in dieser Woche geht die Debatte um eine Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket weiter. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach sich auf NDR Info dafür aus, einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket mit einer Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Energieunternehmen zu finanzieren. Er fordert eine Übergewinnsteuer. Denn es gebe Unternehmen, die durch den russischen Krieg in der Ukraine "massive Gewinne machen, ohne dass sie auch nur einen Handschlag mehr tun", sagte Klingbeil am Montag dem Sender.
Dadurch würden diejenigen stärker belastet, die ohne eigenes Zutun mehr verdienten. "Die "dringend notwendige" Nachfolge für das 9-Euro-Ticket könnte mit diesem Geld bezahlt werden. "Dass wir dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger weiter kostengünstig den öffentlichen Nahverkehr nutzen können, das sollten wir hinkriegen", sagte Klingbeil. "Das Geld ist da, wir müssen es nur haben wollen."
Lindner gegen Finanzierung des 9-Euro-Tickets aus Bundeshaushalt
Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist anderer Meinung. Am Wochenende hatte er sich gegen eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt für eine Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets ausgesprochen. In der Finanzplanung stünden dafür keinerlei Mittel zur Verfügung. Der Minister sagte, er sei von einer "Gratismentalität " à la bedingungsloses Grundeinkommen" auch im Öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt. "Jeder Steuerzuschuss für ein nicht die Kosten deckendes Ticket bedeutet Umverteilung." Lindner halte es nicht für fair, wenn die Menschen auf dem Land, die keinen Bahnhof in der Nähe haben und auf das Auto angewiesen seien, den günstigen Nahverkehr subventionierten.
Die Aussagen des Finanzministers stießen zum Wochenanfang auf Kritik. "Menschen wissen nicht, wie sie über den Monat kommen sollen, Menschen sind verzweifelt, und dann von "Gratismentalität" zu sprechen, ist eine Frechheit", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, am Montag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. "Es wäre Aufgabe der Politik, jetzt den Personennahverkehr im ländlichen Raum auszubauen und nicht davon zu erzählen, dass es unfair wäre, wenn der eine einen Bus hat und der andere nicht."